Seit März sind in Möhringen die Nachtwanderer unterwegs. Jetzt suchen sie Verstärkung.

Stuttgart-Möhringen - Björn Andersson hat von den Nachtwanderern in der Zeitung gelesen. Die Idee, an den Wochenenden abends durch Möhringen zu laufen und Jugendlichen Ansprechpartner zu sein, hat dem Bürger aus Stuttgart-Ost so gut gefallen, dass er seither regelmäßig mit weiteren Ehrenamtlichen durch den Stadtbezirk spaziert.

 

Seit März dieses Jahres gibt es in Möhringen die ersten und bisher einzigen Nachtwanderer in der Landeshauptstadt. Rita Dormann, die sich in der Jugendarbeit der evangelischen Kirchengemeinde Möhringen engagiert, hat das Projekt gemeinsam mit der Initiative Lebensraum Möhringen-Fasanenhof-Sonnenberg (Ilm) initiiert. Auf dem Kirchentag in Bremen vor drei Jahren hatte sie erstmals von den Nachtwanderern gehört. Von dem Projekt war Dormann so angetan, dass sie es auch in Möhringen ausprobieren wollte und sich in Filderstadt bei den Nachtwanderern informierte und dort einmal mitlief.

Den Jugendlichen auf Augenhöhe begegnen

Seither sind einige Monate vergangen. Längst sind die Möhringer Ehrenamtlichen mit ihren Nachtwanderer-Jacken oder T-Shirts bekannt. Und die Wanderer wissen, wo sich die Heranwachsenden aufhalten. Beliebte Plätze seien beispielsweise die Probststraße, der Alte Friedhof oder der Bereich vor dem Kaufland. „Die Jugendlichen warten zum Teil sogar schon auf uns“, erzählt Andersson. Die Gesprächsthemen sind dabei so unterschiedlich wie die Jugendlichen selbst. „Die einen erzählen von ihrer Ausbildungssituation, die anderen beklagen sich, dass es für sie keinen Ort gibt, wo sie sich treffen können“, sagt Andersson. „Manche wollen von uns aber auch schon wissen, was wir beruflich machen und warum wir uns ehrenamtlich abends engagieren“, sagt Dormann. Das sei nicht selten auch der Einstieg für ein längeres Gespräch.

Das A und O ihrer Arbeit: den Jugendlichen auf Augenhöhe begegnen. Denn die Nachtwanderer sind keine Ordnungshüter, Hilfssherriffs oder Mahner. Sie wollen Zuhörer und Ansprechpartner sein und ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. „Wenn es jemand möchte, können wir auch jemanden nach Hause bringen“, sagt Dormann. Eine wirklich brenzlige Situation haben die ehrenamtlichen Helfer, wie sie berichten, glücklicherweise noch nicht erlebt.

„Wir haben einmal einem Obdachlosen geholfen und den Notarzt gerufen“, sagt Andersson. Ein anderes Mal haben die Nachtwanderer einen Jugendlichen nach Hause begleitet, der schon ein wenig zu tief ins Glas geschaut hatte. Für Situationen wie diese sind die Erwachsenen gut gerüstet. Gemeinsam haben sie im Vorfeld sowohl einen Erste-Hilfe-Kurs als auch einen Deeskalationskurs besucht. Berührungsängste oder andere Befürchtungen? „Nein“, sagt Andersson. „Wir sind auch noch nie angepöbelt worden“, fügt Dormann hinzu.

Mitmachen kann jeder, der mindestens 25 Jahre alt ist

„Als Jugendliche uns einmal gefragt haben, ob wir nicht Angst hätten, haben wir einfach zurückgefragt: Wieso, wollt ihr uns etwa was tun?“, erzählt Dormann. Folgendes sei ihre Antwort gewesen: Nein, wir natürlich nicht, aber vielleicht andere Gruppen. Derzeit gehen zehn Ehrenamtliche freitags oder samstags von 22 Uhr an auf Tour. „Unterwegs sind wir zu dritt, immer Männer und Frauen gemischt“, erzählt Dormann. Wünschen würde sich die Projektleiterin, dass es so viele Wanderer werden, dass die Gruppen an beiden Abenden laufen können und jeder Helfer nur einmal im Monat laufen muss.

Mitmachen kann jeder, der mindestens 25 Jahre alt ist, erklärt Birgit Keyerleber, die Geschäftsführerin der Ilm. „Wer Interesse hat, kann gern einmal zur Probe mitlaufen“, sagt sie. Und: für diejenigen, die lieber mit dem Rad unterwegs sind, gibt es auch eine Fahrradgruppe.