Von Köln ist das Musical „Bodyguard“ nach Stuttgart gekommen. Seine Qualität liegt in den verwendeten Ohrwurm-Hits von Whitney Houston. Als Theaterstück überzeugt die Film-Adaption nicht.

Stuttgart - Der Anfang ist ein Schock. Ein lauter Schlag aus den Lautsprechern, dann startet die Lightshow, dann wummern die Beats, dass es dem Publikum im Palladium-Theater durch Mark und Bein fährt, und dann erlebt man den Auftritt einer Diva, die eine Diva spielt. Aisata Blackman spielt Rachel Marron, eine Kunstfigur, hinter der sich jene Whitney Houston verbirgt, die 2002 im Film „Bodyguard“ mitspielte. Der Song „I will always love you“, den sie in diesem Streifen singt, wurde in der Folge zu Houstons größtem Hit, der sich unglaubliche 14 Wochen lang an der Spitze der US-Popcharts hielt, und aus dem Film ist 2012 ein Musical geworden, das 2015 von London nach Köln ging und nun in Stuttgart zu erleben ist: als Mischung aus Jukebox-Musical und der Adaption eines romantischen Films über eine unmögliche Liebe.

 

Die Musik ist klasse, mitreißend. Aisata Blackman als Rachel Marron und Zodwa Selele als ihre Schwester Nicky singen sechzehn Songs von Whitney Houston so, wie das die von allerlei Drogen, vielleicht auch vom Leben als Künstlerin ausgezehrte Popikone bis zu ihrem frühen Tod 2014 immer weniger konnte: kernig, soulig und ungemein kraftvoll. „One moment in time“, „I wanna dance with somebody“, „Run to you“, „How will I know“ und, natürlich und vor allem, „I will always love you“: Diese wundervollen Ohrwürmer trägt man alle schon im Herzen, bevor man das Theater betritt, und so packen einen die Klang gewordenen Gefühle rasch wieder am Wickel. Dass Zodwa Selele dabei noch eine Spur ausdrucksvoller wirkt als die Hauptdarstellerin des Stücks, mag auch ihrer Rolle geschuldet sein – auf der Bühne wirken negative Charakterzüge einfach immer interessanter als positive, und Seleles Nicky setzt zwar nicht wie im Film einen Killer auf ihre Schwester an, verliebt sich aber in denselben Mann.

Whitney-Houston-Songs sind nichts für Männer

Die beiden Sängerinnen bleiben allein. Whitney-Houston-Songs sind nichts für Männer. „Bodyguard“ hat auch keinen Chor, und der Titelheld ist nur ein Schauspieler, der gut aussieht. Im ersten Teil des Musicals wurde die gestraffte Filmhandlung um eine Szene in einer Karaoke-Bar ergänzt, in der Jadran Malkovich den größten Hit des Stücks so herzzerreißend falsch intoniert, dass das Publikum sich ausschüttet vor Lachen über eine derart lustige Musical-Selbstironie („Keine Bange, Süße“, kommentiert der DJ auf der Bühne, „hier kann keiner singen.)“. Singen kann neben den zwei Damen immerhin noch Rachels Sohn Fletcher, und der Junge Fabian, der ihn in Stuttgart frech und sympathisch verkörpert, erweist sich vokal wie tänzerisch als großes Talent.

So hat die musikalische Seite des Abends etwas leicht Eindimensionales, und die physische Abwesenheit des Orchesters verstärkt diesen Abend noch zusätzlich. Unter dem Bühnenboden wurden zwei Abschussrampen eingebaut, die Tänzer des Ensembles mehrfach sekundenschnell und äußerst wirkungsvoll auf die Bühne katapultieren, und die Musik der Band kommt aus den Lautsprechern. Die Übertragung ist gut, basslastig, manchmal sehr laut. Aber das Ganze müffelt ein wenig nach Retorte; das Live-Gefühl fehlt.