Ein Duplikat des 210 Millionen Jahre alten versteinerten Urzeitfischs soll an dessen einstigen Fundort, Kirchenkirnberg, ausgestellt werden. Doch die Pläne lösen Streit aus.

Murrhardt - Der Fisch stinkt vom Kopf her, lautet ein Sprichwort. Aber der Kirnberger Fisch, der stinkt nicht, obwohl er 210 Millionen Jahre alt ist. Er kann nicht mehr müffeln, denn er ist zu Stein geworden. Das urweltliche Wirbeltier, gerade mal 27 Zentimeter lang und 9,5 Zentimeter breit, das viele Jahre im Murrhardter Stadtteil Kirchenkirnberg aufbewahrt wurde und seit langem neben einer Urschildkröte eines der wichtigsten Exponate im Murrhardter Naturkundemuseum Carl Schweizer ist, soll bald wieder an seiner alten Heimstatt droben im Wald zu sehen sein – allerdings nur als Abguss aus Kunstharz. Das Original bleibt, wo es ist, im Schweizer-Museum. Kein Grund also zu großer Aufregung.

 

Dennoch hat jetzt die Angelegenheit zu einem schweren Zerwürfnis zwischen dem Museumsbesitzer Rolf Schweizer und Eberhard Bohn, heimatkundlicher Aktivist und Mühlenfachmann aus Kirchenkirnberg, geführt. Letzterer hat sich als Besitzer des Urfisch-Duplikats dazu entschlossen, dieses zur Verfügung zu stellen, auf dass es in der Kirchenkirnberger Gemeindehalle mit erklärendem Text ausgestellt werden kann. Bohn sagt dazu: ,,Ich will, dass nicht in Vergessenheit gerät, was es mit dem Kirnberger Fischfossil auf sich hat.“

Lebenslanges Hausverbot für Museum verhängt

Doch die gute Absicht führte zum Streit, denn Rolf Schweizer fühlt sich offenbar übergangen. Bohn hatte jüngst mit dem Plüderhauser Geologieprofessor Manfred Krautter das Schweizersche Museum besucht, um sich an Ort und Stelle über den Original-Urfisch zu informieren. Danach warf Schweizer den beiden vor, sie hätten ihn hintergangen. „Das war unanständig und hinterlistig“, beschwerte sich Rolf Schweizer über den Besuch der beiden. Obendrein sei er nicht zu dem von Krautter und Bohn veranstalteten Vortragsabend über den Urfisch eingeladen worden. Die Veranstaltung sei zu dem Zeitpunkt noch gar nicht geplant gewesen, konterte Bohn. Rolf Schweizer freilich ließ sich nicht beschwichtigen, ebenso wenig sein Sohn Christian, der Eberhard Bohn telefonisch mit einem lebenslangen Hausverbot für sein Museum belegte.

Es ist eine lange Geschichte um den Kirnberger Fisch, die vor bald 60 Jahren für Aufsehen sorgte. Damals kam im nahen, längst stillgelegten Mettelberger Steinbruch eine paläontologische Rarität ans Tageslicht: ein Semionotus, wie Wissenschaftler das urzeitliche Flossentier bezeichnen. Ein aufmerksamer Steinbrucharbeiter aus Kirnberg hatte das versteinerte Relikt zwischen Felsbrocken gesichtet und es davor bewahrt, zermahlen zu werden. Er übergab den Fund dem Lehrer und Heimatforscher Wilhelm Nagel, angeblich im Tausch gegen ein Päckle Zigarren. Immer wenn Urgeschichte auf dem Stundenplan stand, holte Nagel den Fund aus der Schublade.

Das Fossil ist 210 Millionen Jahre alt

Was der Urfisch zu erzählen hat, darüber weiß der Plüderhauser Professor Manfred Krautter (56) einiges zu berichten. Laut dem Geologen mit dem Spezialgebiet Schwammriffe gehört das Flossentier zur Gattung der mit einer Art Körperpanzerung ausgestatteten Schmelzschupper. Die tummelten sich vor Jahrmillionen vor allem in seichten Küstengewässern. Ein ,,einmaliger Glücksfall“, war es laut Krautter, dass besagter Knochenfisch nach seinem Ableben sofort in tiefere Schichten absank und so nicht von Schlick und Sand zermahlen wurde. So war es möglich, dass der Kiemenatmer im unvorstellbaren Zeitraum von 210 Millionen Jahren unversehrt blieb und in aller Ruhe in den mineralischen Zustand übergehen konnte.

Als der Fisch verendete, habe sich die hiesige Landmasse in Äquatornähe befunden, erklärt Krautter. Eine nördliche Landdrift sorgte dafür, dass der Tropenfisch dort strandete, wo er Jahrmillionen später zum Vorschein kam – im Schwäbischen Wald. Entdeckt wurde er im Stubensandstein, einer Schicht, in der höchst selten versteinertes Getier gefunden wurde, für Krautter eine ,,Riesenseltenheit“.

Der Abkömmling aus dem Erdmittelalter, der immer wieder begehrliche Blicke auf sich zog, hatte über 20 Jahre seine Heimstatt in der Dorfschule von Kirchenkirnberg, weshalb man ihn auch Kirnberger Fisch nannte. Dann, Anfang der 1970er Jahre, wurde der Flecken mitsamt Schule und Fisch von Murrhardt geschluckt, fortan war er städtisches Eigentum. Jahrelang fristete er im Amtszimmer von Schultes Helmut Götz ein unscheinbares Dasein. Götz-Nachfolger Ulrich Burr gab später Order, den schuppigen Urzeit-Vertreter als kommunale Dauerleihgabe dem Schweizerschen Naturkundemuseum zu übergeben. Mit urzeitlichen Flossentieren kennt sich der Museumsbesitzer Rolf Schweizer aus, denn er ist promovierter Fischpaläontologe. Derzeit aber zeigt er sich höchst verwundert darüber, dass der Kirnberger Fisch auf einmal solche Wellen schlägt.