Der Rennfahrer Timo Glock spricht vor Beginn der zweiten Saisonhälfte in Zandvoort bei uns im Interview auch über die rauen Sitten in der DTM.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart - Timo Glock zieht durch und macht den Punkt. Der Hesse ist an der Mini-Tischtennisplatte ziemlich flink. „Ich hab’ das schon öfter gespielt“ sagt der Rennfahrer, „wenn man sich an die kleine Platte und die kleinen Schläger gewöhnt hat, macht das richtig Spaß“. Der BMW-Pilot ist in Stuttgart auf der Durchreise – nachdem er aus seinem Schweizer Domizil am Bodensee aufgebrochen ist, macht er auf der Fahrt nach Zandvoort in den Niederlanden einen ausgedehnten Boxenstopp in der Sportredaktion. Nicht, um sich beim Mini-Tischtennis auszupowern; auch nicht, um sich mit einem Mineralwasser auf der langen Reise zu erfrischen – sondern um über die Deutsche Tourenwagen-Masters-Serie (DTM) zu plaudern. Ganz entspannt, ganz ohne Zeitdruck.

 

Disqualifikation in Hockenheim ärgert den 34-Jährigen

So rundum zufrieden ist der 34-Jährige vor den beiden Läufen in Zandvoort an diesem Wochenende mit seinem persönlichen Saisonverlauf nicht. In Hockenheim war er in Lauf zwei Zweiter geworden, doch weil der Heckdeckel des BMW um 1,9 Millimeter nicht den Vorgaben entsprach, wurde der ehemalige Formel-1-Pilot nachträglich disqualifiziert. Nach einem Laufsieg in Spielberg folgte auf dem Norisring der nächste Nasenstüber. Zeitstrafe, weil er den klappbaren Heckflügel in einer Runde drei- statt wie erlaubt zweimal benutzt hatte – dass sich das Teil 32 Runden lang gar nicht bewegt hatte, spielte dabei keine Rolle. Eine Zeitstrafe gab es, mit nur zwei Punkten reiste der Hesse aus Nürnberg ab. „Kirmesveranstaltung“, wetterte er damals und auf dem Sofa der Sportredaktion untermauert er seine Kritik an den endlosen Urteilen der Rennkommissare. „Ab und zu müssen sie schon eingreifen,“, sagt Glock, „aber mitunter artet es in eine Urteilsflut aus, so dass die Fans am Ende gar nicht mehr durchblicken.“

Der Dauereinsatz der Motorsport-Richter hängt allerdings auch mit der in diesem Jahr besonders ausgeprägten Aggressivität des fahrenden Personals zusammen; bei den DTM-Rennen und auch danach grassiert eine gesteigerte Angriffslust. Den Blockaden, Schubsern und Kollisionen auf den Strecken folgen fast reflexartige Verbalattacken. Audi-Routinier Mattias Ekström nannte zwei Kollegen „Nasenbohrer“ und „Pappnasen“, als wären sie gerade dem Kart-Alter entwachsen, Mercedes-Mann Christian Vietoris titulierte den Schweden live im TV mit dem Wort, das den menschlichen Darmausgang bezeichnet, weil er ihn abgeschossen und um den Sieg gebracht hatte. Die Fäkalsprache kostete Vietoris 3000 Euro Strafe.

„Wir kämpfen in dieser Saison alle mit noch mehr Engagement“

„Ich glaube“, vermutet Glock, „wir kämpfen in dieser Saison alle mit noch mehr Engagement, weil es so verdammt eng zugeht. Jeder ist extrem motiviert und will noch eine Schippe drauflegen – und mancher schießt dabei eben übers Ziel hinaus.“ Im Grunde empfindet der dreimalige DTM-Laufsieger solche Kapriolen nicht als übertrieben tragisch. „Die Fans wollen ja auch Action sehen, oder?“ Keiner widerspricht. Dafür will auch er selbst sorgen, in Zandvoort und den übrigen vier Stationen richtig angreifen – das Prädikat „DTM-Champion“ sähe er gerne in seiner Vita. Da muss Glock jedoch noch etwas Geduld aufbringen – bei 35 Punkten Rückstand auf Spitzenreiter und BMW-Kollege Marco Wittmann müsste er schon eine traumhafte zweite Saisonhälfte hinlegen. „Ich habe 2016 ein Rennen gewonnen, und es kommen Strecken, auf denen BMW gut ist“, sagt Timo Glock. Wenn er im Cockpit so überzeugt wie an der Mini-Tischtennisplatte der Sportredaktion, sollten sich seine Gegner auf der Piste in acht nehmen.