Der ehemalige Formel-1-Pilot ist der heimliche Star der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM). Am Norisring will er wieder richtig angreifen.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Es ist und bleibt ein entscheidender Teil in der Vita des Rennfahrers Timo Glock. Noch immer wird er darauf angesprochen. Vor fast elf Jahren machte er Lewis Hamilton erstmals zum Formel-1-Weltmeister, weil Glock im Regen mit den falschen Reifen unterwegs war und herumeierte als fahre er über einen zugefrorenen See. Hamilton überholte den Deutschen auf den letzten Metern, während sich Felipe Massa im Ziel schon als Weltmeister wähnte – und Tränen des Glücks vergoss. Später weinte er wieder, weil er den Titel auf so unfassbar blöde Weise wieder los war – dank Timo Glock. Die brasilianischen Fans witterten Schiebung und haben es dem Deutschen bis heute nicht verziehen.

 

Ob ihn Massa und Hamilton jemals darauf angesprochen haben? „Nein“, sagt Glock heute, und er erinnert sich an dieses Wochenende, als wäre es gestern gewesen. „Keiner der beiden hat die Eier gehabt, mit mir darüber zu reden“, sagt der Sohn eines Gerüstbauers aus Wersau. Hamilton nicht, der sich bei dem Hessen im Herbst 2008 durchaus hätte bedanken können. Und auch Massa suchte nicht den Weg zum „Weltmeistermacher“ dieses kuriosen Finales. Dabei hätte es Glock dem Brasilianer nicht übel genommen, hätte dieser ihn beschimpft. Aber so blieb dem Südhessen auch die Gelegenheit verwehrt, dem Mann, der sich so betrogen fühlte, seine Sicht der Dinge zu erläutern. Timo Glock, er konnte wirklich nichts dafür.

Eine feste Größe

Lewis Hamilton arbeitet daran, in diesem Jahr seinen sechsten WM-Titel zu gewinnen, Felipe Masse befindet sich dagegen im Formel-1-Ruhestand. Glock ist derweil eine feste Größe in der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft (DTM). Sechs Jahre fuhr er in der Formel 1 mit, durfte im Toyota dreimal aufs Podest steigen, gewonnen hat er nie. Inzwischen befindet sich der Rennfahrer im fortgeschrittenen Alter von 37 Jahren und bestreitet schon seine siebte DTM-Saison. Ans Aufhören denkt er nicht. „Solange ich mithalten kann und Spaß habe, sehe ich keinen Grund, nicht weiter dabei zu sein“, sagt Timo Glock. Fahrerkollegen, die einen ihm erstaunlich ähnlich sehenden Muskelmann in die einschlägigen Internetforen stellen mit dem Hinweis, dabei handele es sich um Glock, die lassen ihn natürlich kalt. Er selbst ist ein Freund des lausbubenhaften Humors.

Glock ist der stille Star einer Serie, die in den vergangenen drei Jahren Gesamtsieger wie Gary Paffett, René Rast und Marco Wittmann hervorbrachte. In Motorsportkreisen sind das alles keine No-name-Figuren, doch hat Glock wegen seiner Formel-1-Vergangenheit einen höheren Bekanntheitsgrad als sie – auch heute noch. Wie einst Mika Häkkinen und Ralf Schumacher suchte der Hesse nach der Formel-1-Zeit im Tourenwagensport eine neue Herausforderung, doch hielt er es dort sehr viel länger aus als die beiden anderen. Häkkinen (zwei DTM-Rennsiege) fuhr drei Jahre mit, Schumacher immerhin fünf, wobei er keine Wettfahrt gewinnen konnte. Irgendwann war die Abenteuerlust im geschlossenen Rennwagen erloschen. Ein guter Formel-1-Pilot muss nicht unbedingt DTM-Meister werden. Auch Keke Rosberg musste diese Erfahrung machen: Der Formel-1-Weltmeister von 1982 siegte in 70 DTM-Rennen nur ein einziges Mal.

Die Reise ist nicht zu Ende

Für Timo Glock (5 Siege) ist die Reise dagegen noch nicht zu Ende. Bei BMW wissen sie, was ihm an ihm haben: charakterlich und auch sportlich. Tatsächlich zeigt die Formkurve dezent nach oben. 2013, in seiner ersten Saison, wurde er Gesamt-Neunter. Daraufhin folgten die Platzierungen 16, 15, 10, 7 und zuletzt 5. Nun aufzuhören würde bedeuten, es nicht doch noch einmal zu versuchen, im Meisterschaftskampf ein Wort mitzureden. Doch in diesem Jahr wird das wohl schwierig werden für Glock. Beim Saisonauftakt in Hockenheim wurde er starker Vierter und Sechster, er holte 20 Punkte. Doch danach führte der Weg nach unten: Vier Rennen, davon ein Ausfall – Gesamtausbeute war nur ein magerer Punkt.

Am Wochenende fährt die DTM am Norisring. Dort wird Glock, der zuletzt in Misano Jubiläum feierte, sein 101. DTM absolvieren. „Ich bin froh, 100 Rennen überstanden zu haben“, sagt er im Hinblick auf die harte Herangehensweise in der Boxauto-Serie mit Niveau. „Graue Haare sind definitiv dazugekommen. Ich habe aber sehr viel Spaß gehabt“, blickt Timo Glock zurück – und sogleich wieder nach vorn.

In Nürnberg jedenfalls fährt der Mann mit dem Vollbart („der bleibt dran, denn ich muss mich ja von den anderen unterscheiden“) wieder auf Angriff. Volle Pulle. Wie früher. Er will wieder aufs Podest. Doch dafür braucht Glock auch Glück.