Der MTV Stuttgart ist von der nächsten Saison an Geschichte in der Turn-Bundesliga der Männer. Der deutsche Meister von 2014 zieht sein Team zurück. Die Frauen machen weiter.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart - Wolfgang Drexler spricht am Dienstagmittag von einem schweren Schlag und einem Schritt, den er außerordentlich bedauere. Der MTV Stuttgart zieht seine Männermannschaft von 2019 an aus der Turn-Bundesliga zurück – es ist ein Schritt, der nicht nur Drexler, den Präsidenten des Schwäbischen Turnerbunds (STB), aufwühlt. Der deutsche Meister von 2014 ist bald nicht mehr in der höchsten Klasse vertreten, was nichts anderes bedeutet, als dass der so genannten Turnhauptstadt Stuttgart eines ihrer Zugpferde wegbricht. Das erfolgreiche Frauenteam des MTV, das in den vergangenen sechs Jahren stets die deutsche Meisterschaft holte, bleibt zwar bestehen, der Abschied der MTV-Männer aber ist ein Schlag ins Kontor – auch mit Blick auf die WM im Oktober 2019, die in Stuttgart stattfindet. Drexler sagt, dass da zumindest „ein lautes Oha“ in der Turnwelt zu vernehmen sein werde, wenn es die Bundesligamannschaft vor Ort bald nicht mehr gibt.

 

Der MTV ist nicht mehr konkurrenzfähig

Wie es so weit kommen konnte, ist klar: Der MTV war zuletzt nicht mehr konkurrenzfähig, vor allem in finanzieller Hinsicht. In den vergangen Jahren war die sportliche Entwicklung der Turner stets rückläufig, die Zuschauerzahlen in der Stuttgarter Scharrena ebenso, und das wiederum hat einen einfachen Grund: Dem Team fehlt es an Zugpferden und Spitzenturnern, was auch ein hausgemachtes Problem ist. So sprach MTV-Geschäftsführer Karsten Ewald nach der Meisterschaft 2014 meist von Übergangsjahren, dass man noch Zeit benötige und bald wieder nach dem Titel greife – allein, es wurde nichts. Ewald schaffte es nicht wie angekündigt, den deutschen Topturnern einen Wechsel nach Stuttgart wieder schmackhaft zu machen.

Konzepte greifen nicht

So wollte Ewald mit Hilfe von Kooperationspartnern wie der Dualen Hochschule besondere Anreize bieten – was ihm nicht gelang. Dazu muss man generell wissen, dass das große Geld in der Deutschen Turnliga (DTL) in der Regel nicht zu verdienen ist. Es braucht diese besonderen Zuckerl wie etwa Jobangebote. So wie es beim ehemaligen MTV-Mann Marcel Nguyen der Fall war, als er 2015 zur KTV Straubenhardt wechselte, weil ihm die KTV dank potenter Sponsorenhilfe eine Jobperspektive nach der Karriere anbieten konnte.

Generell ist es so, dass der MTV so etwas wie einen Standortnachteil hat, da es in der Landeshauptstadt etliche Konkurrenten aus anderen Sportarten gibt, die im selben Sponsorenteich fischen – bei den meisten Konkurrenten in der Turn-Bundesliga ist das anders. Denn die kommen eher aus dem ländlichen Raum und haben im Spitzensportbereich oft das Monopol. Außer dem Turnen gibt es etwa in und um Straubenhardt nicht viel – weshalb die KTV für regionale Geldgeber fast zwangsläufig am interessantesten ist. Und damit auch für die Spitzenturner wie Nguyen. Weil es dort schlicht mehr Geld gibt.

Ungleiche Behandlung angeprangert

Der Geschäftsführer Ewald sieht den MTV wiederum noch in einem anderen Punkt benachteiligt. Auch hier geht es um die Konkurrenten in der Turnliga. Angeblich werde der MTV Stuttgart von Behörden wie der Landesversicherungsanstalt Baden Württemberg strenger kontrolliert als andere Vereine im ländlichen Raum. Ewald forderte von der DTL einheitliche Regelungen, was Dinge wie etwa die Prüfung von Bilanzen angeht – angeblich ohne Erfolg. Belege und Namen für diese These nennt Ewald nicht, denn: „Ich will keinen Konkurrenten in die Pfanne hauen.“

Große Konkurrenz in Württemberg

Karsten Ewald kritisiert weiter, dass die württembergischen Teams in der Bundesliga (Straubenhardt, Wetzgau, Heilbronn und der MTV) nicht unter einem Namen und für einen Verein turnen. Alle vier Clubs, so Ewald, versuchten auf Athleten, die im renommierten Cannstatter Kunstturnforum turnen, zurückzugreifen. Wer schon in Stuttgart trainiert, der soll dann auch bitteschön für Stuttgart turnen, das war das Ziel.

Zurzeit aber, so Ewalds Vorwurf, mache jeder Club sein Ding, dabei könne man doch die Kompetenzen im württembergischen Raum bündeln. Hier wiederum, so Ewald, sei auch der STB am Zug – was Präsident Wolfgang Drexler energisch zurückweist. Er verweist auf die Eigenständigkeit eines jeden Vereins, auf ein gesundes Konkurrenzdenken der Clubs und auf die Neutralität des Turnerbunds: „Wir können uns doch als STB nicht hinstellen und sagen, jetzt schließt euch zusammen – das ist Sache der Vereine.“