Die Bahnsteigkante am Bahnhof in Stuttgart- Möhringen ist am 3. Dezember Thema im Petitionsausschuss des Landtags. Denn eine Seniorin hofft auf Schadenersatz von den SSB. Und sie ist nicht die einzige, die dort gestürzt ist.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Möhringen - Im Sommer dieses Jahres, genau gesagt am 25. Juni, ist es Christine Wegener passiert. Sie musste am Möhringer Bahnhof umsteigen. „Ich lief im Trupp der anderen Leute zum anderen Gleis, als mich unvermittelt jemand von hinten schob“, berichtet die 84-Jährige. Sie stolperte über das Rundboard, also die Kante, welche das Ende der Gleise und den Beginn des Bahnsteigs markiert. Christine Wegener fiel nach vorne. Die Brille sei kaputt, der kleine Finger gebrochen gewesen und die Vorderzähne seien seitdem nicht mehr richtig fest, berichtet die Seniorin. Sie sei ins Krankenhaus gekommen. Anzeige habe sie damals nicht erstattet. „Was sollte das bringen. Derjenige, der mich geschoben hatte, war längst auf und davon“, sagt sie. Doch mittlerweile sieht sie ihren Sturz in einem anderen Licht. Denn sie sei nicht die einzige, die am Möhringer Bahnhof gestolpert sei. „Am Anfang sind die Leute dort reihenweise gepurzelt“, sagt die 84-Jährige.

 

Eine von ihnen ist Rosemarie Müller. Sie verunfallte im Juni 2019. Auch sie stolperte über das damals noch neue Rundboard. Dabei schlug sie sich fünf Vorderzähne ab. Ein Implantat kostete Rosemarie Müller gut 12 000 Euro. Der Zuschuss, den die Krankenkasse übernahm, ist da schon abgezogen. Die Rentnerin investierte ihre gesamten Ersparnisse – und hoffte auf Schadenersatz der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB).

Die SSB ist nach DIN-Norm verpflichtet, eine Tastkante herzustellen

Doch der Verkehrsbetrieb lehnt das bis heute ab. Er argumentiert, dass mit dem neuen Rundboard eine Tastkante für diejenigen entstanden sei, die mit einem Blindenstock unterwegs seien. Diese Tastkante sei für sehbehinderte Menschen überlebensnotwendig. Die SSB sei entsprechend der DIN-Norm 18040 verpflichtet, eine solche herzustellen. Das Rundboard am Möhringer Bahnhof sei mit dem Amt für öffentliche Ordnung als Aufsichtsbehörde abgestimmt. Alle Haltestellen in Stuttgart würden sukzessive entsprechend dieser Maßgabe umgebaut.

Das hat auch Christine Wegener beobachtet. Sie betont aber, dass an kaum einer anderen Haltestelle so viele Gleise zu überqueren seien wie am Möhringer Bahnhof. Das mache es an dieser Stelle so gefährlich. „Es ist ein Stolperfalle“, sagt sie. Auch wer noch nicht wie sie über 80 Jahre alt sei, könne dort leicht fallen, vor allem, wenn er angerempelt werde.

„Welcher depperter Ingenieur hat das denn geplant?

So erging es auch Erika Burchard. Sie berichtet in einem Leserbrief, dass sie am 2. Juli 2018 am Möhringer Bahnhof gestürzt sei. „Der Übergang über die Stadtbahngleise auf Seiten der Holdermannstraße war gerade fertig geworden, ich kam aus der Stadt und wollte die Gleise Richtung Bürgerhaus überqueren, und da lag ich auch schon“, schreibt sie in einer Mail. Natürlich habe sie wissen wollen, warum. „Und sah das ominöse Rundboard. Ich sagte laut vor mich hin: Welcher depperter Ingenieur hat das denn geplant?“ Sie habe sich zwar keine Zähne ausgeschlagen, aber ihr rechtes Knie schmerze heute noch auf Druck. „Von meiner Physiotherapeutin erfuhr ich von einer weiteren Patientin von ihr, die ebenfalls dort gestürzt ist“, schreibt Burchard und fügt hinzu: „Also irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass da schon wieder ein Schwabenstreich stattgefunden hat.“

Rosemarie Müller hat sich inzwischen an den Petitionsausschuss des Landtages gewandt und hofft weiterhin auf Schadenersatz. Anfang November gab es einen Vor-Ort-Termin mit Vertretern der SSB, des Regierungspräsidiums und des Verkehrsministeriums. Die Abgeordneten Siegfried Lorek (CDU) und Andreas Kenner (SPD) machten sich stellvertretend für das Gremium ein Bild von den Gegebenheiten am Bahnhof. Sie werden am 3. Dezember im Ausschuss berichten, wenn die Petition offiziell behandelt und eine Entscheidung dazu getroffen wird.