Wenn die Tage kürzer werden und die Temperaturen sinken, drückt das bei vielen Menschen auf die Stimmung. Man fühlt sich antriebslos und abgeschlagen. Dazu kommen nun auch noch die neuen Entwicklungen in der Corona-Krise. Was hilft bei Stimmungstiefs?

Stuttgart - Wenn es im Herbst wieder früher dunkel wird, die Sonne sich nicht mehr so lange zeigt und es draußen kälter ist, fühlen sich viele Menschen abgeschlagen, müde und antriebslos. In diesem Jahr kommen nun noch die Ungewissheit und die Einschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise hinzu. Doch gegen Stimmungstiefs lässt sich durchaus etwas tun.

 

Hinter dem erhöhten Schlafbedarf steckt ganz grundsätzlich das fehlende Tageslicht im Herbst. Der Körper schüttet dann verstärkt Melatonin aus. Dieses Hormon wird bei Lichtmangel oder Dunkelheit in der sogenannten Zirbeldrüse im Gehirn gebildet und steuert unseren Schlaf-Wach-Rhythmus. „Melatonin macht uns müde und schlägt auch auf die Stimmung“, sagt der Schlafforscher Hans-Günter Weeß. Etwa 70 Prozent der Menschen hierzulande reagieren sensibel auf die verstärkte Melatoninproduktion im Herbst. Oft ist dann von Herbst- oder Winterblues die Rede. Grundsätzlich unterscheidet sich der Hormonhaushalt in unserem Körper von Jahreszeit zu Jahreszeit – und die Anpassung oder Umstellung geht im Herbst oft mit Herbstmüdigkeit, im Frühjahr mit Frühjahrsmüdigkeit einher.

1. Tageslicht – auch an trüben Tagen

„Was gegen die Herbstmüdigkeit hilft, ist ganz grundsätzlich Licht“, sagt Hans-Günter Weeß. Es muss ja nicht immer die tägliche Joggingrunde sein. Auch Spaziergänge tun gut. Denn selbst an trüben, bewölkten Wintertagen trifft noch immer mehr Lichtstärke auf unseren Körper und die Haut als dies durch Lampen geschieht. Selbst spezielle Tageslichtlampen erreichen eine ähnliche Stärke nicht unbedingt. Im Herbst und Winter kann es dadurch sinnvoll sein, in der Mittagspause öfter mal nach draußen zu gehen. Wer sich eine Tageslichtlampe anschafft, sollte sich morgens etwa eine halbe Stunde dem Licht aussetzen, empfiehlt Schlafforscher Weeß. Zudem sollte diese eine Leuchtstärke von 10 000 Lux erreichen, um wirksam zu sein.

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Sonne und Tageslicht sind auch wichtig im Hinblick auf Vitamin D. Der Körper produziert das Prohormon mithilfe von UV-Strahlung in der Haut. Nach dem Sommer sind die körpereigenen Speicher gut gefüllt. Selbst im Winterhalbjahr bildet der Körper außerdem Vitamin D, wenn man täglich draußen ist – am besten für mindestens 20 Minuten und mit freiem Gesicht und zum Beispiel auch mal ohne Handschuhe. Dann ist es Experten zufolge auch nicht notwendig, Vitamin D durch Nahrungsergänzungsmittel zu supplementieren. Nur, wer etwa durch eine Krankheit oder den Beruf nicht raus kann, sollte Vitamin D als medizinisches Präparat einnehmen. Ob dies nötig ist, können Ärzte über einen Bluttest feststellen.

2. Den Kreislauf ankurbeln durch Bewegung und Duschen

Es mag etwas Überwindung kosten, aber Sport und Bewegung an der frischen Luft sind in der kalten Jahreszeit besonders wichtig. Ausdauersport zum Beispiel kurbelt die Produktion des Glückshormons Serotonin an. Das Stresshormon Cortisol dagegen wird reduziert. Manche Studien geben Hinweise darauf, dass Bewegung sogar bei Depressionen hilft. Außerdem regt Bewegung die Durchblutung und den Stoffwechsel an – das macht uns wacher.

„Auch Wechselduschen am Morgen wirken gegen Müdigkeit“, sagt Hans-Günter Weeß. Die Warm-Kalt-Duschen tragen dazu bei, dass der Kreislauf in Schwung kommt. Also: Auch hier lohnt es sich, die inneren Widerstände überwinden und bei der morgendlichen Dusche zwischen kalt und warm zu wechseln. Dazu mit warmem Wasser beginnen, dann die Dusche kalt stellen und vom rechten Fuß ausgehend mit kaltem Wasser abbrausen. Nach der Dusche wieder gut aufwärmen. Wechselduschen sollen übrigens auch gegen Erschöpfung wirken, das Immunsystem auf Trab bringen, Erkältungen und sogar Krampfadern vorbeugen.

3. Genug Schlaf und abends mal das Smartphone aus

Gerade nach der Zeitumstellung fällt es manchen Menschen schwer, ihren Schlafrhythmus anzupassen und einzuhalten. Doch guter Schlaf ist wichtig – gerade im Herbst und Winter. „Wir brauchen in der dunklen Jahreszeit etwa eine halbe Stunde mehr Schlaf“, sagt Weeß, der das Schlafzentrum am Pfalzklinikum Weinstraße leitet. „Wir gönnen uns diesen Schlaf aber oft nicht.“ Laut einer aktuelle Auswertung der Krankenkasse Barmer schlafen die Deutschen aber immer schlechter, die Zahl der diagnostizierten Schlafstörungen steigt seit Jahren an. Dabei ist ausreichend Schlaf wichtig für Stimmung, Konzentration und Gesundheit insgesamt.

Der natürliche Schlaf-Wach-Rhythmus orientiert sich an Licht und Dunkelheit. Unsere innere Uhr wird aber nicht nur durch mangelndes Tageslicht durcheinandergebracht, sondern zum Beispiel auch dann, wenn wir abends oder nachts noch grellen Lichtquellen oder hellen Laptopbildschirmen und Handydisplays ausgesetzt sind. „Es ist erwiesen, dass man besser schlafen kann, wenn man die Bildschirme eine Stunde vor dem Schlafengehen ausmacht“, sagt Schlafmediziner Weeß. Medienhygiene nennt er das. Also: Besser ein Buch lesen und das Licht zu reduzieren.

4. Die richtige Ernährung – und Vitamine

Gesunde Ernährung ist nicht nur wichtig für die körperliche Gesundheit und das Immunsystem, sondern soll auch positive Effekte auf die Psyche haben. Bestimmte Stoffe in Lebensmitteln können die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft im Darm beeinflussen – das Mikrobiom. Das wiederum, so sind einige Wissenschaftler inzwischen überzeugt, könnte Einfluss haben auf die Produktion bestimmter Botenstoffe, die auch im Gehirn wirken. Allerdings ist hier auch ein bisschen Vorsicht geboten: Lange hat sich die Theorie gehalten, dass die Aminosäure Tryptophan – in eiweißhaltigen Nahrungsmitteln wie Nüssen, Bananen oder auch Schokolade – die Stimmungslage beeinflussen kann. Inzwischen sind viele Wissenschaftler aber davon überzeugt, dass sich über die Nahrung kaum ausreichend Tryptophan aufnehmen lässt. „Empfehlenswert ist einfach eine ausgewogene, nicht so schwere Ernährung“, sagt Hans-Günter Weeß: Möglichst kohlenhydrat- und fettarm. Nüsse und dunkelgrünes Gemüse – im Winter beispielsweise Grünkohl oder Rosenkohl –, aber auch Schwarzwurzeln oder Pastinaken sind wichtige Nährstofflieferanten.

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Anregend wirken zum Beispiel auch scharfe Lebensmittel wie Ingwer. Und wer Koffein braucht: Neben Kaffee gelten auch Grüntee oder Guarana als Mittel, die wach machen. Generell ist es natürlich auch im Herbst wichtig, ausreichend zu trinken. Flüssigkeitsmangel mindert die Konzentrationsfähigkeit. In der kalten Jahreszeit muss man sich vielleicht ab und an selbst daran zu erinnern, weil keine heißen Temperaturen das Durstgefühl verstärken. Ein Glas lauwarmes Wasser direkt nach dem Aufstehen ist schonmal ein guter Start in den Tag.

5. Ein Powernap zwischendurch – oder Meditation

Ein Nickerchen – auch Powernap – zwischendurch soll leistungsfördernd sein und einen besseren Effekt haben als eine Tasse Kaffee, heißt es oft. Es gibt einige Studien, etwa von der US-amerikanischen NASA und der Harvard School of Public Health – die nahelegen, dass Powernapping Aufmerksamkeit und Konzentration fördert und sogar das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mindert. Ob dem so ist, hängt wohl auch davon ab, wie das Nickerchen ausfällt. Die Empfehlungen reichen von sechs bis maximal dreißig Minuten Schlaf, damit man nicht in eine Tiefschlafphase kommt.

Auch Achtsamkeitsübungen, Atemübungen oder Meditation fördern erwiesenermaßen die Konzentrationsfähigkeit und können so dazu beitragen, dass man sich insgesamt wacher und ausgeruhter fühlt. Sich auf die Atmung zu konzentrieren, tief ein und auszuatmen trägt auch dazu bei, gedanklich nicht so stark abzudriften und insgesamt gelassener zu sein. Allerdings bedarf es etwas Übung und Kontinuität, damit der Effekt spürbar wird.

6. Soziale Kontakte

Freundschaften und soziale Kontakte sind wichtig für die Gesundheit und die Stimmung. Forscher haben gezeigt, dass ein gutes Umfeld und soziale Interaktionen Stress mindern, Einsamkeit dagegen chronischen Stress auslösen kann. Kontakte wirken sich positiv auf die Stimmung aus, stärken das Selbstbewusstsein, können von negativen Gedanken ablenken und in Krisenzeiten Unterstützung bieten. Soziale Kontakte helfen also über so manch triste Stimmungsphase hinweg. Dabei ist es laut der Deutschen Gesellschaft für Psychologie noch nicht einmal nur die tatsächlich erlebte Unterstützung, die sich positiv auswirkt. Schon der Gedanke oder die Erwartung, in schwierigen Zeiten auf Hilfe zurückgreifen zu können, hänge zuverlässig mit besserer Gesundheit und besserem Wohlbefinden zusammen.

Wichtig sind aber auch Hautkontakt und Berührungen. Die Rezeptoren in unserer Haut schicken bei einer sanften, langsamen und als positiv bewerteten Berührung bestimmte Signale ans Gehirn. Das führt zur Ausschüttung des Hormons Oxytocin, das als Glücks- und Bindungshormon gilt. Auch Stresshormone werden durch die Ausschüttung abgebaut.

Durch die nun wieder weitreichenderen Einschränkungen in der Corona-Krise ist das mit sozialen Kontakten und Berührugen so eine Sache. Doch die Gesellschaft für Psychologie und die Stiftung Deutsche Depressionshilfe weisen auf die Möglichkeit hin, über Telefonie, Messenger-Dienste oder Videotelefonie auch in Kontakt mit Freunden und Verwandten zu bleiben, die nicht mit im eigenen Haushalt leben. Auch so lasse sich emotionale Nähe herstellen.

7. Positive Aktivitäten

Die Corona-Pandemie bringt enorme Veränderungen mit sich, viele haben Existenzängste, einen völlig veränderten Alltag oder erleben neue Konflikte. „Diese Veränderungen erzeugen bei den meisten Menschen Stress und bei vielen von uns traurige oder depressive Verstimmungen", heißt es von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Das seien normale und menschliche Reaktionen auf eine solche Krise. Doch solchen Verstimmungen sei man nicht machtlos ausgeliefert. Die Empfehlung: Sich eine Tagesstruktur mit positiven Dingen schaffen. Also zum Beispiel mit Bewegung und Sport, mit Lesen, Musik, Hörbüchern oder mit etwas Kreativem wie beispielsweise Malen. Je nach dem, womit man selbst etwas Positives, Sinnhaftes verbinde. Reduzieren sollte man demnach dagegen Aktivitäten, die nicht so hilfreich sind. Zum Beispiel übermäßiges Fernsehen oder das stundenlange Herumsurfen im Netz, wo viele Falschmeldungen einen unnötig verängstigen können.

Unterscheiden, wann es sich um eine Depression handelt

Wichtig ist auch zu unterscheiden, ob es sich um mehr als nur ein bisschen Herbstmüdigkeit handelt. Treten Symptome wie eine depressive Stimmung, Müdigkeit und Antriebslosigkeit regelmäßig im Herbst und Winter auf und sind sie stark ausgeprägt, kann es sich um eine saisonal abhängige Depression handeln, kurz SAD. Anzeichen für eine depressive Erkrankung ist generell, wenn jemand aus den negativen Gedanken und der Antriebslosigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg kaum hinausfindet. „Bei einer Depression sind die Patienten immer traurig und können keine Freude mehr an Situationen erleben“, erklärt Roberto Goya-Maldonado, der sich an der Universität Göttingen mit Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit Depressionen beschäftigt. „Sie haben auch manchmal Schwierigkeiten zu schlafen, zu essen.“ Nicht immer muss es einen Auslöser für die Depression geben, mitunter tritt sie ohne klar ersichtlichen Grund auf. Wichtig ist es dann für Betroffene, sich Hilfe zu suchen.