Nach zweimaliger Corona-Zwangspause wird am Pfingstmontag wieder ein Mühlentag im Schwäbischen Wald veranstaltet. Welche Mühlen sich beteiligen, sehen Sie hier.

Die Szenerie ist wie geschaffen dafür, romantische Gefühle zu wecken. Nähert man sich dem imposanten Mühlengebäude, zeigt sich dieses als ein mit Fachwerk und Satteldach ausgestattetes Anwesen von ansehnlicher Größe, umgeben von Wald und Wiesen, die einen beschaulichen Rahmen um die betagte Immobilie bilden. Zur Idylle des Ensembles gehört schließlich auch das Plätschern des Eisenbachs und, so man Glück hat, kann man frei laufende Hühner sehen, ihren krähenden Boss hören und Katzen beobachten, die sich mitten auf dem Sträßchen rekeln, das an dem stattlichen Bauwerk vorbeiführt. In so heimeliger Atmosphäre, abseits hektischen Treibens, präsentiert sich die eindrucksvolle Meuschenmühle im Schwäbischen Wald.

 

Zeugen einstiger Mühlenkultur

In dieser Gegend sind Mühlenveteranen keine Seltenheit. Rund ein Dutzend dieser Technikspezies aus längst vergangener Zeit findet man rund um Welzheim, sie sind Zeugen einstiger Mühlenkultur in der nordöstlichen Ecke des Rems-Murr-Kreises. Die Meuschenmühle im Eisenbachtal (Gemeinde Alfdorf) ist ein ausgesprochenes Prachtstück unter all den Mühlenoldies und hat mittlerweile annähernd 250 Jahre auf dem Buckel. Sie gilt als Rarität, da sie zum Typus der alten deutschen Wassermühle gehört – ein Exemplar, wie es im Land nur noch einmal zu finden ist.

Seit dem Jahr 1970 ist die Mühle im Eisenbachtal nicht mehr in Betrieb, von einem öffentlichen Stilllegungsprogramm wurde sie für nicht überlebensfähig eingestuft. Doch zu Anschauungszwecken vermag sie bis heute zu beweisen, dass ihr technisches Interieur immer noch funktioniert. Ist sie erst einmal in Gang gesetzt, dann rumpelt und dröhnt sie wieder wie ehedem und lässt dabei die Malstube vibrieren.

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Nun wartet auf die Mühle – gelistet als „einmaliges Kulturdenkmal“ – ein ehrenvoller Auftritt: Sie steht im Mittelpunkt der Eröffnungszeremonie zum diesjährigen Mühlentag im Rems-Murr-Kreis am 6. Juni. Bekanntermaßen ist die 1993 begründete Mühlentagstradition in den zwei zurückliegenden Jahren von der Coronapandemie ausgebremst worden. Jetzt soll die Meuschenmühle der beliebten Festivität neuen Schwung verleihen.

Dietrich Frey, Leiter des Historischen Vereins Welzheimer Wald und von Anfang an Manager des Mühlentags, zeigt sich erleichtert darüber, dass sich die Mühlradbranche jetzt wieder ihrer großen Fangemeinde präsentieren kann. 27-mal schon hat er das Hochfest der Mühlen im Schwäbischen Wald organisiert, „doch meine Vorfreude war noch nie so groß wie in diesem Jahr“, bekennt er. Es bedarf keiner großen hellseherischen Fähigkeiten, um vorherzusagen, dass, sofern Petrus mitspielt, der bevorstehende Mühlentag wiederum seine magische Wirkung auf die Fans nicht verfehlen wird. Es wird wie in früheren Jahren mit einem heftigen Gewusel im Mühlenviertel rund um Welzheim gerechnet, denn dort kommt bekanntlich eine Mühle selten allein.

Hype um historische Mühlen

Reichlich Gelegenheit haben da die nostalgisch gestimmten Fans, den Objekten ihrer Begierde ganz nahe zu sein und ihr Flair zu inhalieren. Die Meuschenmühle mit ihrem rauschenden Wasserrad kann bei der Gelegenheit einmal mehr beweisen, dass sie auch als museales Objekt zu begeistern weiß.

Einen solchen Hype um die historischen Mühlen gab es freilich noch nicht, als ein gewisser Karl Grau in der Meuschenmühle lebte und arbeitete. 1945 hatte er dort als landwirtschaftlicher Knecht angefangen und sich später auch ums Mahlen kümmern müssen. Das Schleppen schwerer Mehl- und Getreidesäcke ließ ihn krumm und bucklig werden. Die ausgetretenen Stufen einer Holztreppe in der Mahlstube sind stumme Zeugen seines mühsamen Arbeitsalltags. Unversehens ist der getreue Mühlenknecht Karl zum Mühlenbesitzer avanciert. Nachdem die beiden Söhne des Mühleneigners nicht aus dem Krieg zurückgekommen waren, bekam Karl Grau das Anwesen überschrieben. 2012 hat er mit 84 Jahren das Zeitliche gesegnet.

Das mächtigste Wasserrad im Schwäbischen Wald

Seit sieben Jahren leben Beate Kohler und Stephan Heimerl in der Meuschenmühle. Mit dem Kauf der geschichtsträchtigen Immobilie haben sich die beiden, von Beruf Wasserbauingenieure, einen Lebenstraum erfüllt. Ihr Ziel sei es gewesen, sagt Beate Kohler, das Stuttgarter Großstadtleben hinter sich zu lassen und dem Landleben den Vorzug geben. „Wir sind glücklich und zufrieden und haben unseren Schritt noch nie bereut“, sagt die Dame des Hauses. Daran ändere sich auch nichts an dem Umstand, dass es in einem so geschichtsträchtigen Anwesen immer was zu tun gibt, „da ist man eigentlich nie ganz fertig“.

Weil das alte Wasserrad der Meuschenmühle dem Zusammenbruch nahe war, wurde es 2016 mit einem neuen ausstaffiert. Seither dreht die Immobilie wieder das ganz große Rad. Es ist mit einem Durchmesser von 7,87 Metern erneut das Mächtigste im Schwäbischen Wald, nachdem die Glattenzainbachmühle in Kirchenkirnberg den Höhenrekord vorübergehend entführt hatte. Das große Rad liefert dem Besitzerduo der Meuschenmühle jetzt via Generator elektrischen Strom – sofern der Eisenbach nicht mit Wasser geizt.

Die Vielfalt der Mühlen

Meuschenmühle
Die Meuschenmühle (Gemeinde Alfdorf )steht im Mittelpunkt des 27. Mühltags: Dort wird um 11 Uhr das Fest der Mühlen im Schwäbischen eingeläutet. Es machen mit: die Heinles-, Menzles-, Klingen-, Hag- und Voggenbergmühle, dazu die Hummelgautsche, die Hundsberger Mühle sowie die Brandhöfer und Michelauer Ölmühlen, die meisten können besichtigt werden. Es gibt überall Trinken und Essen.

Voggenbergmühle
An der Voggenbergmühle, dem einzig noch gewerblich arbeitenden Mahlbetrieb am Mühlenwanderweg, gibt es Führungen zum Thema vom Korn zum Mehl. An der Hummeltgautsche soll das Zersägen eines Baumstamms wie einst mit Wasserkraft demonstriert werden.

Eventmanager
Der Eventmanager hat 27-mal das Organisatorische erledigt, nun möchte er es auslaufen lassen. Beate Kohler von der Meuschenmühle hat sich bereit erklärt, seine Nachfolge anzutreten und sich für die Bewahrung der historischen Mühlen im Schwäbischen Wald zu engagieren. Infos zum Mühlentag gibt es auch unter www.schwaebischerwald.com .