Jelena Brkic baut in Belgrad ein Mütterzentrum auf. Drei Frauen aus Heslach unterstützen sie dabei.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd - Die Fortschritte ihrer Arbeit dokumentiert Jelena Brkic in einem selbst gemachten Fotoalbum. „Aurora“ nennt sie ihr Projekt, die Morgenröte auf italienisch – Dunkelheit und Sonne zugleich. Auf ihren Fotos sind Frauen, im Hintergrund vermüllte, winzige Bruchbuden oder spärlich eingerichtete Wohnungen zu sehen. Aber die Frauen lachen.

 

Träume hatten die Frauen in Brkics Nachbarschaft schon lange nicht mehr. Wünsche für ihr Leben können sie sich nicht leisten. Sie sind damit beschäftigt, das Überleben ihrer Kinder zu sichern. Täglich müssen sie sich durchbeißen. „Manche haben nur einmal am Tag etwas zu essen, wenn überhaupt“, erzählt Brkic.

Die Idee der deutschen Mütterzentren exportiert

Die 36-Jährige Serbin möchte den Frauen ihre Träume zurückgeben – nicht in Form von materiellen Dingen. Brkic hat selbst nicht viel. Wie die anderen Frauen, die der Minderheitengruppe Roma angehören, lebt sie in einem Armenviertel in Belgrad, ausgegrenzt vom Rest des Landes, ohne Chancen auf eine gute Arbeit. Dennoch hat Brkic ein Ziel: Sie möchte in ihrem Quartier ein Mütterzentrum aufbauen, wie sie es im Stuttgarter Süden kennengelernt hat.

„Ich möchte die Frauen stark machen, dass sie selbst für ein besseres Leben kämpfen“, sagt Brkic auf serbisch. Ihr Sohn Nikola übersetzt das Gespräch. Sie bringt ihnen bei, wie sie ihren Alltag besser gestalten und ihren Kindern eine bessere Zukunft geben können. Brkic will den Frauen vermitteln, dass ein gutes Netzwerk zu anderen Frauen dabei hilft. So hat sie es in Heslach gelernt.

Dort hat sie nämlich auch die Idee gehabt. Brkic und ihr Mann lebten etwas mehr als ein Jahr in der Flüchtlingsunterkunft an der Böblinger Straße 18. Das Asylgesuch der Flüchtlingsfamilie wurde trotz eines Härtefallantrages abgelehnt. Die Familie reiste freiwillig aus – damit ein Urlaub in Deutschland weiter möglich ist.

Für den Aufbau des Zentrums in Belgrad braucht die Gruppe noch Unterstützung

Den braucht Brkic nämlich auch. Wenn immer es möglich ist, kommt sie für eine Woche nach Deutschland und arbeitet als Hospitantin im Mütterzentrum im Generationenhaus Heslach. Die Koordinatorin des MüZe Süd, Anette Runge, und Andrea Laux, die ehrenamtliche Vorsitzende des Mütterforums Baden-Württemberg, sowie Heide Soldner vom Freundeskreis Böblinger Straße haben ihr dies ermöglicht. Sie versuchen zudem, finanzielle Unterstützung für das geplante Mütterzentrum in Belgrad zu organisieren und helfen Brkic bei der Umsetzung. „Wir allein schaffen das aber nicht“, sagt Andrea Laux. „Wir können noch vielfältige Hilfe gebrauchen.“

Bisher muss Brkic klein anfangen. Weil die Roma-Frauen in dem Elends-Quartier nur in winzigen Bruchbuden hausen, haben sie keinen Raum, um sich zu treffen. Zwei Gruppen mit je 15 Frauen leitet Brkic bisher; inzwischen hat sie sich ein kleines Team aufgebaut. Sie treffen sich im Wechsel bei einer Teilnehmerin daheim, quetschen sich dort zusammen.

Doch auf Dauer ist das keine Lösung. Brkic würde gerne einen Raum mieten, langfristig sogar ein Haus kaufen – damit den Frauen niemand mehr ihren Ort wegnehmen will. Das ist bei Roma-Familien in den Balkanländern nicht unwahrscheinlicht. Doch dafür fehlt das notwendige Geld. Die Frauen hoffen nun auf Spenden. Mit einem geringfügigen Betrag unterstützt das Staatsministerium Baden-Württemberg die Gründung eines Vereins für das Mütterzentrum.

Ein eigenes, kleines Haus für die Mütter ist das Ziel

Als Wahnsinns-Experiment bezeichnet Andrea Laux die Pläne. „Jelena ist ja keine Ärztin, keine Pädagogin, keine Stadtplanerin, sondern einfach nur eine Mama.“ Heide Soldner, die Brkic über den Freundeskreis kennengelernt und das Frauen-Netzwerk zusammen gebracht hat, glaubt daran, dass die Serbin das schaffen kann. „Ihr Engagement und ihr Einsatz ist mir gleich aufgefallen.“ Sie habe sich als Streitschlichterin in der Nachbarschaftshilfe engagiert. Brkic hat zudem ehreamtlich im Café Nachbarschafft gearbeitet, wo mehrmals in der Woche ein Flüchtlingscafé stattfindet – unter anderem von Soldner im Herbst 2015 initiiert. Darüber kam die Serbin Brkic auch mit dem Mütterzentrum in Kontakt und sah dort, dass auch Frauen, die wenig haben, wieder träumen lernen können.

Die ganze Familie hat sich laut Soldner bemüht, schnell deutsch zu lernen, und Freunde im Stadtteil zu finden. „Jetzt geht sie mit leeren Händen zurück“, sagt die Flüchtlingshelferin. Brkics Mann hätte in der St. Anna-Klinik in Bad Cannstatt eine Bundesfreiwilligendienst-Stelle übernehmen können, erhielt aber keine Arbeitserlaubnis. Auch der Härtefallantrag der Familie ging nicht durch. „Die Leute gehen zurück, aber sie bleiben in unserem Bewusstsein“, sagt Soldner. „Ich kann das dann nicht einfach abhaken.“

Mit Laux setzt sie sich nun dafür ein, dass die Mütter in Belgrad bald einen eigenen Raum haben. Dann kann Jelena Brkic vielleicht das letzte Bild in ihr Album einkleben: ein Foto vom eigenen Haus für die Mütter aus ihrem Viertel.