Dass die Tempoblitzer in der Cannstatter Straße für lange Zeit ausfallen, freut viele Autofahrer, die in den Überwachungsanlagen in Stuttgart eher Abzocke sehen. Was aber blüht dem Unfallverursacher?

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Manche glauben ja, er hätte das mit Absicht gemacht. Wer trifft schon so zielsicher zwei Blitzersäulen auf dem Mittelstreifen – auf kerzengerader Strecke? „Dafür spricht allerdings wenig“, sagt Polizeisprecher Johannes Freiherr von Gillhaußen. Auf den 41 Jahre alten Seat-Fahrer, der am Donnerstagnachmittag mit seinem Wagen eine Tempoüberwachungsanlage auf der Cannstatter Straße zerstört hat und den Verkehr zeitweise lahm legte, wartet wohl auch kein Ermittlungsverfahren. Allenfalls ein Verwarnungsgeldbescheid von 35 Euro.

 

Der relativ neue Seat Cupra Kombi war am Donnerstag gegen 14.45 Uhr auf der Fahrt vom Schwanenplatztunnel stadteinwärts in Richtung Neckartor nach links abgekommen und in das Ensemble zweier Blitzersäulen gekracht. Die Anlagen wurden aus der Verankerung gerissen, Trümmerteile blieben auch auf der Busspur der Schnellbuslinie X 1 auf der Gegenfahrbahn liegen. Die war zum Glück nicht befahren – ohne die abgetrennte Spur wären außerdem wohl unweigerlich Autos im Gegenverkehr betroffen gewesen.

Auch die Tochter kommt mit dem Schrecken davon

Absicht steckte wohl kaum dahinter – wofür Polizeisprecher von Gillhaußen zwei Anhaltespunkte hat: „Der Mann hat sich nicht gerade darüber gefreut, dass sein 30 000 Euro teures Auto einen Totalschaden erlitt“, sagt er. Außerdem saß noch seine acht Jahre alte Tochter im Wagen – sie kam bei der Kollision wie auch ihr Vater mit dem Schrecken davon. Als Ursache wird Unaufmerksamkeit vermutet – Alkohol- oder Medikamenteneinfluss sei nicht nachgewiesen worden. Ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten wird mit 35 Euro Verwarnungsgeld bestraft.

Doch hoffentlich ist er gut versichert: Nach Einschätzung der Verkehrsbehörde der Stadt dürfte die Anlage mindestens drei Monate außer Gefechtgesetzt sein. „Die Verkehrsüberwachung hat mit dem Hersteller Kontakt aufgenommen“, sagt Stadtsprecher Sven Matis. Die Reparatur dauere so lange, weil die Anlagen zum Hersteller gebracht und ein Kostenvoranschlag eingeholt werden müsse. Zudem werde die betroffene Versicherung ein Schadengutachten erstellen. Die Schadenshöhe ist noch unklar – die Polizei schätzt ihn auf mindestens 100 000 Euro.

Anschlag in der Theodor-Heuss-Straße

Der bis dato letzte Unfall in Stuttgart mit einer stationären Anlage spielte sich laut Matis im Jahr 2015 ab – ebenfalls auf der Cannstatter Straße, etwa 200 Meter entfernt an der anderen Anlage. „Weil der Schaden da deutlich geringer war, konnte diese Anlage innerhalb von zwei Monaten wieder in Betrieb genommen werden.“

Dabei sind es weniger die Unfälle als vielmehr gezielte Sachbeschädigungen, die Blitzkästen unbrauchbar machen sollen. Im Juni 2018 etwa wurde die Blitzeranlage auf der Theodor-Heuss-Straße ins Visier genommen. Die Täter beschädigten das Panzerglas vor der Kamera. Die Anlage funktionierte trotzdem: „Die Beschädigung war binnen zwei Tagen behoben“, so Matis.

Stadt sieht Häme mit Sorge

Die stationären Säulen sowie ein weiterer Blitzer-Anhänger am Neckartor sollen den Verkehr auf Tempo 50 beziehungsweise 40 bremsen und damit den Verkehr flüssiger halten: „Ein wichtiger Beitrag zur Luftreinhaltung“, sagt Stadtsprecher Matis. Er beobachte mit Sorge, dass der Unfall mit reichlich Häme kommentiert und der Unfallfahrer als unfreiwilliger „Held“ verunglimpft werde. Die Säulen blitzten bis November 2018 etwa 15 000 Temposünder.

Ein Nachspiel hat der Unfall für jene Verkehrsteilnehmer, die im Schritttempo an der Unfallstelle vorbeirollten und dabei filmten. Die Polizei machte zehn Gaffer dingfest. Auf die Fahrer wartet wegen unerlaubter Handynutzung am Steuer ein Bußgeld über 100 Euro sowie ein Punkt in Flensburg.