Von dem 2009 groß angekündigten Programm zur Verschönerung von Bahnhöfen und Haltepunkten ist nur ein Bruchteil realisiert worden. Auch die Kosten sind teilweise explodiert – und damit ist auch der Finanzierungsanteil des Landes gestiegen.

Stuttgart - Der Plan klang eindrucksvoll, damals im April 2009: „Von Aglasterhausen bis Zuzenhausen“ sollten Bahnhöfe im Land schöner und Haltepunkte moderner werden. Der damalige Verkehrsstaatssekretär Rudolf Köberle (CDU) erklärte, moderne und ansprechende Bahnhöfe seien für die Attraktivität des Schienenverkehrs unverzichtbar. Das verbessere die Kundenzufriedenheit, argumentierte er. Von 365 großen und kleineren Projekten war 2009 die Rede. Im Herbst jenen Jahres sollten die Handwerker anrücken, um an Empfangsgebäuden Fassaden, Dächer und Fenster zu sanieren. Nicht zuletzt, um Energie einzusparen.

 

Sechs Jahre später fällt die Bilanz des Bahnhofsmodernisierungsprogramms ernüchternd aus: Die Sanierung von lediglich zwei der größeren Bahnhöfe wurde „baulich abgeschlossen“, es handelt sich um die in Schwäbisch Gmünd und in Emmendingen. Das geht aus Unterlagen des Verkehrsministeriums und auch der Bahn hervor.

„Maßnahme abgeschlossen“ steht auf den hinteren Seiten in den Unterlagen. Und zwar beim Punkt „Ausstattung aller Bahnstationen mit Fahrgastinformationsanlagen und/oder dynamischen Schriftanzeigen“. Diese Kosten hat das Land übernommen. Die Sanierung von rund 50 Bahnhöfen ist „in Planung“, wie es in den Papieren heißt. Betroffen sind Stationen von Aalen bis Schwäbisch Gmünd, um bei der alphabetischen Reihenfolge zu bleiben. Der Begriff Bahnhof wird dabei weit gefasst. Er umfasst auch die kleinen Stationen. Schiene, Bahnsteig, Fahrkartenautomat, Wetterschutz und Abfallbehälter – das genügt offenbar schon, um einen Bahnhof auszumachen. An knapp 700 Stationen halten in Baden-Württemberg Züge.

Wenn die Pläne alsbald umgesetzt werden, wäre nur die Verspätung zu monieren. „Das Grundproblem sind allerdings die massiv steigenden Kosten“, heißt es im Ministerium.

Am Haltepunkt Bempflingen sind die Kosten explodiert

Zum Beispiel am Haltepunkt Bempflingen im Kreis Esslingen: Dort soll der Bahnsteig verlängert werden, damit die RE-Züge halbstündlich halten können. Sie würden die langsameren Regioshuttle RS 1 ersetzen. Diese Triebwagen würden weiterhin von Reutlingen bis nach Bad Urach fahren, aber nicht mehr bis Wendlingen. Die veranschlagten Kosten für diese Bahnsteigmodernisierung sind in den letzten Jahren von 183 000 Euro auf eine Millionen Euro gestiegen. Ähnlich sieht es in Geislingen an der Steige aus: Da hat die DB die Kosten zunächst mit 3,75 Millionen Euro veranschlagt, nun ist von 7,31 Millionen Euro die Rede.

Die enormen Preissprünge belasten nicht nur den Etat der Bahn. Vielmehr sind die Kommunen wie das Land mit festgesetzten Anteilen dabei. Im Falle von Geislingen soll die Stadt anstelle von 720 000 Euro nun plötzlich 1,76 Millionen Euro von den Gesamtkosten übernehmen. Vor Ort haben Vertreter der Bahn um Verständnis gebeten. 2009 – bei der Präsentation des Bahnhofsmodernisierungsprogramms – hätten für viele Sanierungen noch keine Erfahrungswerte vorgelegen. Das sei nun anders und die Kalkulationen realitätsnah.

Das Land hat aus dem Topf der Regionalisierungsmittel 30 Millionen Euro für die Modernisierungen bereitgestellt. Der Betrag ist „gedeckelt“, darf also nicht überschritten werden. Der Finanzierungsanteil des Landes beträgt 15 Prozent der Baukosten an den Bahnhöfen. Wenn die Sanierungen und Modernisierungen immer teurer werden, wirkt sich das jedoch entsprechend auf den Landesanteil aus. „Die 30 Millionen Euro reichen nie und nimmer für alle Projekte aus“, wird im Verkehrsministerium bereits gesagt.

Der Verkehrsexperte der SPD betrachtet das Proj

ekt als gescheitert

Der Verkehrsexperte der SPD-Landtagsfraktion, Hans-Martin Haller, stuft das gesamte Projekt als gescheitert ein. „Das war eine typische Luftnummer der CDU, groß ankündigen, viel versprechen, wenig halten“, sagt der Abgeordnete aus Albstadt.

Das Verkehrsministerium will das Verschönerungsprogramm jedoch keinesfalls aufgeben. Nur dass es nicht weitergehen kann mit explodierenden Kosten und großen „Verschiebungen auf der Zeitschiene“, das sei offensichtlich. So werden die Vertreter des Landes Sven Hantel, den künftigen Konzernbevollmächtigen der DB in Baden-Württemberg, im Mai zu einem Gespräch einladen, um die künftigen Modalitäten des Programms zu klären.

Der Nachfolger von Eckart Fricke als höchster DB-Repräsentant tritt sein Amt am 1. Mai an. Eine lange Einarbeitungszeit in dieses Thema wird er kaum brauchen. Hantel ist derzeit noch Leiter des Regionalbereiches Südwest von DB Station und Service und damit verantwortlich für alle 90 Personenbahnhöfe in der Region Stuttgart. Und der gebürtige Magdeburger saß schon 2009 mit am Tisch, als die Eckpunkte des Bahnhofsmodernisierungsprogramms präsentiert worden sind.

Die Modernisierungspläne der Bahn

Laut der Bahn läuft das Programm von 2009 bis 2019. Stand Januar 2015 sollen 21 Knotenbahn-höfe modernisiert werden und barrierefreie Zugänge erhalten. 19 der 21 Projekte sind „in Planung“, zwei umgesetzt. 21 Nahverkehrsbahnhöfe sollen „gesamthaft modernisiert“ werden. 20 sind davon „in Planung“, ein Vorhaben wurde umgesetzt. Erklärtes Ziel des Modernisierungsprogramms ist die nachhaltige Verbesserung der Infrastruktur und der Ausstattung von Bahnhöfen in Baden-Württemberg gemeinsam mit Bund, Land und den Kommunen. Laut DB sollen in den kommenden fünf Jahren an 113 Stationen 539 Baumaßnahmen durchgeführt werden. Das Gesamtprojektvolumen soll 385,16 Millionen Euro umfassen. Bis 2018 sollen mit zusätzlichen Mitteln des Bundes Projekte zugunsten der Barrierefreiheit umgesetzt werden. Für den Südwesten sind zehn Millionen Euro vorgesehen. Dazu gehören auch Leitsysteme für sehbehinderte Reisende