Vor allem in Asien bleiben bei Hugo Boss viele Kunden fern, Läden geschlossen. Doch auch in Europa ist die sinkende Nachfrage zu spüren. Impulse soll die Freizeitmode setzen. Und ein veganer Anzug „Made in Metzingen“.

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Metzingen - Eigentlich hatte das neue Jahr blendend angefangen bei Hugo Boss: Das Geschäft in Asien brummte mit deutlich zweistelligen Zuwachsraten, die Modernisierungsarbeiten Dutzender Boss-Shops sollte bald beginnen und der boomende chinesische Tourismus auch in den Geschäften der Nachbarländer die Kassen klingeln lassen. Dann kam das Coronavirus, das öffentliche Leben in China erlahmte und die Kunden blieben aus.

 

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Mehr als die Hälfte der rund 150 eigenen Verkaufsstellen von Hugo Boss sind seit Ende Januar in China, Hongkong und Macau geschlossen. In den übrigen ging die Kundenzahl um mehr als 80 Prozent zurück. „Die wirtschaftlichen Folgen der Ausbreitung des Coronavirus werden die Umsatz- und Ergebnisentwicklung des Unternehmens im Jahr 2020 erheblich belasten“, formulierte es Hugo-Boss-Chef Mark Langer am Donnerstag nüchtern. Und er prognostizierte, dass die Umsätze in der Region Asien-Pazifik in diesem Jahr „im einstelligen Prozentbereich“ zurückgehen könnten – nachdem sie im Vorjahr währungsbereinigt um fünf Prozent gewachsen waren. Denn die Chinesen reisen kaum noch nach Südkorea, Japan und Singapur, um dort einzukaufen. Und auch die Einheimischen haben kaum Lust, einen Luxusshopping-Bummel zu unternehmen und kaufen stattdessen vor allem das Notwendige ein.

Kampagnen und Investitionen in China werden verschoben

Der Konzern hat bereits begonnen, Ware, die für China bestimmt war, in die USA umzuleiten. Probleme mit Warenlieferungen oder den Lieferketten gebe es aber nicht und seien derzeit auch nicht abzusehen, betonte Langer. Investitionen im Reich der Mitte wurden aber bereits verschoben. Was nütze es, Läden zu renovieren, wenn die Einkaufszentren geschlossen seien? Oder die Marketing-Kampagnen zu starten, die man speziell für China konzipiert habe?, fragte Langer und beantwortete die Frage selbst: „Es bringt nichts eine Party zu schmeißen, wenn keiner kommen kann.“

Damit ist die Hugo Boss AG wieder vom Party- in den Krisenmodus gerutscht: Bereits im vergangenen Jahr hatte es lange Zeit bei Umsatz und Ergebnis gekriselt, sodass schon über eine mögliche Ablösung des Boss-Chefs spekuliert worden war. Dann rettete ein überraschend starkes Schlussquartal Boss die Bilanz. Der Umsatz stieg währungsbereinigt immerhin um zwei Prozent auf 2,9 Milliarden Euro, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) war mit 333 Millionen Euro zumindest solide. In diesem Jahr aber könnte mit der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus auch die Geschäfte auf den anderen Kontinenten unter Druck geraten.

Noch prognostiziert das Unternehmen für Europa einen Anstieg „im niedrigen einstelligen Prozentbereich“ und für die Region Amerika „eine stabile“ Umsatzentwicklung. Gleichzeitig räumte Langer ein, dass man die Kaufzurückhaltung auch schon in Europa spüre, allen voran in den Modehauptstädten Mailand, London und Paris. Ins Metzinger Outlet-Center kommen laut Langer seit Wochen praktisch keine chinesischen Touristen mehr – und aus anderen Ländern auch kaum noch. Hoffnung habe er aber: „Die Leute kommen zurück – die Frage ist wann.“ Er setze auf den Sommer: „Dann rechnen wir mit einer Normalisierung der Geschäfte“.

2020 wird für Boss wohl ein Jahr der Stagnation

Was Umsatz und Ergebnis betrifft, dürfte 2020 kein normales Jahr werden. Der Umsatz könnte stagnieren, maximal rechnet das Unternehmen mit einem Plus von zwei Prozent. Auch das Ebit wird wohl stagnieren und könnte 320 bis 350 Millionen Euro betragen.

Strategisch sieht sich der Konzern auf dem richtigen Weg. Zwar leide das so wichtige Asiengeschäft derzeit, dafür sind die Umsätze im eigenen Onlinegeschäft im vergangenen Jahr währungsbereinigt um 35 Prozent auf 151 Millionen Euro gestiegen und sollen in diesem Jahr weiter wachsen. Allerdings geht das Wachstum vor allem auf die Präsenz auf den großen Internetplattformen zurück, deren Bedeutung weiter zunehme. Auch die jüngere Marke Hugo, die vor allem Kleidung im Freizeitbereich anbietet, ist auf Erfolgskurs. Außerdem wirtschaftet das Unternehmen im stationären Einzelhandel effizienter als bisher. Hier will man auch mit etwas günstigeren Kollektionen als bisher punkten und hat künftig Anzüge zu den Preisen von 399 und 449 Euro im Angebot – bisher war der günstigste Anzug für 499 Euro zu haben. Das sei aber in einem preisorientierten Wettbewerb kaum durchsetzbar, sagt Langer.

In Metzingen produziert Boss einen veganen Anzug

Neue Kunden will Boss mit einer neuen Kollektion für Segler und einem veganen Anzug gewinnen, der in Metzingen hergestellt wird, wo mit rund 300 Mitarbeitern auch eine der größten Produktionsbetriebe in Deutschland ist. Eine Tendenz mehr Produktion zurück nach Deutschland zu verlagern, sieht Langer nicht. Man wolle aber „die Flexibilität“ ausbauen.

Zwei Ankündigungen machte Langer noch: Die Dividende für das Geschäftsjahr 2019 soll um fünf Cent auf 2,75 Euro pro Aktie steigen, die derzeit bei rund 38 Euro gehandelt wird. „Uns ist die Bedeutung einer verlässlichen Dividende für unserer Aktionäre bewusst“, sagte Finanzvorstand Yves Müller. Außerdem wird der Vorstand erweitert: Heiko Schäfer soll sich um das operative Geschäft kümmern. „Mit dieser Erweiterung des Vorstands stärken wir den so wichtigen Bereich der Beschaffung und Produktion“, sagte Langer.