Laut den neuen Beschlüssen von Bund und Ländern dürften in Böblingen der Einzelhandel schon am 8. März öffnen und 14 Tage später die Außengastronomie – wenn der Inzidenzwert unter 50 bleibt. Aber nicht alle sind davon begeistert.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Die Investition des Kreistags scheint sich auszuzahlen: 250 000 Euro stellt der Kreis Böblingen zur Verfügung, damit sich die Bewohner kostenlos auf das Coronavirus testen lassen können. Das Angebot ist in der Region Stuttgart einzigartig – und der Böblinger Inzidenzwert ist es auch. Mit 35,7 Infizierten pro 100 000 Einwohner liegt er unter allen Werten in der Region Stuttgart. Sollte es dabei bleiben, kann der Kreis laut dem Stufenplan, den Bund und Länder am Mittwoch zur Lockerung des Lockdowns beschlossen haben, einige Freiheiten genießen. Am Montag, 8. März, könnte beispielsweise der Einzelhandel unter Auflagen öffnen. Von dieser Erlaubnis würde nach aktuellem Stand das Breuningerland in Sindelfingen profitieren, das in Ludwigsburg jedoch nicht.

 

Womöglich öffnen bald die Museen

„Ich begrüße den Schritt des Bundes und der Länder, dass auf dem Weg raus aus der Krise und hin zu mehr Freiheiten zunehmend auf Regionalität gesetzt wird“, sagte Roland Bernhard zum Ergebnis der Konferenz. Der Landrat findet es nur folgerichtig, dass dort, wo die Inzidenz stabil unten gehalten werden kann, mehr Freiheiten eingeräumt würden. Laut dem Stufenplan dürften am 8. März bei einem Inzidenzwert unter 50 neben dem Einzelhandel auch Museen und dergleichen wieder öffnen, außerdem wäre kontaktloser Sport in Kleingruppen unter freiem Himmel erlaubt. Zwei Wochen später könnten Kinos, Theater und Biergärten öffnen, sogar Fußball dürfte gespielt werden.

„Die Menschen sind müde“

Eine Lockerung des Lockdowns hält Roland Bernhard für angebracht. „Die Menschen sind müde, und das ist auch nachvollziehbar“, sagt der Landrat. Lockerungen müssten aber mit geeigneten Schnellteststrategien begleitet werden. Sonst bestehe die Gefahr, bald in eine dritte Welle zu laufen. „Wir tun alles dafür, dass die Talfahrt anhält und wir einen niedrigen Inzidenzwert stabil halten können“, verspricht er. Einen Grund zur Euphorie gebe es nicht, teilt er allerdings mit, um die Begeisterung über die Freiheiten in Grenzen zu halten. „Es heißt weiter, wachsam zu sein, und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln aufkeimende Infektionen möglichst früh heraus zu filtern und zu isolieren“, warnt er.

Landkreis ist mit Schnelltestzentren gewappnet

Den Kreis Böblingen hält Roland Bernhard mit seinem System aus Schnelltestzentren gut dafür gewappnet. Das Netz an Testmöglichkeiten werde konstant ausgebaut. Durch diese Struktur habe der Kreis Böblingen „einen gehörigen Vorsprung“.

Bis zum Wochenende wird das Land Baden-Württemberg die Beschlüsse wohl in der Corona-Verordnung umsetzen. Theoretisch könnte der Kreis Böblingen dann für fast die gesamte Region Stuttgart zum Einkaufsziel werden – und es könnten Situationen wie an der bayerischen Grenze entstehen, wo die Ulmer Baumärkte in Neu-Ulm stürmten. Denn außer dem Rems-Murr-Kreis erfüllt aktuell kein anderer Kreis und auch die Landeshauptstadt nicht die Bedingung mit einem Inzidenzwert unter 50. Ob das Breuningerland nächste Woche wieder komplett öffnet, kann Stefan Klausen nicht sagen. „Die Umsetzung und Vorgehensweise für die neuen Beschlüsse ist besonders komplex, und es sind noch viele Fragen offen“, teilt der Marketing-Manager vom Centerbetreiber Unibail-Rodamco-Westfield mit. Erst auf Basis der Verordnung könnten weitere Schritte für den Betriebsablauf abgeleitet werden, erklärt er.

Gastronomen halten Beschlüsse für „schwachsinnig“

Bei der Schönbuch Braumanufaktur herrscht sogar das Gegenteil von Euphorie: Götz Habisreitinger hält die Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz für „schwachsinnig“, Werner Dinkelaker für „wenig praktikabel“. Um die Gastronomie zu öffnen, sei eine planbare Vorlaufzeit notwendig, sagen die beiden Geschäftsführer der Brauerei. Außerdem könnten Restaurants und Gaststätten nicht nach drei Tagen wieder schließen, wenn der Inzidenzwert steigt. „Das funktioniert vielleicht auf einem Schreibtisch in Berlin“, sagt Werner Dinkelaker.

Aber er will kein Bier brauen, um es dann wegschütten zu müssen. Sie fordern eine Perspektive und die Öffnung der Gastronomie. Dass Lokale ein Hotspot für Ansteckungen seien, sei durch keine Studie nachgewiesen. Ob der Biergarten beim Böblinger Brauhaus am 22. März geöffnet wird, wissen die beiden noch nicht. „Aber Aufmachen ist immer besser als Zumachen“, räumt Werner Dinkelaker ein, „es wird mehr wie sehnlichst herbeigesehnt.“