Beim Supercross in der Schleyerhalle in Stuttgart muss der Novize Dominique Thury die deutsche Ehre retten – und das gelingt ihm auch.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Lässiger Typ, dieser Dominique Thury. Im Fahrerlager der Schleyerhalle schlappt er nur eine Stunde vor dem Rennstart zu seinem Team. Während ein Mechaniker an der KTM rumwerkelt, stellt der Motocrossfahrer aus Schneeberg bei Chemnitz vier Wasserflaschen auf den Tisch – denn das sogenannte Supercross in der Halle macht durstig. Deshalb hat der Sachse am Spätnachmittag in seinem Wohnmobil auch noch etwas gepennt.

 

Ausgeschlafen und bester Dinge erscheint Thury vor seinem Einsatz am Arbeitsplatz. Er galt in der SX-1-Klasse als einzige deutsche Hoffnung beim 33. Supercross in der Schleyerhalle. Das Problem ist: den Deutschen fehlt es an internationalen Größen. Vor allem in der Halle dominieren Franzosen und Amerikaner die Königsklasse nach Belieben. So hat der Vorjahressieger Gregory Aranda mit seinen Erfolgen am Freitag und Samstag eindrucksvoll gezeigt: der Franzose fährt in seiner eigenen Liga. Und: gefährlich wurden ihm nur die Amis.

Da Kaliber wie Collin Dugmore nicht mehr aktiv sind, galt also Thury in der Schleyerhalle als letzte deutsche Hoffnung. Dabei darf er in der SX-1-Kategorie erst jetzt mitmachen, weil er den schwächeren Maschinen mit seinen 22 Jahren gerade erst entwachsen ist. Ausgerechnet ein Novize sollte also die deutsche Ehre retten. „Ich wollte unbedingt aufsteigen, weil es hier ein ganzes Stück härter zugeht als in der SX-2-Kategorie“, freute sich Thury über seinen nächsten Entwicklungsschritt. Geschlagen hat er sich dann am Freitagabend mit seinem fünften Platz im Finale ganz ausgezeichnet, und am Samstag war für ihn erst im Hoffnungslauf für die Endrunde Schluss. In Führung liegend flog der Ostdeutsche beinahe kopfüber von seiner Maschine. Wehgetan hat er sich nicht – aber das Spiel war aus.

Beeindruckende Auftritte

Seine Auftritte waren trotz mangelnder Erfahrung beeindruckend. Mal wollte er zu viel und verstrickte sich in Fehler, doch deutete er im nächsten Augenblick wieder sein Potenzial an. Nun hofft die deutsche Cross-Szene, dass Thury irgendwann der zweite starke Mann sein könnte. Die Nummer eins heißt Ken Roczen – doch der ist in andere Sphären entflogen. Als gut bezahlter Superstar in den USA macht sich der Weltmeister in Europa natürlich rar.

Roczen und Thury kennen sich schon seit Jahren. Sie treffen sich immer mal wieder in Apolda, wo Roczen eine eigene Übungsstrecke besitzt. „Ken hat ein wahnsinniges Talent“, sagt Thury über seinen Landsmann und Trainingskumpel.

Dass er vielleicht auch mal solch eine Karriere hinlegt wie der Champion, daran glaubt er jedoch nicht („die Wahrscheinlichkeit im Lotto zu gewinnen ist deutlich höher“). Zwar werde auch er seit vielen Jahren von seinen Eltern nach Kräften unterstützt, doch hätte die Familie Roczen im Hinblick auf die Karriere ihres Sohnes „alles auf eine Karte gesetzt“. „Ken hat auch  nur den Hauptschulabschluss“, sagt Thury, der die mittlere Reife absolvierte und eine Lehre zum Industriekaufmann macht. „Ein zweites Standbein ist wichtig“, glaubt er, denn die Einnahmen als Motocrossfahrer wären ausreichend für das Hier und Jetzt – doch Rücklagen lassen sich damit nicht bilden.

An den dürftigen finanziellen Möglichkeiten liegt es aber wohl nicht, dass in Deutschland zu wenig Talente nachrücken. „Die Kinder von heute sind viel zu verwöhnt und sitzen nur vor dem Computer. Sie kriegen alles, weshalb sollten sie sich also in den Hintern treten?“ – so lautet Dominique Thurys klare Antwort auf die Frage nach dem Nachwuchsproblem. Dann steigt er auf seine KTM, tritt den Kickstarter nach unten – und knattert davon.