Eine sieben Meter lange Klaviertastatur und zwei Spieler unterhalten im Hauptbahnhof die Reisenden. Die Künstler träumen davon, dass zwei sich auf ihrem Instrument verlieben.

S-Mitte - Leichtfüßig und elegant springen Dennis Volk und Leslie Lynn durch den Hauptbahnhof. Passanten bleiben neugierig stehen, zücken ihre Smartphones und filmen das Duo oder lauschen einfach nur den Melodien, die bei der Show-Einlage erklingen. Volk und Lynn hüpfen nicht einfach so durch die Gegend, sondern von Taste zu Taste einer sieben Meter langen Klaviertastatur, die am Mittwoch und Donnerstag in der Schalterhalle im Hauptbahnhof aufgebaut war.

 

Riesen-Klavier für vier Füße

Walking Piano heißt das Instrument. Es erzeugt Töne wie ein richtiges Klavier. „Die besondere Herausforderung ist es, die Melodie nicht mit zehn Fingern zu spielen, sondern mit seinen beiden Füßen – und das Ganze noch mit seinem Partner zu koordinieren“, sagt Leslie Lynn nach einer 15-minütigen Vorführung vor zahlreichen Zuschauern.

Das Repertoire reicht von Beethovens Für Elise über den Charthit Bella Ciao bis zum Soundtrack der Filmreihe Fluch der Karibik. Volk und Lynn spielen und tanzen diese Melodien in der Bahnhofshalle. Artistische Showeinlagen hat die gelernte Tänzerin Leslie Lynn im Blut.

Der Auftritt endet mit einer Szene aus dem Film Big mit Tom Hanks. Denn dieser Film und das dort gezeigte Walking Piano war der Ideengeber für das Konzept von Dennis Volk und Leslie Lynn. Mit dem sind sie derzeit in ganz Deutschland unterwegs. Ihre Aktion soll in erster Linie eines bewirken: Die Passanten sollen kurz aus ihrem Alltag entfliehen. Und weil das am besten geht, wenn die Zuschauer zu Musikern werden, steht nach dem Auftritt von Lynn und Volk die Tastatur für alle offen. Nach einigen verstohlenen Blicken und dank der Überredungskünste der Künstler trauen sich ein paar Reisende. Sie ziehen ihre Schuhe aus und springen auf die Tasten. „Es macht großen Spaß. Ich spiele selbst Klavier, und das Umdenken vom Spiel mit den Händen auf das mit den Füßen ist wirklich spannend“, sagt ein Passant.

Das Piano bringt Menschen zusammen

Auch wer kein Klavier-Virtuose ist, kann auf dem Instrument Spaß haben. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Die Tasten leuchten im richtigen Moment auf, sodass man weiß, wohin man als Nächstes springen muss. „So kann jeder in seinem Tempo spielen“, erklärt Lynn.

Das beweist eine Frau, die mit ihrer Tochter und ihrem Enkel das Walking Piano zunächst beobachtet hat und dann selbst ein Tänzchen wagt: „Sonst bin ich gar nicht musikalisch, aber das hier ist einfach und ein toller Spaß“, lautet ihr Fazit. Der fünfjährige Enkel ist ebenso begeistert wie die Oma. „Das ist das Großartige am Walking Piano; es ist etwas für Kinder, aber auch für Erwachsene. Sobald die Menschen das Klavier betreten, leuchten ihre Augen. Das gefällt mir“, sagt Dennis Volk. Am meisten Spaß mache es jedoch, gemeinsam das Instrument zu erkunden. Das bestätigt auch eine Studentin: „Ich bin auf dem Weg zur S-Bahn, habe das hier gesehen und einfach ausprobiert. Jetzt überlege ich, ob ich eine Freundin anrufen soll, damit sie auch herkommt, weil es so cool ist und Spaß macht.“ Aber auch ohne die Freundin findet die junge Frau schnell einen Mitspieler, der mit ihr auf die Tasten springt.

Das ist ein Phänomen, das die beiden Künstler häufiger beobachten: „Das Walking Piano bringt Menschen zusammen, die sonst nie miteinander sprechen würden. Das ist schön für uns. Unser Traum ist es, dass sich jemand auf unserem Walking Piano kennenlernt und verliebt. Auf der anschließenden Hochzeit würden wir auch kostenlos auftreten“, sagt Dennis Volk und lacht.