In Ditzingen haben 2022 muslimische Gemeinde und Gemeinderat um den Bau einer neuen Moschee gerungen. Auch in Hemmingen und Leonberg verändern sich die Räume der Religionsgemeinschaft.

Wo ist der beste Platz für eine Moschee der türkisch-islamischen Gemeinde? Im Gewerbegebiet, wo es Parkplätze gibt, was nicht unerheblich ist, wenn sich zum Freitagsgebet Gläubige aus Ditzingen und Umgebung treffen? Doch ein Gewerbegebiet im Speckgürtel von Stuttgart ist eine gefragte Lage von Unternehmen, die, dort einmal angesiedelt, Gewerbesteuern in die Stadtkasse spülen. Oder ist in der Ortsmitte der richtige Platz für eine Moschee, sodass die Gläubigen auch symbolisch mitten in der Stadtgesellschaft sind?

 

Gemeinde hilft bei Flüchtlingszustrom 2015

Monatelang hatte der Ditzinger Gemeinderat im ablaufenden Jahr über die Pläne der türkisch-islamischen Gemeinde diskutiert. Diese plant, auf einem kleinen Grundstück nahe des Bahnhofs eine Moschee zu bauen. Neu waren die Überlegungen für einen Neubau nicht. Seit Jahren sucht der Moscheeverein gemeinsam mit der Stadt nach einem Standort, als Ersatz der bisherigen Räume. Diese haben „Hinterhofcharakter“, wie die Verwaltung im Verlauf der Diskussion die aktuelle Situation beschrieb. Und so schwang bei der Diskussion immer mit, dass repräsentativere Räume dem Image der Gemeinde zuträglich sein würden.

Gleichwohl: Dass die muslimische Gemeinde Teil der Ditzinger Stadtgesellschaft ist, bekräftigten Verwaltungsspitze und Gemeinderat in der Diskussion eins ums andere Mal – zumal die türkisch-islamische Gemeinde mit ihrem langjährigen Vorsitzenden Hasan Öztürk die Verwaltung auch unterstützte, als 2015 Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan in Ditzingen aufgenommen wurden. Sie sprachen nicht unbedingt dieselbe Sprache, doch sie verband eine ähnliche Kultur, vor allem aber der Glaube – was der Verwaltung einen Zugang zu den Flüchtlingen erleichterte. Öztürk betonte mehrmals die Bedeutung des Baus für die nächste Generation.

Baugrund war in der Gemeinde und im Gemeinderat umstritten

Die türkisch-islamische Gemeinde von Ditzingen wollte nun einen kleinen Bauplatz im Gewerbegebiet erwerben, der keinen Platz für ein Außengelände lassen würde. Deshalb war die Fläche innerhalb der türkisch-islamischen Gemeinde umstritten. Im Gemeinderat wiederum war die Fläche umstritten, weil sie nicht nur mitten im Gewerbegebiet liegt, sondern darüber hinaus auch nur wenige Parkplätze ermöglicht.

Ganz abgesehen von Größe und Parkplätzen war die Höhe des Minaretts ein Problem – das die umliegenden Gebäude deutlich überragen würde. Sollte das Minarett einer Moschee tatsächlich das Bauwerk sein, das Geschäftskunden, Bürgern, Gästen auf dem Weg von der Autobahn in die Stadt als erstes ins Auge stechen sollte?

Geplante Gebäude werden höher als das Minarett

Der Oberbürgermeister Michael Makurath ließ dies nicht unkommentiert. Er erinnerte daran, dass der Gemeinderat bereits eine grundlegende Umgestaltung des Gebiets beschlossen hat. Das nahe gelegene neue Logistikzentrum des Landes nebst Polizeirevier etwa wird deutlich höher als alles, was dort heute steht. Makuraths Werben um eine Annäherung war freilich auch im Sinne eines Ratsbeschlusses: Die bisherige Moschee im Eigentum der Religionsgemeinschaft befindet sich in einem Gebäude, das für den Umbau einer Hauptverkehrsstraße abgerissen werden soll.

Am Ende der Auseinandersetzung stand ein Kompromiss für alle Beteiligten. Die Höhe des Minaretts wurde begrenzt. Oberbürgermeister Michael Makurath dankte zum Jahresende dem Gemeinderat ausdrücklich auch für die „schwierige Diskussion, die wir geführt haben“. Doch nur durch die Diskussion und die Vermittlung des Kompromisses sei auch eine Identifikation damit möglich.

Auch in Hemmingen war das Minarett in diesem Jahr Anlass für Diskussionen. Dort war die nachträglich beantragte Erhöhung des Minaretts Stein des Anstoßes. Die Moschee selbst befindet sich seit vielen Jahren im Gewerbegebiet, 2019 wurde das jetzige Gebäude genehmigt, das sich nach und nach einer Moschee anpasste – ehe im Sommer nun eine Erhöhung des Minaretts auf etwas mehr als 15 Meter beantragt worden war.

Minarett mit symbolischer Bedeutung

Sowohl in Hemmingen als auch in Ditzingen hat das Minarett nur eine symbolische Bedeutung. Ein Gebetsruf ist weder hier noch dort möglich. Auch in Leonberg wird die türkisch-islamische Ditib-Gemeinde sichtbarer. Sie hat eine zweigeschossige Ladenfläche am Rand der Altstadt erworben. Bisher weniger zentral an der Ecke Berliner Straße/Breslauer Straße beheimatet, wird sie künftig an der viel befahrenen Grabenstraße präsent sein. Die ehemalige Ladenfläche wird umgebaut. Von einer Moschee will die Verwaltung nicht sprechen: Neben verschiedenen Räumlichkeiten zum Aufenthalt und zur Freizeitgestaltung seien auch zwei Gebetsräume geplant.

Die türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion, kurz Ditib genannt, ist der größte Islamverband in Deutschland. Er untersteht der Leitung, Kontrolle sowie auch der Aufsicht der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet. Diese wiederum ist dem Präsidenten der Türkei unterstellt.