Der Musikverein Stetten (Leinfelden-Echterdingen) kann wegen der Corona-Krise nicht mehr gemeinsam proben. Doch man trifft sich virtuell. Und das hat einen ganz wichtigen Grund, wie die Mitglieder erklären.

Stetten - In Zeiten wie diesen ist Kreativität gefragt. Das gilt auch für den Musikverein Stetten. Statt der Suche nach dem passenden Ton gibt es in den Proben jetzt den Witz der Woche. Und solange unklar ist, wann der nächste Auftritt stattfinden kann, tauscht man statt der Noten Kinderbilder oder Urlaubserinnerungen aus. Seit rund zwei Wochen treffen sich die Mitglieder der aktiven Kapelle zur regulären Probenzeit im virtuellen Vereinsheim auf der Internetplattform Zoom und sorgen mit unkonventionellen Ideen dafür, dass die Stimmung nicht kippt.

 

Man müsse jetzt unbedingt positiv bleiben

Steffi Zährl ist eine zupackende Frau, die vor allem eine Richtung kennt: immer weiter voran. Daran hat sich auch in der Corona-Krise nichts geändert. Für die Vorsitzende des Musikvereins war deshalb klar: „Auch wenn wir uns nicht mehr persönlich treffen können, ist es wichtig, dass wir uns sehen und die Gemeinschaft pflegen.“ Es sollte eine Oase entstehen, die für den Zusammenhalt steht. „Wir müssen positiv bleiben und dürfen das Lachen nicht vergessen“, lautet ihr Credo. Vor drei Wochen ging deshalb die erste Rundmail mit der Einladung zur virtuellen Probe an die Musikerkollegen.

Da stand schon fest: An ein gemeinsames Musizieren übers Internet war nicht zu denken. „Wir haben das in einer kleinen Gruppe ausprobiert. Es war aber wegen der verzögerten Datenübertragung nicht möglich, die einzelnen Beiträge zu synchronisieren“, erzählt Zährl. Um die Ohren zu schonen, gibt es deshalb für jeden Abend ein Motto, das die Teilnehmer miteinander ins Gespräch bringt. Zum Auftakt war eine Kopfbedeckung gefragt, und die Vereinsvorsitzende nahm mit dem rosafarbenen Trachtenhut aus ihrer Faschingskiste vor der Webcam Platz.

Damit nicht alle durcheinanderreden

Zehn Musikanten schalteten sich beim ersten Treffen pünktlich um 20 Uhr zu und verbrachten zwei Stunden mit Rückenübungen, Witzeerzählen und der Vorstellung einer Rezepte-App. Auch neue Talente wurden sichtbar: Daniel Müller unterhielt die Gruppe mit einem Gitarrensolo. Ein Kollege zeigte eine kabarettistische Einlage als Vertreter für Gemüsehobel. Steffi Zährl und Vereinskollegin Petra Eisele gaben den Takt vor und verhinderten, dass alle durcheinanderreden.

„Wir haben ein Motto, und wir moderieren die virtuellen Vereinsabende. Ansonsten kann sich jeder mit eigenen Ideen einbringen“, erzählt Zährl. Das funktioniert so gut, dass sich beim zweiten Montagstreffen gleich 24 Mitglieder in die Videokonferenz einwählten. Diesmal hielt jeder ein Kinderbild von sich in die Kamera und erzählte, was er damit verbindet. Beim nächsten Termin stellen die Teilnehmer ihr Lieblings-Urlaubsziel der vergangenen fünf Jahre vor.

Kontakt zu Leuten mit denselben Interessen

Die Musikanten sind im neuen Übungsformat genauso engagiert bei der Sache wie bei den wöchentlichen Treffen mit dem Instrument. „Für mich war die Musikerprobe immer eine Art Erholung vom Alltag. Es ging nicht nur ums Musizieren selbst, sondern auch um den Kontakt zu Personen, mit denen mich die gleichen Interessen verbinden“, sagt Josef Kessler, der sich darüber freut, dass der Verein in der aktuellen Situation weiter als Mutmacher dient.

Doch natürlich schwingt das Bedauern darüber, dass das gemeinsame Musizieren Pause hat, bei allen mit. Dagegen hat Dirigent Dominik Wagner passende Rezepte. Er sorgt dafür, dass daheim fleißig weiter geübt wird. Die Musik-App Tonestro übernimmt nun die Rolle des kritischen Lehrmeisters. Und weil es dort für die musikalische Leistung Punkte gibt, haben sich schon einige Vereinsmitglieder für einen kleinen Wettbewerb vernetzt.

Der Dirigent hat ein ganz besonderes Videoprojekt gestartet

Doch damit nicht genug. Not macht erfinderisch, und deshalb hat der Komponist und Dirigent das Projekt DDO gestartet. Dahinter verbirgt sich Dominiks Digital Orchestra bei dem er allen Musikern seiner sechs Vereine das gemeinsame Musizieren auf digitalem Weg ermöglichen will. Er hat ein Dirigiervideo seines neuen Werkes „Joint Apart“ aufgenommen und gemeinsam mit einer Anleitung und den entsprechenden Noten ins Netz gestellt.

Jetzt sind die Akteure in den Musikvereinen aufgefordert, ihren jeweiligen Part zu spielen und sich dabei zu filmen. Die Videos will der Dirigent dann zusammenfügen. Wird das gut klingen? „Ich habe keine Ahnung“, sagt Dominik Wagner. Doch das ist für ihn ohnehin nicht das Wichtigste. Was zählt ist: „Lasst es uns gemeinsam herausfinden.“