Ein schwäbischer Rennstall aus dem Bilderbuch: Wie die Familie Ungar im globalisierten Rennsport ihre Familienbande pflegt – und Rennwagen von Heimsheim aus auf den Pisten dieser Welt mit solider Handwerkskunst ausgestattet.

Heimsheim - Wenn das Sprichwort „Man sieht sich immer zweimal im Leben“ Gültigkeit besitzt, müsste es in der globalisierten und doch so beschaulichen Welt des Motorsports heißen: Man sieht sich zehnmal pro Saison. Oder läuft sich ständig über die Füße. Weil man beispielsweise miteinander verwandt ist. Die Geschichte des einzigen Formel-Sport-Rennstalls im Altkreis ist unverrückbar mit der Familiengeschichte der Ungars verknüpft – und dem Erfolg des Mercedes-Edeltuners AMG im nicht minder beschaulichen Affalterbach.

 

Aber der Reihe nach. Wenn Harald Ungar auf den mitteleuropäischen Rennbahnen von Hockenheim bis Valencia buchstäblich seine Zelte aufschlägt, um darunter einen wunderschönen, kleinen Formel-3-Renner startklar zu machen, fehlt ein wenig der Glamour, den flüchtige Fernseh-Gucker in diesem Sport vermuten würden. Dafür gibt es Gulaschsuppe und Spezi für spontane Besucher und einen herzlichen Empfang, man ist sofort per Du mit den Mechanikern, die noch echtes Öl an den Fingern haben und nicht nur einen Touchscreen unter selbigen.

Lucas Wolf heißt der junge Fahrer, um den sich in dieser Saison alles beim Heimsheimer Team „URD Motorsport“ dreht. Lucas’ Vater investiert viel dafür, dass sein Sohn ein Racer wird. Er hat vor allem Harald Ungar gefunden. Der schweigsame, aber freundliche Schwabe hat quasi den Motorsport mit der Muttermilch aufgesaugt. In den frühen 70er Jahren hatte sein Vater Ernst Ungar die kleine Schmiede mit dem schönen Namen „URD Rennwagenbau“ in Eltingen gegründet. 1974 zog es die Familie nach Grafenau, 1998 gründeten die Söhne einen Zweigbetrieb in Heimsheim, der wiederum als eine der führenden Hersteller für eine besondere Schlüsseltechnologie im Automobilbereich gilt: Am Ortsrand von Heimsheim werden ultraleichte Kohlefaserteile für Rennwagen und Prototypen gebacken.

Auch hier hat Harald Ungar den Hut auf. Einer seiner Hauptkunden ist die Firma HWA. Die ist besser bekannt als Rennsport-Ableger des Mercedes-Edeltuners AMG in Allfalterbach. Bei HWA werden die Tourenwagen-Renner von Mercedes aufgebaut. Der Chef heißt Gerhard Ungar – Haralds Bruder. Weil AMG-Gründer Werner Aufrecht aber nicht nur HWA sein eigen nennt, sondern so eine Art Bernie Eclestone der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft ist (mit weit weniger Negativ-Schlagzeilen, allerdings), fährt mittlerweile auch die Formel-3-Euro-Serie im Vorprogramm der gut besuchten Tourenwagen-Spektakel. Was heißt: die Gebrüder Ungar begegnen sich theoretisch bei jedem Rennwochenende. Praktisch trennen die beiden Motorsport-Galaxien.

Immer mehr schotten sich die DTM-Teams in den Fahrerlagern hermetisch ab. Bei der Formel 3 geht es dagegen absolut offen zu. Was auch daran liegt, dass es bei den Dallara-Einheits-Rennwagen nichts mehr zu verbergen gibt. Für die Firma URD geht es mittlerweile nicht mehr um den Bau von Rennwagen, sondern um Rennfahrerkarrieren: „Man macht das hier auch nicht wegen des Geldes. Es geht um Leidenschaft“, sagt Ungar. Zuvor, in den goldenen 70er-Rennsportjahren, war URD ein Markenzeichen für alle möglichen Klassen und Rennserien. Selbst für Le Mans stellte Ernst Ungar einen GT-Renner auf die Achsen.

So wie der Rutesheimer Tüftler Heinz Fuchs einst mit Formel V den preiswerten Einstieg in den Motorsport ermöglichte, so hat eine ganze Generation von semiprofessionellen Fahrern bei URD den richtigen Untersatz gefunden. Harald Ungar selbst lernte seine Lektionen auf der Rennstrecke Anfang der 80er, lernte in der „Formel Ford“. „Kurz nachdem wir ausgestiegen sind, kam Schumi“, sagt Ungar und muss lächeln. Er und sein Bruder mussten beide im Geschäft des Vaters mit ran – schnell wurde der bestens vernetzte AMG-Mann Aufrecht auf die beiden Tüftler aufmerksam – und holte sich 50 Prozent Ungar ins Haus.

Ein Jahr ohne die sommerliche Tournee über die Rennstrecken könnte sich aber auch Harald Ungar heute nicht mehr vorstellen. Er hat zudem ein gutes Geschäftsmodell daraus entwickelt. Das Saisonbudget für einen Mini-Rennstall in der Formel-3 beträgt rund 500 000 Euro – bringen muss das via Sponsorengelder der Fahrer, sein Manager. Oder im Fall von Lucas Wolf: der Papa. Gerade für junge Fahrer scheint der in sich ruhende Harald Ungar der richtige Teamchef zu sein. Vor drei Jahren lernte der Teenager Klaus Bachler aus Österreich beim Heimsheimer Rennstall das Autofahren. Nach einigen Podiumsplätzen bei der Formel ADAC wurden Porsche-Talentscouts auf Bachler aufmerksam. In dieser Saison bekam er seine Chance als Porsche-Junior und macht im Carerra-Cup auf sich aufmerksam. Übrigens: der läuft ebenso im Vorprogramm der DTM. Was heißt, dass sich auch hier die jungen Hasen schnell zu alten Bekannten mausern.