Die muslimische Kongressabgeordnete Ilhan Omar wird zur Zielscheibe des US-Präsidenten. Hält sie dem Druck stand?

Washington - Sie lasse sich bei ihrer Arbeit nicht stören, twitterte Ilhan Omar, als sie zur Zielscheibe hässlicher Attacken geworden war. „Schickt sie zurück!“, hatten Anhänger des US-Präsidenten auf einer Kundgebung in North Carolina skandiert, nachdem Donald Trump die Kongressabgeordnete und drei ihrer Kolleginnen aufgefordert hatte, in die Länder zurückzukehren, aus denen sie gekommen seien. Das Wesen des Rassismus sei es doch, von den eigentlichen Aufgaben abzulenken, zitiert Omar die Schriftstellerin Toni Morrison. Sie aber habe nicht vor, sich ablenken zu lassen, schiebt sie hinterher, ohne auf die „Send her back!“-Sprechchöre einzugehen.  

 

Mehr Flüchtlinge ins Land

Im November ins Repräsentantenhaus gewählt, hat die zierliche Frau Geschichte geschrieben. Gemeinsam mit Rashida Tlaib aus Michigan ist sie die erste Muslimin im Kongress. Sie ist die Erste, die im Parlament ein Kopftuch trägt, bisweilen auch einen Hidschab, der nicht nur die Haare, sondern auch den Hals bedeckt. 2017 war sie die erste Frau somalischer Abstammung, die in die Abgeordnetenkammer Minnesotas einzog.

Bei den Demokraten gehört die 36-Jährige eindeutig zum linken Flügel, für den am markantesten Bernie Sanders steht, der – nominell parteilose – Senator, dessen Präsidentschaftskandidatur sie unterstützt. Omar plädiert dafür, sämtliche Studienschulden zu erlassen, um Uni-Absolventen eine Last abzunehmen, an der viele ein halbes Berufsleben lang zu tragen haben. Sie will deutlich mehr Flüchtlinge ins Land lassen und fordert die Abschaffung der Einwanderungskontrollbehörde ICE, einer Behörde, die Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung aufspüren und abschieben soll. Allerdings geriet sie bei den Demokraten wegen antisemitischer Tiraden in die Kritik. Viele Abgeordnete im Kongress, behauptete sie, stünden nur deshalb auf der Seite Israels, weil sie von einer Lobbygruppe, dem American Israel Public Affairs Committee, bezahlt würden. Omar entschuldigte sich und löschte den Tweet, was nichts daran änderte, dass Trump sie bis heute als ausgemachte Feindin Israels charakterisiert.

Aus Somalia in die US-Politik

Zudem unterstellt er ihr eine verdächtige Nähe zum Terrornetzwerk Al-Kaida. „Einige Leute haben etwas getan, und wir alle begannen unsere bürgerlichen Freiheiten einzubüßen“, sagte sie auf einer Konferenz im März über die Anschläge am 11. September 2001 und deren innenpolitische Folgen. Trumps PR-Team unterschlug den zweiten Halbsatz und unterlegte die Worte mit Bildern der brennenden Zwillingstürme in Manhattan. Ilhan Omar, so wird suggeriert, verharmlose einen Terrorangriff. Einer Faktenprüfung hält das ebenso wenig stand wie das Gerücht, sie habe einen ihrer Brüder geheiratet, um ihm ein Leben in Amerika zu ermöglichen.

Ilhan Omar wurde 1982 in Mogadischu geboren. Um dem Bürgerkrieg in Somalia zu entkommen, floh ihre Familie ins Nachbarland Kenia, wo sie vier Jahre in einem Lager verbrachte. Ein Asylantrag in den USA hatte schließlich Erfolg. Als sie mit zwölf Jahren in der Neuen Welt ankam, sprach sie kein Wort Englisch – bis auf „Hello“ und „Shut up“ („Halt den Mund“). Mit 17 erwarb sie die US-Staatsbürgerschaft, nach einem Studium der Politikwissenschaften wurde sie Sozialarbeiterin, ehe sie eine politische Laufbahn einschlug.

Ihr Vater und ihr Großvater, sagt sie, hätten früher immer geschwärmt von einem Amerika, das jedem Wohlstand biete und in dem es fair zugehe. Sie selber habe diesen Traum eher belächelt. Und doch kämpft sie dafür, dass er wahr wird.