Mit dem Projekt Mobility Living Lab wollen Wissenschaftler den Unicampus in Stuttgart-Vaihingen frei von CO2 machen. Elektrische Shuttlebusse sollen während der Fahrt geladen werden. Nejila Parspour weiß, wie das geht.

Vaihingen - Wer ein Gerät mit Strom antreibt, der muss ein Kabel einstecken. Das gilt bisher auch für Elektroautos. Die Uni Stuttgart arbeitet daran, dass diese Regel bald keine Gültigkeit mehr hat. Die dortigen Wissenschaftler wollen Fahrzeuge kabellos über Induktion aufladen, und das auch noch während der Fahrt. Dies ist ein Baustein des Uni-Projekts Mobility Living Lab, kurz Mobilab (wir berichteten), mit dem die Wissenschaftler zeigen wollen, wie man den emissionsfreien Campus erreicht. Den Strom will die Uni mit Fotovoltaik-Anlagen erzeugen, im Idealfall auf dem Dach eines großen Parkhauses über dem Johannesgraben oder auf Unigebäuden. Das Gesamtprojekt ist so geplant, dass es auf andere Stadtquartiere übertragbar sein soll.

 

„Wir wollen eine Forschungsstraße bauen und sie so konstruieren, dass die Autos während der Fahrt geladen werden können. Das funktioniert über induktives Laden ohne Kabel“, sagt die Professorin Nejila Parspour vom Institut für Elektrische Energiewandlung am Pfaffenwaldring. Bis jetzt, sagt die Expertin, gebe es Prototypen von Fahrzeugen, die während des Parkens kabellos geladen werden können. Drei Stationen befänden sich auf dem Campus, eine stehe stehe vor dem Institut. „Wir haben die erste Station 2013 als Erste in der Landeshauptstadt in Betrieb genommen“, sagt Nejila Parspour. Diese Station habe drei Kilowatt geleistet, die zweite 22 Kilowatt, und die dritte leiste zwischen drei und elf Kilowatt. Den Autoprototyp und die Ladestation am Institut habe die Vector-Stiftung finanziert. Die Lithium-Ionen-Batterie des Autos habe beim kabellosen Laden den Wirkungsgrad von 96 Prozent. „Das ist sehr gut“, sagt Parspour.

Durch induktive Laden werden Batterien kleiner, man braucht weniger Lithium

Jetzt gehe es ums Laden während der Fahrt. „Ein Teil des Systems liegt unter der Straße, der zweite ist im Auto“, sagt Parspour. Grundsätzlich gelte: „Wenn man ein Auto beim Parken laden kann, dann kann man dies auch während der Fahrt.“ Diese Methode des Ladens biete zwei Vorteile: Die Reichweite erhöhe sich und man könne mit kleineren Batteriegrößen arbeiten, weshalb man weniger Lithium verbrauche, was der Umwelt zugutekomme. „Beim Laden sind bei uns 22 Kilowatt gesetzt, aber theoretisch kann man bis zu 250 Kilowattstunden gehen. Dann kann man superschnell laden.“ Bei der Batteriekapazität von 22 Kilowattstunden könne die Batterie in einer Stunde geladen sein, mit 50 Kilowatt sei sie schon in 30 Minuten geladen. „Es gibt aber eine Schwierigkeit: Batterien mögen Laden mit viel Leistung bisher nicht, aber 50 Kilowatt sind kein Problem.“ Induktiv aufgeladen haben die Forscher unter anderem einen interdisziplinär gebauten Gokart, den sie 2017 auf der Hannovermesse ausgestellt haben.

Im Moment, sagt Nejila Parspour, starte man mit den Forschungsarbeiten, bis 2020 wolle man mit den Versuchen unter Laborbedingungen fertig sein. Ab Anfang 2021 könne man mit den Tests auf einer Versuchsstraße beginnen. Die Expertin legt Wert darauf, dass dies ein interdisziplinäres Projekt aller Institute auf dem Campus sei, die zu Mobilab etwas beitragen könnten: „Dafür vernetzen wir alles, was wir hier haben.“ Wie klappt das kabellose Laden in der Praxis? „Unter dem Boden fließt Wechselstrom in einer Spule. Er erzeugt ein unsichtbares magnetisches Wechselfeld. Wenn man eine zweite Spule über die erste hält, geht das Magnetfeld durch die zweite. Dabei entsteht Spannung, mit der wir Strom für die Batterie erzeugen können“, sagt Nejila Parspour.

Hohe Energieübertragung mit Hilfe von Kondensatoren

Natürlich ist es für die Energieübertragung ideal, wenn die beiden Spulen dicht, also wenige Zentimeter, übereinanderliegen. Das ist aber beim Laden eines Autos, das ja Bodenfreiheit braucht, damit bei einer Bodenwelle oder einem Schlagloch der Rahmen nicht über den Asphalt schrammt, nicht der Fall. Dafür mussten sich die Forscher eine Lösung einfallen lassen. Damit das Magnetfeld den größeren Abstand überbrücken kann, benutzen sie Helfer: Kondensatoren. „Mit einer Schaltung aus Kondensatoren kann man eine Resonanz bewirken, sodass man auch in gewissem Abstand zwischen den Spulen noch eine hohe Energieübertragung hat“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Anna Lusiewicz.

Damit alles gut funktioniere, sagt die junge Wissenschaftlerin, komme es natürlich auch auf die Qualität der Drähte an. Diese bestehen aus vielen feinen, isolierten Einzeladern aus Kupfer, die verdrillt und dann zur Spule gewickelt werden. „Diese Kabel heißen Hochfrequenz-Litzen. Man kennt sie aus der Funktechnik. Sie sind etwas teurer als normale Kupferkabel, aber sie werden industriell hergestellt“, sagt Anna Lusiewicz.