Mörikes Reisetruhe, Kerners Sofa oder Vischers Spucknapf: Das Ludwigsburg Museum zeigt in seiner neuen Ausstellung Objekte aus dem Lebensalltag der drei berühmten Dichter. Dass die Exponate alle in Ludwigsburg sind, ist keine Selbstverständlichkeit.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Eduard Mörike arbeitete mitunter wie die Corona-geprüften Arbeitnehmer heutzutage. Sein mobiles Schreibpult – eine aufklappbare Schatulle mit lederner Arbeitsfläche, Tintenfass, Streusandbüchse und kleinen Aufbewahrungsfächern – ermöglichte es ihm loszulegen, wo es eben gerade ging. Auf Kommoden oder Fensterbrettern. Manchmal hatte er das Pult einfach auf dem Schoß. „Er ist mehr als 40-mal umgezogen und hat überall geschrieben“, sagt Margrit Röder vom Ludwigsburg Museum.

 

Das treue Möbel, das Mörike 1851 in Stuttgart gebraucht erstanden hatte, ist jetzt in der Ausstellung „Die Tücke des Objekts“ zu sehen, zusammen mit anderen Objekten, die im Leben und Arbeiten von Mörike und seinen Kollegen Justinus Kerner und Friedrich Theodor Vischer eine Rolle spielten.

Die Nachfahren wurden gezielt umgarnt

Dass von den drei Ludwigsburger Dichter-Größen überhaupt so viele Ausstellungsobjekte erhalten sind, ist dem Historischen Verein zu verdanken. Er hatte sich 1897 just zu dem Zweck gegründet, den Nachfahren gezielt Erinnerungsstücke an die Poeten zu entlocken. Und diese zeigten sich großzügig. Das 125-Jahr-Jubiläum des Historischen Vereins, der heute den Zusatz „für Stadt und Kreis Ludwigsburg“ trägt, ist auch Anlass der Ausstellung. „Die Vereinsmitglieder haben Ludwigsburg ganz klar als Dichterstadt gesehen. Ihr außergewöhnliches bürgerschaftliches Engagement hat den Grundstein der Sammlung für unser Museum gelegt“, sagt Margrit Röder, die die Ausstellung mit Tatjana Heidt konzipiert hat. Vor allem der Vereinsgründer Christian Belschner habe sich große Verdienste erworben.

Nicht alle Exponate sind allerdings so handlich wie Mörikes Schreibschatulle. In der Dauerausstellung können sie deshalb nicht gezeigt werden – und, akutes Zusatzproblem: Im Depot im Bildungszentrum West können sie, weil dort die Generalsanierung ansteht, nicht bleiben. „Dort haben wir 200 Quadratmeter, hochwassergeschützt, mit Alarmanlage“, berichtet Röder. Ersatz sei bisher keiner gefunden.

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Wurden sie vor rund 100 Jahren im Schloss Favorite mit Pathos in fiktiv eingerichteten „Dichterzimmern“ arrangiert, sind die Objekte nun in Bezug zum Werk der Dichter und zu ihrem Blick auf die Welt gesetzt. Und dieser, so Röder, habe trotz der im 19. Jahrhundert zunehmend aufgeklärten, wissenschaftlichen Betrachtung der Dinge nicht per se zu einem sachlicheren Umgang mit ihnen geführt. Im Gegenteil: Bei Vischer, Mörike und Kerner, ohnehin teils spiritistisch angehaucht, erfuhren die Objekte eine Beseelung, entwickelten gar ein Eigenleben.

Theodor Storms Konfrontation mit dem „allerschwäbischsten Dialekt“

Das zeigt eine hübsche Textpassage aus Vischers Roman „Auch Einer“: „Von Tagesanbruch bis in die späte Nacht, solang irgend ein Mensch um den Weg ist, denkt das Objekt auf Unarten, auf Tücke“, schreibt er dort. „So lauert alles Objekt, Bleistift, Feder, Tintenfaß, Papier, Zigarre, Glas, Lampe – alles, alles auf den Augenblick, wo man nicht acht gibt.“ Vischer prägte so das geflügelte Wort von der „Tücke des Objekts“.

Passagen aus Briefen und Werken reichern die Exponate an. Als etwa Theodor Storm Mörike besuchte, lauschte er in dessen Armstuhl, wie Mörike aus seiner Novelle „Mozart auf der Reise nach Prag“ vorlas. Der Stuhl ist in der Schau zu sehen. Daneben hängt ein Brief Storms an einen Freund. Nicht ohne Herablassung schildert der distinguierte Literat den „allerschwäbischsten Akzent“ der Mörikes – und den „selbst gezogenen Wein, der natürlich wie Wasser aus Biergläsern getrunken wurde“.

Zur „Die Tücke des Objekts“, bis 25. September, gibt’s ein umfangreiches Begleitprogramm. www.ludwigsburgmuseum.ludwigsburg.de.