In Stuttgart ist eine Seilbahn geplant. Ein Leitfaden für Kommunen soll nun zeigen, was es für eine gut funktionierende Luftschwebebahn als Teil des ÖPNV braucht. Dabei geht es laut Experten vor allem um eins: die Akzeptanz bei den Bürgern.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat das Vaihinger Planungs- und Beratungsunternehmen Drees & Sommer gemeinsam mit dem Verkehrswissenschaftlichen Institut Stuttgart (VWI) beauftragt, eine Studie über die „stadt- und verkehrsplanerische Integration urbaner Seilbahnprojekte“ zu erarbeiten. Das Ziel ist ein Leitfaden für die „Realisierung von Seilbahnen als Bestandteil des öffentlichen Personen-Nahverkehrs“. Dieser soll in zwei Jahren vorliegen. „Mit Studie und Leitfaden wollen wir Anreize setzen, eine nachhaltige Mobilität im urbanen Raum zu fördern und das öffentliche Verkehrssystem sinnvoll zu ergänzen“, erklärt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Steffen Bilger. „Unser Ziel ist, einen nationalen Standard für urbane Seilbahnen in Deutschland zu schaffen, an dem sich Städte und Kommunen orientieren können.“ Denn trotz der „beachtlichen Erfolge und nachweislichen Vorteile“ von Seilbahnen in vielen Metropolen weltweit, gebe es in Deutschland „wenig Erfahrungen mit Seilbahnsystemen im urbanen Bereich“, heißt es in der Leistungsbeschreibung des BMVI.

 

Seilbahnen in acht Großstädten dienen als Fallbeispiele

Die Seilbahnen in den Städten Medellín, La Paz, New York, Portland, Algier, Lissabon, Brest, Bozen, London und Ankara zu untersuchen, ist daher ein Bestandteil der gemeinsamen Studie von Drees & Sommer und des VWI. Im Fokus der Analyse der acht Fallbeispiele stehen jeweils der Einsatzzweck, der Planungsprozess, die städtebauliche Integration, die Verknüpfung mit dem übrigen ÖPNV und die Auswirkungen auf den Verkehr. Abgeleitet werden sollen daraus Erkenntnisse für mögliche Seilbahnprojekte in Deutschland. „Bei der Analyse gilt es natürlich, die teils großen gesellschaftlichen und politischen Unterschiede im Vergleich zu Deutschland einzubeziehen“, erklärt Sebastian Beck, Infrastruktur-Experte bei Drees & Sommer und Projektleiter für die Studie. Er ist überzeugt: „Seilbahnen als Ergänzung zum bestehenden öffentlichen Nahverkehr werden in Zukunft eine nicht mehr wegzudenkende Option sein, zumal der Verkehr in Städten und Ballungsräumen zunehmend an seine Grenzen stößt.“

Sein Kollege Stefan Tritschler vom VWI und stellvertretender Projektleiter der Studie pflichtet ihm bei: „Staus, Luftverschmutzung, Verkehrslärm, Flächeninanspruchnahme und Verkehrsunfälle zwingen uns zur Reduktion bestehender Belastungen. Seilbahnen nutzen den Luftraum weitestgehend unabhängig vom übrigen Verkehr, sind technisch ausgereift und erzeugen vor Ort kaum Emissionen. Vor allem aber sind sie leise, sicher, leistungsfähig und vergleichsweise kurzfristig realisierbar.“

In verschiedenen Städten soll es Workshops geben

Von Luftschwebebahnen in den Bergen abgesehen, existieren in deutschen Städten lediglich Seilbahnen in Berlin, Koblenz und Köln, die anlässlich der Bundesgartenschau entstanden sind. Allerdings gibt es zahlreiche Überlegungen und unterschiedlich weit fortgeschrittene Vorhaben zum Bau von Seilbahnanlagen als Ergänzung zum bestehenden ÖPNV – nicht nur in Stuttgart-Vaihingen, sondern auch in Berlin, Bonn, Düsseldorf, Köln, München oder Wuppertal.

Für Sebastian Beck ist der Rückhalt der Bürger das entscheidende Erfolgskriterium: „Obwohl im Vorfeld häufig und heftig umstritten, wollen die Menschen dort, wo sie umgesetzt ist, ihre Seilbahn nicht mehr missen“, betont er. Damit die Seilbahn nicht bereits in den Köpfen der betroffenen Bürger scheitert, sei ein transparenter Prozess das A und O. Die Arbeitsgemeinschaft Drees & Sommer/VWI wird für die Erstellung des Leitfadens auch Workshops in mehreren deutschen Städten anbieten – wegen Corona voraussichtlich digital. Ob es auch in Stuttgart Workshops gibt, steht noch nicht fest.