Seit mehr als vierzig Jahren fördert die Musikinitiative Rock die Livemusik in Stuttgart. Jetzt hat der Verein eine neue Geschäftsstellenleiterin. Wo will sie ansetzen?

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Die Popmusik ist weiterhin in einem coronabedingten Dornröschenschlaf. Bei der Musikinitiative Rock (MIR) tut sich trotzdem was: Der Verein, der Livemusik in Stuttgart fördern soll, hat mit Lena Keuerleber eine neue Geschäftsstellenleiterin. Gabriel Bulik tritt nach 22 Jahren ab. Im Doppelinterview erklären der alte Leiter und die neue Leiterin, was in Stuttgart fehlt – und wo sie mit Förderung eingreifen wollen.

 

Herr Bulik, was hat sich in der Musikszene in Stuttgart verändert, seit Sie vor 22 Jahren als Leiterder MIR-Geschäftsstelle anfingen?

Bulik Obwohl die sogenannte Unterhaltungsmusik damals noch nicht so anerkannt war, gab es viel mehr Konzertlocations. Vor allem durch Stuttgart 21 ist viel Freiraum für die Musikszene verloren gegangen, zum Beispiel der Landespavillon und die Röhre. Die MIR hat über die Jahre an vielen Orten Konzerte veranstaltet, unter anderem im Classic Rock Café, LKA, Zwölfzehn, Keller Klub, Kap Tormentoso, in der Conditorei und der Rockfabrik Ludwigsburg, Viele dieser Clubs gibt es nicht mehr. Aber Wandel bringt auch Chancen. Wir haben beispielsweise bei „Mit MIR in die Kiste“ im Jazzclub gerockt.

Was waren Ihre persönlichen Highlights?

Bulik Natürlich die Konzerte. In manchen Jahren habe ich über 50 Gigs organisiert. Das 25-Jahr-Jubiläum 2003 im Theaterhaus bleibt im Gedächtnis. Als Initiator des Pop50-Projekts der Kulturregion haben wir 2005 eine Ausstellung im Rathaus organisiert und auch die Art-Parade 2009 war eindrucksvoll, als wir gegen die geplanten Kürzungen der Stadtverwaltung im Kulturbereich erfolgreich Sturm gelaufen sind. Das war die erste Kulturdemo in Stuttgart.

Frau Keuerleber, was sind Ihre dringendsten Aufgaben nach dem Start?

Keuerleber Definitiv das Thema Proberäume. Der Vertrag für unser Proberaumzentrum am Pragsattel läuft zum 30. Juni aus. Wir haben neue Räumlichkeiten gefunden und ziehen im Herbst nach Zuffenhausen um, mit rund 20 Proberäumen und mehr als 30 Bands. Wenn das geschafft ist, entsteht neuer fruchtbarer Boden für die Szene.

Und dann?

Keuerleber . . geht es darum, neue Livelocations zu finden, Konzertreihen aufzubauen und die freie Szene zu unterstützen. Hier sehe ich die soziokulturellen Zentren genauso als Partner wie die Stuttgarter Clubs und andere Spielstätten. Ich freue mich schon auf den musikalischen Neubeginn nach Corona.

Wo muss man Sie in der Stuttgarter Poplandschaft verorten?

Keuerleber Ich bin in Stuttgart aufgewachsen. Man findet mich an den Waggons, bei Contain‘t, in Container City und überall dort, wo Menschen zusammen etwas erschaffen ohne kommerziellen Hintergedanken. Die Subkultur liegt mir am Herzen, jede Hochkultur braucht auch eine Subkultur. Und ich mag es, wenn sich Kunst interdisziplinär begegnet.

Rockmusik ist nicht mehr die meistgehörte Musikrichtung. Die MIR hat ja „Rock“ im Namen. Ist das ein Problem?

Bulik Auch andere Genres können rocken, und die MIR hat ja nicht nur Rockkonzerte veranstaltet. Wir legen Wert auf die Förderung der Musikszene in all ihren Facetten, speziell von Nachwuchsbands. Die von der MIR veranstalteten Finals des Bandcontests „BW Rockt“ waren auch das Sprungbrett für Gruppen wie Pur und Die Happy.