Während SPD, FDP und Grüne über eine mögliche Ampel-Koalition sondieren, mehren sich die Forderungen nach einer Legalisierung von Cannabis in Deutschland. Die Chancen dafür sind hoch.

Digital Desk: Sebastian Xanke (xan)

Berlin - Wer sich in diesen Tagen über den Kurznachrichtendienst Twitter ein Bild von den laufenden Ampel-Sondierungen zwischen SPD, FDP und Grüne macht, dürfte sich verwundert die Augen reiben. Bestimmten im Wahlkampf die herannahende Klimakatastrophe, die Zustände in der Pflege oder das Rentenniveau fast alle öffentlichen Diskussionen, schwenkt nun der Blick auf ein gänzlich anderes Thema: die Legalisierung von Cannabis.

 

Seit Tagen werden die Rufe von Vertretern einer liberaleren Drogenpolitik lauter, eine künftige Regierung müsse Cannabis zumindest entkriminalisieren. Die Zeichen dafür stehen gut. Während sich Grüne und FDP in ihren Wahlprogrammen einen kontrollierten Cannabis-Verkauf vorstellen können, stimmen dem nun auch immer mehr Sozialdemokraten öffentlich zu. „Wenn es zu Koalitionsverhandlungen kommen sollte, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir in dem Bereich eine zufriedenstellende Lösung finden werden“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, Sabine Dittmar, unserer Redaktion. Alle drei Parteien seien der Meinung, „dass die bisherige Verbots-Politik gescheitert ist“. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach plädiert im Gespräch mit der „Rheinischen Post“ für eine Legalisierung der Droge.

Das hat Wirkung. Für die Cannabis-Industrie in Deutschland könnte eine mögliche Ampel-Regierung richtungsweisend sein. „Wir schätzen die Chancen für eine Legalisierung für Cannabis als Genussmittel aktuell recht hoch ein und bereiten uns natürlich auch darauf vor“, sagt etwa Constantin von der Groeben, Geschäftsführer des deutschen Cannabis-Produzenten Demecan. Derzeit beschränkt sich das Unternehmen auf die Herstellung von medizinischem Cannabis. Eine ausgeweitete Legalisierung hält Groeben für einen „sinnvollen Schritt“.

Eine Möglichkeit: Modellprojekte

Anders sehen das die Vorsitzenden der beiden größten Polizeigewerkschaften in Deutschland. Es müsse Schluss damit sein, die Droge zu verharmlosen, warnt etwa Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Tatsächlich hat sich der berauschende THC-Gehalt in Cannabis innerhalb von mehr als zehn Jahren verdoppelt. Das steigere das Risiko für Angst- und psychoseähnliche Zustände, sagen Forscherinnen und Forscher.

Eine Legalisierung könne dem Problem entgegenwirken, hält Bernd Werse, Drogenforscher an der Goethe-Universität Frankfurt dagegen. „Der THC-Gehalt hat sich so auf dem illegalen Markt entwickelt.“ Beim kontrollierten, legalen Verkauf hätten Verbraucherinnen und Verbraucher die Wahl, für welche Menge sie sich entscheiden wollten. Am wichtigsten sei aber, zuerst die Strafen für Konsumierende abzuschaffen, sagt Werse. In Portugal habe das die Regierung schon vor 20 Jahren gemacht und sei damit gut gefahren.

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Eine Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumentinnen und -Konsumenten fordert auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter. „Eine Strafverfolgung macht aus unserer Sicht keinen Sinn“, sagt ihr kommissarischer Vorsitzender Dirk Peglow. Man habe keine belastbaren Beweise dafür, dass Menschen wegen der Strafen weniger Cannabis konsumierten. Die Droge sei zwar gerade für Heranwachsende gefährlich, da helfe primär aber mehr Prävention. Eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene sowie wissenschaftlich begleitete Modellprojekte hält Peglow für richtig. Letztere könnten sich auch die Sozialdemokraten gut vorstellen.