Der Musikverein Rutesheim wurde im Jahr 1921 gegründet, konnte aber 2021 wegen der Coronapandemie keine 100-Jahr-Feierlichkeiten begehen. Im nachgeholten Jubiläumsjahr spielt nun das Musikkorps der Bundeswehr ein Benefizkonzert in der Bühlhalle.

In den Weltenlauf des traditionsreichen Musikvereins Rutesheim hat Corona auch eingegriffen. Der Verein wurde am 20. Februar 1921 gegründet, und so sollte 2021 ganz im Zeichen des großen Jubiläums stehen. Doch wegen der Seuche kam alles anders – aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, und so feiert der Verein mit seinen rund 200 Mitgliedern nun in diesem Jahr. Ein Höhepunkt im Festjahr ist zweifelsohne das Benefizkonzert des Musikkorps der Bundeswehr am Dienstag, 6. September.

 

In der Coronazeit keine Mitglieder verloren

„Es ist ein großer Aufwand und eine erhebliche Herausforderung gewesen, das Programm des Festjahres auf die Beine zu stellen“, sagt der Vereinsvorsitzende Gunter Walter. Bereits 2021 habe man immer wieder versucht, das Jubiläumsjahr zu „retten“. Doch ohne Erfolg, denn Corona hat immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber ein Verein, der auf zuverlässige ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zählen kann, kriegt das Problem gestemmt. „Wir haben Corona im Großen und Ganzen gut überstanden“, freut sich der Vereinsvorsitzende.

Das hat sich nicht nur bei der historischen Ausstellung zur Vereinsgeschichte in der Christian-Wagner-Bücherei gezeigt, die den Auftakt des Festjahres bildete. Auch der Auftritt beim Fleckenfest war ein Erfolg, ebenso das vereinseigene „Weißbierfest“. „Kein Mitglied hat den Verein in der Pandemiezeit verlassen und auch alle unsere Musikerinnen und Musiker sind wieder voll an Bord“, berichtet Gunter Walter.

35 Frauen und Männer spielen im großen Blasorchester des Vereins. Bis zu 15 Jugendliche treffen sich aktuell in dem im Aufbau befindlichen Ensemble „Modern Music“. Der Verein ist Mitglied im Kreisverband Böblingen des Blasmusikverbands Baden-Württemberg.

Private Kontakte zu Bundeswehr-Musikern

Doch wie kommt man an eines der hochkarätigsten Ensembles der Blasmusikszene in Deutschland – das Musikkorps der Bundeswehr? „Eine unserer Musikerinnen hat in einem Bundeswehr-Orchester mitgewirkt und von da stammen die Kontakte“, ist Gunter Walter froh. Auch kenne man die Musik dieses renommierten Instrumentalensembles, das einen richtungsweisenden Maßstab für die Blasmusikszene in Deutschland setzt, von Konzertbesuchen.

„Im Musikkorps der Bundeswehr sind letztendlich die besten Instrumentalisten der Bundeswehr vereint“, sagt der Vorsitzende des Rutesheimer Musikvereins. Anspruchsvolle Blasmusik und hochwertige Bearbeitungen klassischer Werke würden ebenso zum Konzertprogramm gehören wie Märsche und gehobene Unterhaltungsmusik. Dieses Können wolle man nun bei dem Benefizkonzert in Rutesheim dem Publikum zu Gehör bringen.

Für den Verein ist das Benefizkonzert zudem ein wahrer finanzieller Segen, denn der Erlös kommt der Jugendarbeit zugute. Die Musiker der Bundeswehr verzichten nämlich auf die Gage. Der Verein begleicht lediglich Fahrt- und Verpflegungskosten. Zudem stellt er die Technik und die Beleuchtung. „Doch hier können wir mit der in Rutesheim üblichen großzügigen Unterstützung der Stadt rechnen, nicht nur weil Bürgermeisterin Susanne Widmaier die Schirmherrin des Konzertes ist“, ist Gunter Walter dankbar. Das Geld kann der Verein gut gebrauchen, denn mehr als 80 Kinder und Jugendlicher werden aktuell hier musikalisch ausgebildet – und deren Beitrag ist nicht kostendeckend.

Musikvereine sprießen in den 1920er Jahren

Warum in Rutesheim 1921 ein Musikverein gegründet worden ist, weiß man nur aus mündlichen Überlieferungen. Demnach wurde der erste Dirigent, Paul Schlitter, um 1919 vom noch jungen Posaunenchor gefragt, ob er als professioneller Militärmusiker nicht helfen könne. Das war musiktechnisch nicht möglich. Weil Schlitter in seiner Freizeit dennoch Blasmusik in der Gruppe machen wollte, begann er, seine Nachbarschaft in der Hofrainstraße – überwiegend Handwerker – auszubilden.

Die erste Eintragung im ältesten Versammlungsbuch des Musikvereins stammt vom 20. Februar 1921. Er ist damit einer der ältesten Vereine in Rutesheim. Die Entstehung eines Musikvereins war um das Jahr 1920 im Altkreis Leonberg durchaus keine Besonderheit. In Heimsheim etwa wurde 1919 die Stadtkapelle als „Musikverein Frohsinn“ als Teil der Feuerwehr gegründet. Der Musikverein Höfingen trägt das Geburtsjahr 1925. Die ersten Mitglieder waren zuvor aus dem Posaunenchor ausgeschlossen worden, da die Mitgliedschaft dort zugleich den Besuch einer Tanzschule ausschloss.

Neuer Dirigent sorgt für frischen Schwung

Die konstituierende Sitzung in Rutesheim fand am 20. Februar 1921 im Gasthaus Adler statt. Einziger Tagesordnungspunkt war die Wahl einer Vorstandschaft: erster Vorsitzender wurde Gottlieb Duppel, zweiter Vorsitzender Friedrich Bolay, Kassier wurde Wilhelm Eisenhardt und Schriftführer Jakob Eisenhardt. Mit der Aufnahme ins Vereinsregister durfte zukünftig die Bezeichnung „Musikverein Rutesheim“ geführt werden.

Der Verein hatte es nicht einfach. Die Protokolle verzeichnen keine Einträge. Aber ein neuer Dirigent namens Rommetsch sorgte für mehr Elan. Er war zuvor Wachtmeister beim Trompeterchor des Reiter-Regiments 18. Die militärische Herkunft machte sich schnell bemerkbar und er brachte frischen Wind in die Musikerschar.

In der Nazizeit wird dem Verein das Musizieren untersagt

Für das Herbstfest 1926 wurde dann eine neue Uniform organisiert: rosa Hemd, weiße Hose und dazu eine weiße Mütze. In der Zeit des Nationalsozialismus hat der noch junge Verein zahlreiche Einschränkungen erfahren. Ob Gleichschaltungsgesetz oder lokale Bestimmungen: Der Musikverein wurde schon weit vor Kriegsbeginn politisch in die Mangel genommen. 1937 wurde ihm das Musizieren sogar ganz untersagt. Die Musiker hatten sich mit den örtlichen NSDAP-Mitgliedern und der SS angelegt.

Den Nazis war neben der politischen Einstellung auch die Uniform der Musiker ein Dorn im Auge. Doch die Musiker trafen sich heimlich zur Probe. Im September 1939 kam das Vereinsleben dann vollständig zum Erliegen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat der Musikverein Rutesheim sich neu gegründet und eine stete Aufwärtsentwicklung erfahren. Heute ist er aus dem Vereinsleben der Stadt nicht mehr wegzudenken.

Benefizkonzert

Musikkorps der Bundeswehr
 Als Höhepunkt der 100-Jahr-Feierlichkeiten ist es dem Musikverein Rutesheim gelungen, ein Benefizkonzert mit dem Musikkorps der Bundeswehr auf die Beine zu stellen. Der Erlös fließt in die Jugendarbeit des Vereins. Das Konzert findet am Dienstag, 6. September, um 19.30 Uhr e in der Bühlhalle II. Einlass ist ab 18.30 Uhr.

Tickets
gibt es für 20 Euro, ermäßigt 18 Euro, zu kaufen. Der Vorverkauf läuft per E-Mail an tickets@musikverein-rutesheim.de sowie bei One Bookstore, in der Avia-Tankstelle und in der Christian-Wagner-Bücherei in Rutesheim. Restkarten sind am 6. September an der Abendkasse zu haben.