Auf der Mailänder Einrichtungsmesse, dem Salone del Mobile, sind Trends beim Wohnen zu entdecken – auch Neuheiten von Stuttgarter Designern. Ein Überblick.

Bauen/Wohnen/Architektur : Nicole Golombek (golo)

Es grünt und blüht allerorten auf der Mailänder Möbelmesse. Und auch die Möbelindustrie inszeniert sich dort gern nachhaltig. Der italienische Leuchtenhersteller Foscarini etwa hat seinen Showroom am Corso Monforte von außen in schöner Wildheit begrünen lassen. Eine der Neuheiten ist „Fregio“, eine Leuchte mit ornamentalem Ranken-Blumen-Muster aus Keramik.

 

An Messeständen finden sich ebenfalls jede Menge Pflanzen, zum Beispiel bei dem spanischen Hersteller Isimar, der Sonnenliegen präsentiert, die wie filigrane Schlitten mit opulenten Auflagen ausschauen, sowie Sofas, die in die gute Stube passen könnten.

Ohnehin lassen sich Innen- und Außenwelt nicht immer scharf trennen, wie die weltgrößte Einrichtungsmesse noch bis zum 23. April zeigt, Sessel und Liegen für den Garten sind so wohnlich gestaltet, dass sie gut und gern auch als Schlafzimmermöbel oder fürs Wohnzimmer als Sofa taugen.

Wer wenig Platz hat, kann sich überlegen, seine Stühle im Sommer einfach nach draußen zu stellen – dann muss er im Winter nichts verstauen und spart Geld, weil er nur einmal vier Stühle kaufen muss. Diese können dann hochwertiger sein – und halten länger, was auch wieder Punkte auf dem Gutes-Gewissen-Nachhaltigkeitskonto gibt.

Weicher sitzen

Ein weiterer Megatrend beim Wohnen sind gepolsterte Stühle und Sessel, die sich um große Esstische gruppieren lassen – gerne auch aus Marmor. Innenarchitekten werden immer häufiger mit Wohnwünschen konfrontiert, in denen das klassische Wohnzimmer mit Couch und Sessel kein Thema mehr ist. Zum Fernsehen brauchen Menschen oft kein Sofa mehr, weil sie auf ein TV-Gerät verzichten, Nachrichten und Filme auf dem Laptop schauen – im Bett oder höchstens in einem Sessel fläzend.

Wer Gäste hat, verbringt die Zeit mit ihnen meist am großen Esstisch. Und da hat man es gern bequem. Der Möbelhersteller Thonet hat den Polsterstuhl 520 nach einem Entwurf von dem 1976 in Meran geborenen Designer Marco Dessi geschaffen, der traditionelle Bugholzelemente mit einer modernen Ästhetik kombiniert.

Die Stuttgarter J+L Designer Markus Jehs und Jürgen Laub haben für den deutschen Möbelhersteller COR den gepolsterten Esstisch-Stuhl „Jalis“ nun auch in einer ebenso üppig gepolsterten Loungeversion entworfen, die Firma präsentiert zudem in mutigem Violett ein Sofa mit Kurven und Rundungen.

Runde Elemente gibt es auch bei dem Raumteiler von Zanat – die immer häufiger auch in Hochglanzmagazinen auftauchende Möbelfirma aus Bosnien hat inzwischen gefragte internationale Designer wie Sebastian Herkner am Start, der diesen handwerklich fein gemachten Paravent entworfen hat. Der in Baden-Württemberg geborene Designer hat mit seinen Entwürfen auch mitgeholfen, Hersteller wie Ames bekannt zu machen, die mit Handwerkern in Kolumbien arbeiten. Da parallel zur Möbelmesse auch Leuchten auf der Euroluce gezeigt werden, präsentiert Ames seine erste Leuchte im Programm in Italien - der Entwurf stammt von der britischen Designerin Ilse Crawford.

Neben derlei Neuheiten und Entdeckungen von Designtalenten zeigen sich große Hersteller ziemlich konservativ. Wer welche im Programm hat, präsentiert seine Klassiker im neuen Gewand, mit neuen Polstern, Farben, erweitert die sich gut verkaufenden Produktlinien.

Carl Hansen & Son bringen Vilhelm Lauritzens „Monarch“-Stuhl von 1944 heraus, von dem Stuhl des dänischen Architekten wurden ursprünglich nur zehn Exemplare produziert, diese sind begehrte Sammlerstücke auf Auktionen weltweit. Auch dies ein kleiner Trend – Möbel von namhaften Architekten.

Der japanische Möbelhersteller Karimoku Furniture und die Designabteilung der Architektin Zaha Hadid haben eine Kollektion „Syun“ entworfen, und es gibt eine Kollektion von Architektenberühmtheit Norman Foster. In Zeiten von Inflation und Krise sollen so vermutlich berühmte Namen als Qualitätsausweis den Verkauf steigern.

Klassiker im neuen Gewand

Hersteller Fritz Hansen aus Dänemark, zeigt, dass Arne Jacobsen auch feingliedrige Schreibtische entwerfen konnte und präsentiert den „FH 3605“ aus dem Jahr 1955 auf der Messe – und rückt zugleich auch den etwas karger, strenger entwerfenden Poul Kjaerholm mit wieder aufgelegten Sesseln aus den 50ern ins Scheinwerferlicht.

Was eine gute Idee ist, weil der sogenannte der Midcentury-Stil ungebrochen en vogue ist. Thonet wiederum bringt den ikonischen Freischwinger „S 32“ nach Entwürfen von Marcel Breuer aus den 1920ern als kompakten Loungesessel auf den Markt – mit Wiener Geflecht und auch in einer Sitzpolster-Variante.

Runde Formen

Das dänische Design-Unternehmen Gubi besinnt sich einen Entwurf aus den 1950ern – einen kapriziös gebogenen Sessel „Tropique Dining Chair“ , der an den lässigen Charme der Côte d’Azur der 1920er erinnern soll. Leicht waren die Zeiten damals auch nicht, wenn gefeiert und relaxt wurde, dann oftmals auch aus Erschöpfung über die Zumutungen der Gegenwart.

Passt also genauso wie der Trend zu kantenlos weichen Entwürfen – als wollte man Kunden vor den Zumutungen des Lebens, der Härte des Alltags schützen und sie in wolkig weiche Sitzgelegenheiten fallen lassen.