Die öko-soziale Mehrheit im Stuttgarter Gemeinderat ärgert sich über die Kritik der Verwaltung an ihrem Vorschlag für mehr Rad- und Fußverkehr.

Der rathausinterne Streit über die neuen Ziele zur Weiterentwicklung der klimafreundlichen Mobilität schwelt auch nach der Beschlussfassung im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik vor einer Woche weiter. Der Aktionsplan „Nachhaltig und innovativ mobil in Stuttgart“ war mit der Mehrheit von Grünen, SPD, Linksbündnis und der Fraktionsgemeinschaft Puls gegen die Stimmen von CDU, FDP, Freien Wählern und OB Frank Nopper (CDU) verabschiedet worden. Deren Ablehnung resultierte aus den zahlreichen Ergänzungen der öko-sozialen Mehrheit, vor allem in Bezug auf den Rad- und Fußverkehr sowie den Umstand, dass in der Einleitung der Beschlussvorlage die Bedeutung des Automobilstandorts Stuttgart im Allgemeinen und etwa der E-Mobilität im Speziellen keine Berücksichtigung fanden. Der Plan enthält aber mehr als 200 Einzelmaßnahmen, die in den nächsten drei bis fünf Jahren schrittweise umgesetzt werden sollen. Auf Kritik war bei der Mehrheit die Aussage der Rathausspitze gestoßen, Umfang und Tempo bei der Umsetzung nicht immer leisten zu können.

 

Martin Körner sieht die Realität anders

Einen Tag nach der Beschlussfassung hat Martin Körner, Leiter des Grundsatzreferates Klimaschutz, Mobilität und Wohnen, und ehemaliger SPD-Fraktionschef, in einer Mitteilung der Stadt das noch einmal bekräftigt. Er erklärte, einige Maßnahmen, wie die beschlossenen 20 Fahrradstraßen würden erst später als von der Ausschussmehrheit gewünscht, umgesetzt werden. „Da ist der Wunsch der Vater des Gedankens – die Realität sieht aber leider anders aus“, betonte er.

Das kann Grünen-Stadtrat Björn Peterhoff nicht nachvollziehen: Im Konzept der Verwaltung seien Rad- und Fußverkehr nicht ausreichend berücksichtigt gewesen, deshalb habe man die Schwerpunkte verschoben. „20 Fahrradstraßen bekommt man hin“, sagt er und verweist auf die Bindungswirkung des „Radentscheids“; in diesem Beschluss sind über die Stadtteile hinweg mehr als 200 Projekte erwähnt. Die Verwaltung müsse eben die richtigen Prioritäten setzen.“

„Schwanz wedelt nicht mit dem Hund“

Kritik kommt auch vom Linksbündnis: „Wenn sich der Gemeinderat ehrgeizige Ziele setzt, dann ist es nicht Aufgabe der Verwaltung diese bockig zu kommentieren, sondern die Voraussetzung für deren Umsetzung zu schaffen. Gegebenenfalls muss die Verwaltung zusätzliches Personal und finanzielle Mittel für den Haushalt anmelden“, meint Stadtrat Luigi Pantisano. „ Der Schwanz wedelt nicht mit dem Hund – es wird Zeit, dass die Verwaltungsspitze das grundsätzlich beherzigt.“ 20 zusätzliche Fahrradstraßen einzurichten, sei kein Problem – die Stadt Bonn bringe es in eineinhalb Jahren auf 44. Es spreche „doch vieles für einen Unwillen verbunden mit Stuttgarter Untätigkeit“, ergänzt Fraktionssprecher Hannes Rockenbauch. Er verweist auf die Bindungswirkung des Ziels, Stuttgart bis 2035 klimaneutral zu machen. „Wenn die Verwaltungsspitze jetzt schon bei einem Teil der Verkehrswende blockiert, wie soll das dann bei den großen Aufgaben wie der Energiewende oder der Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf den Umweltverbund gelingen?“, so Pantisano.

SPD: Müssen dicke Bretter bohren

Lucia Schanbacher (SPD) geht davon aus, „dass für eine Verkehrswende, die wir ernst meinen, auch beim städtischen Haushalt mehr als bislang gewohnt aufgerufen wird. Man müsse auch über Prozesse nachdenken, die anders laufen müssten als bisher. „So haben wir ja auch im Ausschuss auch auf die Bürgermeister reagiert, die uns gespiegelt haben, wie viel diese aktuell zu stemmen haben.“ Ihnen sei klar, dass dies Zeit und erhebliche Mittel in Anspruch nehmen wird, „aber dieses Brett müssen wir bohren, wenn wir 2035 klimaneutral werden wollen“. Die Verwaltung habe die Aufgabe, Ratsbeschlüsse umzusetzen. Darauf müsse sie „nicht verschnupft reagieren“.