Die Königsklasse des Motorsports sieht sich in Zeiten des Klimawandels ohnehin schon Kritik ausgesetzt. Eine Überarbeitung des Rennkalenders soll nächste Saison Abhilfe schaffen und die zahlreichen Ozeanüberquerungen auf ein Minimum reduzieren.

Es ist ein 11 031 Kilometer langer Albtraum. Was zwischen den beiden Rennen von Baku (Aserbaidschan) und Miami (USA) in nur vier Tagen passiert, ist der Wahnsinn. Ein Rennzirkus, der sich in der Luft und auf hoher See abspielt. Aber die Logistik-Weltmeisterschaft ist dann auch wieder der ganz normale Alltag in der längsten Formel-1-Saison der Geschichte. Sechs Rennen in sieben Wochen, während denen es zweimal über den großen Teich und zurück geht. Jeder Reiseberater würde nach dieser Planung seinen Job verlieren.

 

In allen Winkeln der Welt

Aber da die Königsklasse des Motorsports in allen Winkeln der Welt fährt, und weil jeder Veranstalter seine eigenen Wünsche und Zwänge hat, gibt es im Puzzle des Terminplans häufig Lücken und große Sprünge. Für das Klima ist das sicher nicht förderlich. Deshalb wollen die Macher des Motorsport-Spektakels für die kommende Saison versuchen, das ewige Hin und Her zu minimieren und die Rennen zu bündeln. Die Globalisierung der rasenden Champions League hat längst dafür gesorgt, dass Europa nicht mehr der Kernmarkt ist, dementsprechend hat sich die Mehrzahl der Transporte von Lastwagen-Kolonnen hin zu Frachtflugzeugen und Transportschiffen verlagert. Insgesamt sind über die Saison über 130 000 Flugkilometer zurückzulegen.

Die Spezialisten von DHL, die auch die Rolling Stones oder das Leipziger Gewandhausorchester um die Welt kreisen lassen, verladen zu jedem Übersee-Grand-Prix 1400 Tonnen Material fürs Fahrerlager, jeder Rennwagen wiegt allein knapp 800 Kilogramm. Dazu Garagenaufbauten, Renntechnik, Fernsehequipment. Das Stammpersonal der Serie, ohne Medien und Sponsoren, beläuft sich locker auf 1000 Köpfe. Gefürchtet bei allen sind die sogenannten Double-Header, also zwei aufeinanderfolgende Rennen innerhalb von einer Woche. Sechs davon gibt es in diesem Rennjahr: Noch weiter als die beiden Rennen in Baku und Miami liegen die finalen Rennen von Las Vegas und Abu Dhabi auseinander, über 13 000 Kilometer.

Weniger weit auseinander, aber weit anstrengender sind die Triple-Header – Grand Prix an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden. Die gibt es jetzt im Mai mit Imola, Monte Carlo und Barcelona und im Herbst, wenn Austin, Mexico City und Sao Paulo ein Trio bilden. Dass mittendrin ferne Rennen in Australien oder Katar völlig für sich alleinstehen, ärgert die Logistiker am meisten. Das wiederum hat mit dem Großen und Ganzen zu tun. Viele Veranstalter haben vertraglich festgeschriebene Termine, andere sind von der Witterung abhängig. Miami kann nicht weiter nach hinten rücken, da es sonst zu drückend schwül wird, Montreal aber nicht vorgezogen werden, weil es sonst dort noch zu kalt sein kann. Irgendwo anders folgen Feiertage aufs Rennen, andere Länder haben Wahltage, bei Straßenrennen reden die Stadtverwaltungen mit. Große Flexibilität ist gefragt, so findet die Premiere in Las Vegas als Novum an einem Samstagabend statt, um dem Thanksgiving-Trubel aus dem Weg zu gehen. Andere Hürden sind religiöser Art, so muss der Ramadan umfahren werden.

Zum vierten Mal abgesagt

Fällt ein Dominostein um, folgen viele andere. Umso bemerkenswerter, dass ausgerechnet die reiseintensivste aller Sportdisziplinen mit Bravour durch drei Pandemiejahre gekommen ist. Mehr noch: Da sie zunächst der einzige Wettbewerb war, der dank eines perfekten Testsystems ein nahezu vollständiges Programm abspulen konnte, hat sie weltweit an Popularität zugelegt. Nur der Große Preis von China ist zum vierten Mal abgesagt worden: Als im Herbst und Winter die Planspiele des Formel-1-Managements finalisiert wurden, waren die Quarantänebestimmungen noch in Kraft. Als diese dann zu Jahresbeginn gelockert wurden, war es zu spät. Denn aufwendige und schwere Teile für das Fahrerlager müssen per Schiff Wochen und Monate im Voraus auf die Reise gehen.

Die Kosten müssen runter

Denn so werden Kosten gespart. Und Emissionen. Bis 2030 will die Formel 1, die schon lange Maßstäbe bei der Hybridtechnik und Energierückgewinnung setzt, klimaneutral sein. Der Bioanteil im Kraftstoff steigt permanent, 2026 kommen E-Fuels und Elektromotoren hinzu. Natürlich ist ein Sport, in dem Benzin verbrannt wird, immer leicht anzugreifen. Und dennoch macht der CO2-Abdruck nur etwa zehn Prozent von jenem einer Fußball-Weltmeisterschaft aus, bei der Mannschaften und Fans kreuz und quer aus aller Welt anreisen. 2019, im letzten Jahr vor Corona, hat die Formel 1 ihren CO2-Ausstoß mit 256 551 Tonnen angegeben, 45 Prozent davon entfallen auf die Transporte, 28 Prozent auf die Reisen des Personals.

Hier soll die angestrebte Regionalisierung die Zahlen nach unten drücken. Mercedes befüllt seine Lkw bei den Europarennen bereits mit Biokraftstoffen. Rennen werden auch nur noch dort veranstaltet, wo die Ausrichter schlüssige Nachhaltigkeitskonzepte vorweisen können. Dazu gehört der öffentliche Nahverkehr mit Shuttlebussen. Auch in Miami, wo die Rennstrecke um das Football-Stadion herum weit draußen liegt, greift das Konzept. Selbst wenn die 30 Kilometer vom Flughafen zum Miami International Autodrome nichts sind im Vergleich zu der 11 031 Kilometer Anreise der Hauptdarsteller.