Marian Schreier, 29-jähriger Bürgermeister aus Tengen (SPD), will nächster Stuttgarter Oberbürgermeister werden. Der Kreisvorstand der Stuttgarter SPD hat etwas dagegen. Er versagt Schreier die Unterstützung.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Noch ehe die Bewerbungstour des Marian Schreier so richtig begonnen hat, könnte sie auch schon wieder zu Ende sein – zumindest wenn es nach dem geschäftsführenden Kreisvorstand der Stuttgarter SPD geht. An diesem Donnerstag will das Gremium nach Informationen unserer Zeitung den SPD-Bewerber Schreier frühzeitig aus dem Rennen um die Oberbürgermeisterwahl am 8. November 2020 nehmen, indem er ihm die SPD-Unterstützung verweigert und dies anschließend öffentlich kundtun.

 

Die Entscheidung darüber könnte bereits auf einer Kreisvorstandssitzung am 1. Dezember gefallen sein. Dem Vernehmen nach kam das 15-köpfige Gremium mehrheitlich überein, die Bewerbung des 29-jährigen SPD-Bürgermeisters aus dem 4600-Einwohner-Ort Tengen im Hegau (Landkreis Konstanz) nicht zu unterstützen. Dieses Votum sah auch vor, am Folgetag darüber die SPD-Kreiskonferenz zu informieren.

„In der Demokratie muss man niemanden um Erlaubnis fragen, bevor man sich bewirbt“

Kreisvorstand Dejan Perc bestätigte am Dienstag auf Anfrage, das man sich eine Kandidatur Schreiers auf dem Ticket der Stuttgarter SPD „kaum vorstellen kann“. Schreier sei ein „sympathischer Kandidat“, der trotz seines jungen Alters Verwaltungserfahrung besitze. Man habe aber unterschiedliche Vorstellungen. Als „definitive Absage“ will Perc das nicht verstanden wissen. Erst werde man am heutigen Donnerstag noch ein Gespräch mit Schreier führen.

Was den Kreisvorstand an der Bewerbung des Jungpolitikers besonders missfällt, ist dessen Vorpreschen. Im Gespräch mit unserer Zeitunghatte der gebürtige Stuttgarter am 26. November seine OB-Ambitionen öffentlich gemacht. Die lokalen SPD-Größen waren vom Zeitpunkt des Vorstoßes überrascht, nicht jedoch vom Interesse Schreiers an sich. Gespräche hatten zuvor mit Perc und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Martin Körner stattgefunden.

Führende Stuttgarter Genossen reagierten verärgert. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Ute Vogt ließ sich im „Südkurier“ mit den Worten zitieren: „So etwas macht man nicht. Ich hätte da mehr Respekt vor der Partei und den Betroffenen vor Ort erwartet.“ Schreier kontert: „In der Demokratie muss man nicht um Erlaubnis fragen, bevor man sich um Unterstützung und öffentliche Ämter bewirbt.“ Er habe die Kandidaten-Diskussion durch seine Wortmeldung möglichst breit und offen führen wollen – was als Versuch gedeutet werden kann, einer Vorfestlegung innerhalb der SPD entgegen zu wirken.

SPD-Fraktionschef Körner führt Gespräche mit FDP und Freien Wählern

Entsprechende Tendenzen gibt es in der Tat. Offiziell ist der geschäftsführende Kreisvorstand damit beauftragt, Kandidaten zu sichten – ähnlich wie eine Findungskommission bei der CDU. Seit längerem zeichnet sich dabei eine Kandidatur des SPD-Fraktionschefs Körner ab – unabhängig vom Ergebnis der Gemeinderatswahl im Mai, bei der die SPD in Stuttgart lediglich 11,6 Prozent erreichte. Körner selbst hält sich bedeckt. „Es gehört sich, zunächst abzuwarten, ob der amtierende Oberbürgermeisters nochmals antritt“, sagt er auf Anfrage. Fritz Kuhn (Grüne) will sich am 7. Januar äußern. Allgemein wird erwartet, dass er sich um eine zweite Amtszeit bewirbt. Körner betont, er mache seine Bewerbung auch davon abhängig, wie Gespräche mit anderen Parteien verlaufen. Der 49-Jährige dementierte nicht, dass er aktuell mit FDP und Freien Wählern über ein gemeinsames Vorgehen spricht.

Beobachter deuten die Entwicklung in der SPD so, dass der rote Teppich für Körner vorgesehen ist, während Schreier davon ferngehalten werden soll. Eine Information der rund 2000 Stuttgarter SPD-Mitglieder über dessen Bewerbung erfolgte bisher nicht. Nachdem er Rederecht beantragt hatte, konnte er auf der Kreiskonferenz am 2. Dezember sein Gesicht zeigen. „Von einer Vorstellung im eigentlichen Sinne kann aber keine Rede sein“ , sagt Schreier über seinen Kurzauftritt. Eingeladen war er nicht. Das Thema OB-Wahlkampf stand allerdings auch nicht auf der Tagesordnung.

Wer entscheidet? Die Kreiskonferenz oder der Kreisvorstand?

Noch ist offen, ob die Kreiskonferenz auch der Ort ist, an dem, wie 2012, die Entscheidung über den SPD-Kandidaten offiziell fallen wird. „Die Tendenz geht dahin“, sagt Perc. Ausgemacht sei das aber nicht. Denkbar ist auch, dass der Geschäftsführende Kreisvorstand alleine entscheidet. Sicher ist nur der Zeitpunkt: Bis zum 17. März will die SPD in Sachen OB-Kandidatur sortiert sein.