Die große spanische Sopranistin Montserrat Caballé ist mit 85 Jahren gestorben. Sie war eine Meisterin der leisen Töne.

Barcelona - Ihren wohl meist zitierten Lieblingssatz konnte sie so aussprechen, dass er sich auf witzige, selbstironische Weise selbst ad absurdum führte. „Ich bin keine Diva!“, beteuerte Montserrat Caballé gerne, aber divenhafter als bei ihr kann dieser Satz, gesprochen mit theatralischer Betonung des Verbs und visualisiert mit weit aufgerissenen Augen wie auch mit weit zur Seite gespreizten Armen, nicht klingen. Ja, sie war durch und durch „La Superba“, wie ihre Fans die 1933 in Barcelona geborene Sängerin gerne nannten. Aber sie war nicht nur eine Künstlerin, die wusste, was sie wert ist. Sie hat auch nie vergessen, was es bedeutet, sich aus kleinsten Verhältnissen zum Weltruhm zu singen. Und beides zusammen sorgte dafür, dass bei Montserrat Caballé beides stets Hand in Hand ging: große Kunst (und Künstlichkeit) und eine umwerfende, ganz natürlich wirkende Herzlichkeit. Wer die Sängerin jemals lachen hörte, wird vor allem zweierlei nie vergessen: ihre feinen leisen Töne in höchsten Höhen und ihre Heiterkeit. Wenn die Caballé lachte, dann klang das zwar, als wollte sie spontan die berühmte Glöckchenarie aus Léo Délibes’ Oper „Lakmé“ anstimmen. Es wirkte aber nie so.

 

Zwei Erinnerungsmomente an die „Mama Barcelona“ mögen hinzukommen. Da war die Olympia-Hymne „Barcelona“, die sie 1987 gemeinsam mit Freddy Mercury, Sänger der Gruppe Queen, aufnahm – und die ihren Namen auch jenseits des Klassik-Publikums berühmt machte. Und da war dieses Foto, das sie zeigte, wie sie 1994 weinend vor den Trümmern des abgebrannten Teatre del Liceu stand. Dieses Haus war ihre Heimat, hier hat sie über Jahrzehnte hinweg gleichsam singend regiert – und dabei nicht nur zu ihren Wurzeln zurückgefunden, sondern auch Kraft bekommen. Die brauchte sie nicht nur, um mit ihren zahlreichen Erkrankungen fertigzuwerden, sondern auch, um das Missverhältnis zwischen himmlischen Pianissimi und dem Boden der Realität auszuhalten. Erst machte sich der Bruder, der sie managte, mit einer großen Summe Geldes aus dem Staub, dann wurde sie wegen Steuerhinterziehung derart belangt, dass sie auch lange nach dem Überschreiten ihres sängerischen Zenits noch weiter auftrat, ja auftreten musste („Ich bin ja kein Tenor“). Ihre ebenfalls singende Tochter Montserrat Martí nahm sie, die immer auch etwas Mütterliches ausstrahlte, dabei gerne mit, konnte mit ihrer Protektion aber deren eher mittleres Talent nicht nachhaltig aufwerten.

Von der Näherin zum Opernstar

Wie kommt ein Mädchen aus kleinen Verhältnissen, das sein erstes Geld als Näherin in einer Taschentuchfabrik verdiente, zu einer Weltkarriere? Talent hat Montserrat Caballé gehabt, Glück – und eisernen Willen. Am Konservatorium von Barcelona, erzählte die Diva einmal, habe ihr dereinst ihre Gesangslehrerin einen Zehn-Kilo-Stein auf den Bauch gelegt; „so lernte ich atmen“. In Mailand hat sie ebenfalls studiert. Erste Erfolge kamen im deutschsprachigen Raum. Sie sang in Basel (Mimì in „La Bohème“, 1956), in Saarbrücken, war bis 1962 drei Jahre lang Ensemblemitglied des Theaters Bremen. In Deutschland vor allem habe sie sich künstlerisch entwickelt, meinte sie selbst, hier sei sie „musikalisch geboren“. Zur Ikone des Belcanto ist sie dabei geworden, zu einer Sängerin, welcher der von ihr entdeckte und geförderte Tenor José Carreras jetzt das Attribut der „besten Sopranistin“ beigab. Deutsch hat sie dabei ebenfalls gelernt – und sich so als Gast bei zahlreichen Shows in ARD und ZDF empfohlen. Dort hat sie geglitzert, gelacht und auch mal Schlager geträllert, warum auch nicht.

Ihren internationalen Durchbruch hatte Montserrat Caballé, als sie 1965 für Marilyn Horne bei einer konzertanten Aufführung von Donizettis „Lucrezia Borgia“ in der New Yorker Carnegie Hall einsprang. „Callas + Tebaldi = Caballé“ schrieb damals die New York Times. Von da an eroberte sie – als einer der teuersten und exzentrischsten Opernstars – bis in die 1980er Jahre hinein die Bühnen (mit Opernpartien vor allem des 19. Jahrhunderts) ebenso wie die Konzertpodien der Welt. Auch bei Liedern und Oratorien fühlte sie sich zu Hause, körperlich ohnehin, denn die hinter vorgehaltener Hand auch mal als „donna immobile“ denunzierte Sopranistin hatte es ihres Leibesumfangs wegen nicht unbedingt mit der Bewegung, mit dem Regietheater konnte sie ohnehin nichts anfangen, und nie im Leben wäre sie als Tosca von der Engelsburg gesprungen. Das schöne Singen stand bei ihr immer im Mittelpunkt. Vieles wirkt deshalb ein wenig distanziert, ja reserviert. Man kann das nachhören, denn auch die Mikrofone, die nicht nur ihr unvergleichliches ansatzloses Pianissimo in der Höhe festhielten, sondern auch die Länge ihrer oft seidenweichen Phrasierungen, haben ihre Stimme geliebt.

Nach einem Schlaganfall vor einigen Jahren saß Montserrat Caballé im Rollstuhl. Am Samstag ist sie in Barcelona gestorben, nach mehr als 4000 Bühnenauftritten in etwa neunzig Opernrollen. „La Superba“ wird sie bleiben.