Anna Schmidt-Oehm legt als DJ Änna HipHop auf – und hat einen Doktortitel in Biologie. Wir stellen sie und andere promovierte DJs in einer Serie vor.

Der Mensch ist nichts anderes als das, wozu er sich macht.“ Mit diesem Grundsatz hat schon der französische Philosoph Jean-Paul Sartre die Notwendigkeit von Entscheidungen im Leben proklamiert. Stehen wir doch immer wieder vor der Wahl, die eine oder andere Richtung einzuschlagen, diesen oder jenen Weg zu gehen – und unser Leben damit womöglich grundlegend zu verändern.

 

Eine Entscheidung fürs Leben hat vor einigen Jahren auch Anna Schmidt-Oehm getroffen. Denn sie hatte die Wahl zwischen Laborkittel und Plattenteller, zwischen Musik und Forschung. Sie stellte sich die Frage: Lieber die Anophelesmücke als Malariaüberträger untersuchen oder das feierhungrige Partypublikum zum Tanzen bringen? Das Forschen hat sie zwar immer fasziniert. Entschieden hat sich die 35-Jährige aber letztendlich für die Musik.

Anna kennt sich mit Hip Hop und mit Parasiten gut aus

Als DJ Änna legt sie seit Ende der 1990er-Jahre bei diversen Partys Hip Hop auf, beispielsweise früher im Club Prag und bis heute beim Hip Hop Donnerstag im Tonstudio an der Theodor-Heuss-Straße oder im Cue am Rotebühlplatz, das bis vor Kurzem noch Speakeasy hieß. Doch nicht nur mit rhythmischen Beats kennt sie sich gut aus. Auch wenn es um krankheitserregende Parasiten geht, ist Anna Schmidt-Oehm ganz in ihrem Element. Denn über dieses Thema hat die Stuttgarter DJane ihre Doktorarbeit in Biologie an der Uni Tübingen geschrieben.

Gebraucht hätte sie den Doktortitel für eine Karriere an den Plattentellern sicherlich nicht. Bekommen wollte sie ihn trotzdem. Denn noch kurz vor dem Abschluss ihrer Promotion, erzählt Anna, sei ihr noch nicht hundertprozentig klar gewesen, ob sie lieber als Biologin oder als DJane ihr Geld verdienen möchte. „Ich hatte immer schon ein großes Interesse an der Biologie, aber eben auch an der Musik“, sagt die 35-Jährige. „Aber es wäre schwierig geworden, gleichzeitig in der Forschung und im Nachtleben zu arbeiten. Daher habe ich mir nach der Promotion ein halbes Jahr gegeben, um auszuprobieren, wie es mit dem Auflegen alleine klappt.“

Tagsüber gibt die 35-Jährige DJ-Workshops für Jugendliche

Seither sind sieben Jahre ins Land gegangen. Sieben Jahre, in denen Anna ihre Entscheidung für die Plattenteller nie bereut hat. Die Musik begleitet die zierliche, sympathische Blondine aber nicht nur in der Clubszene, wenn sie beispielsweise mit ihrer Kollegin Denise Grupp alias D-Nice für die passenden Klänge sorgt. Auch tagsüber widmet sich Anna gerne ihrer künstlerischen Leidenschaft. Sie bietet DJ- und Audiotechnik-Workshops für Jugendliche an, ist bei der Produktion „Uwe Schenk trifft“ im Theater Rampe für die Bildregie zuständig und organisiert eigene Partys.

Sich all das zu erarbeiten, fiel Anna Schmidt-Oehm schon als Jugendliche nicht schwer. Mit 15 Jahren fing sie an, Platten zu sammeln, sparte sich den ersten Plattenspieler und das erste Mischpult zusammen und ließ sich vom DJ eines Stuttgarter Plattenladens die Grundlagen des Auflegens beibringen. Schon bei ihren ersten Auftritten in Jugendhäusern, erzählt sie, sei sie auch von ihren männlichen Kollegen ernst genommen worden. „Man sagt mir eine natürliche Autorität nach, die scheint auch auf Jungs zu wirken“ sagt die gebürtige Stuttgarterin augenzwinkernd. „Aber natürlich weiß man vor einem solchen Auftritt, wie man zum Beispiel den Plattenspieler anschließt, um sich da keine Blöße zu geben.“

In der Hip Hop-Szene hat sich Anna längst etabliert

Anna muss längst keine Angst mehr vor einer Blamage haben. Schließlich hat sie sich in der hiesigen Hip Hop-Szene schon lange etabliert. Und obwohl sie, wie sie einräumt, „manchmal auch gerne auf dem Sofa bleiben würde“ statt ihr DJ-Set zu spielen, macht ihr der Job immer noch viel Spaß. Deshalb soll auch ihre Zukunft der Musik gehören – Doktortitel hin oder her. „Selbst auflegen werde ich in 15 Jahren wahrscheinlich nicht mehr. Aber Veranstaltungen und Workshops organisieren kann ich auch noch mit 50.“