Die an Ostern verstorbene Rennfahrerlegende Stirling Moss hat nie einen Zweifel an Lewis Hamiltons großer Formel-1-Karriere gehabt. Die beiden sind richtige gute Freunde geworden.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Ende April vor fünf Jahren hat Stirling Moss in Monza noch einmal kräftig Gas gegeben. Damals scheuchte er mit immerhin auch schon 85 Jahren einen Silberpfeil von 1955 über die seit Jahrzehnten stillgelegte Steilkurve des Hochgeschwindigkeitskurses nördlich von Mailand. Im zweiten Renner aus grauer Vorzeit saß Lewis Hamilton, beide befanden sich hinsichtlich des erdigen und durchaus auch panzerhaft klingenden Sounds ganz im Glück. Nach den Showrunden sagte Moss über Hamilton, er werde mal eine Legende werden – und sollte damit recht behalten. Denn danach fuhr sein junger britischer Landsmann noch die WM-Titel drei bis sechs ein.

 

Legende ohne Titel

Weltmeister war Stirling Moss nie – aber den Legenden-Status hatte er bereits inne, nachdem er auch als Folge seines brutalen Unfalls 1962 in Goodwood seinen Rücktritt erklärte. Er fiel ins Koma, war zeitweise halbseitig gelähmt, aber er wusste: zu viele seiner Kameraden waren auf der Rennstrecke ums Leben gekommen. Nun ist auch Moss gestorben, doch erst an diesem Osterfest, also 58 Jahre später – und im stolzen Alter von 90 Jahren.

Stirling Moss und Lewis Hamilton sind in den vergangenen Jahren sehr gute Freunde geworden. Sie tauschten sich aus, was deshalb spannend war, weil sie beide aus unterschiedlichen Rennsport-Epochen berichteten – Moss konnte die Welt von Hamilton nicht verstehen, und Hamilton staunte Bauklötze, wie man die Rennwagen von früher mit ihren abenteuerlichen Bremsen überhaupt zum Stehen bringen konnte. Der Abschied von Moss vor wenigen Tagen fiel dem sechsmaligen Formel-1-Weltmeister schwer. Oft waren sich die beiden schnellen Briten begegnet. „Zwei Menschen aus ganz unterschiedlichen Zeiten und Backgrounds, aber zwischen uns ist der Funke übergesprungen und schlussendlich machte uns die gemeinsame Liebe für das Rennfahren zu Kameraden. Ich bin wirklich dankbar, diese speziellen Momente mit ihm gehabt zu haben“, schrieb Hamilton in den Sozialen Netzwerken.

Ein Leben für den Moment

„Er starb, wie er gelebt hat – wundervoll aussehend“, sagte derweil Susie Moss, die dritte Frau des Rennfahrers, mit der er die vergangen 40 Jahr verbrachte. Und die sich 2015 in Monza rührend um ihren schon etwas unbeweglicher gewordenen Ehemann kümmerte. Dass er nie Weltmeister wurde, es habe ihn nicht wirklich gewurmt, sagte Lady Susie Moss über ihren Gatten Sir Stirling Moss, den die Queen vor 21 Jahren zum Ritter schlug. Moss lebte für den Moment, wollte Rennen gewinnen, an große Ehren habe er nicht gedacht.

Stolze 212 gewonnene Rennen von insgesamt 529 Einsätzen, 16 Siege davon in der Formel 1 – diese Zahlen drücken im Hinblick auf den in London geborenen Rennfahrer mehr aus, als jeder WM-Titel es hätte tun können. Moss wurde viermal Vize-Weltmeister, er hatte auch viel Pech in drei WM-Duellen gegen Juan Manuel Fangio und einem Zweikampf gegen seinen Landsmann Mike Hawthorn. Doch war er einer der wenigen „ewigen Zweiten“ des Weltsports, die Ikonen-Status erlangten. Das war so, weil man ihn in jedes Auto setzen konnte; er siegte in der Formel 1 für Maserati, Mercedes, Vanwall, Cooper und Lotus. Moss war immer unfassbar schnell, wie selbst der dreimalige Champion Jackie Stewart neidlos anerkannte, und deshalb verneigte sich der Schotte auch verbal vor ihm: „Stirling war der Talentierteste von uns.“

Ein großer Sportsmann

Und er wurde zur Ikone, weil er einer der größten Sportsmänner war, die die Welt je sah – auch das faszinierte Hamilton so an seinem verstorbenen Freund. 1958 gewann Moss vier Rennen, sein britischer Rivale Hawthorn nur eines. Als Hawthorn in Portugal disqualifiziert werden sollte, setzte sich Moss für ihn ein – und verlor dadurch den Titel. „Ich würde das jederzeit wieder tun, weil es fair war“, sprach Moss, der fortan das Liebkind der englischen Presse war, während der kühle Hawthorn trotz eines WM-Titels nie an dessen Popularität herankam.

„Ich denke, es ist wichtig, dass wir sein unglaubliches Leben und diesen großartigen Mann feiern“, sagt Lewis Hamilton über seinen Freund Stirling Moss. Er und die Welt des Motorsports nehmen Abschied von einem Helden, Gentleman und Frauenscharm – auch das soll er gewesen sein. Ein charmanter Bursche, der sich gern mal eine Zigarette anzündete – und der im Privatwagen so oft wegen überhöhter Geschwindigkeit Strafe zahlen musste, dass der englische Staat ein echtes Vermögen an ihm verdient hat. Darauf war der Lausbub in Stirling Moss erst richtig stolz.