Die britische Innenministerin Theresa May bewirbt sich um die Nachfolge des scheidenden Premierministers David Cameron. Die Bewerbungsfrist in der Partei läuft an diesem Donnerstag aus.

London - Die britische Innenministerin Theresa May bewirbt sich um die Nachfolge des scheidenden Premierministers David Cameron. Die 59-jährige Konservative kündigte ihre Kandidatur in der Nacht zu Donnerstag in der Zeitung „The Times“ an. May gilt neben dem früheren Londoner Bürgermeister Boris Johnson, dessen Kandidatur für Donnerstag erwartet wurde, als aussichtsreichste Anwärterin auf die Spitzenposten in Partei und Regierung. May hatte sich in der Vergangenheit mit einer EU-skeptischen Haltung profiliert, hatte im Vorfeld des Brexit-Referendums aber für einen Verbleib Großbritanniens in der EU geworben. In der Kampagne spielte sie indes keine prominente Rolle. May könnte sich der zerstrittenen Partei als Figur des Ausgleichs empfehlen.

 

Auch in der oppositionellen Labour-Partei zeichnete sich eine Neuordnung der Parteiführung ab. Nach britischen Medienberichten will die Abgeordnete Angela Eagle dem bedrängten Parteichef Jeremy Corbyn in einer Kampfabstimmung den Labour-Vorsitz streitig machen. Offiziell bestätigt wurde dies zunächst aber nicht. May versprach in ihrem von der „Times“ veröffentlichten Schreiben „starke und bewährte Führungskraft, um uns durch diese Periode der wirtschaftlichen und politischen Ungewissheit zu führen und die bestmöglichen Verhandlungsergebnisse für ein Ausscheiden aus der EU zu erzielen“.

Stärkster Gegenkandidat ist Boris Johnson

Mays stärkster Gegenkandidat dürfte der ehemalige Londoner Bürgermeister Johnson sein, der sich als Wortführer des siegreichen Brexit-Lagers profiliert hatte und damit zu einer besonders polarisierenden Figur in der britischen Politik wurde. Johnson erklärte bislang noch nicht seine Kandidatur, diese wurde aber weithin erwartet. Die parteiinterne Bewerbungsfrist läuft am Donnerstagmittag aus. In deutlicher Abgrenzung zu Johnson, der aus der Oberschicht stammt und einen unkonventionellen Politikstil pflegt, empfahl sich die Vikarstochter May als Politikerin, die die Härten des Alltags kennt. „Manch einem muss gesagt werden, dass das Regieren kein Spiel ist“, schrieb sie in der „Times“. „Es ist ein ernstes Geschäft, das reale Auswirkungen auf das Leben der Menschen hat.“ Einen Schwerpunkt wolle sie in der Sozialpolitik setzen: Unter ihrer Führung werde die Regierung ein „radikales Programm der Sozialreformen“ angehen, um „Großbritannien zu einem Land zu machen, das für jeden funktioniert“.

Der scheidende Premierminister Cameron hatte May 2010 an die Spitze des Innenministeriums berufen. In der Einwanderungspolitik profilierte sie sich als Verfechterin einer harten Linie. Ihr nüchterner Stil in Politik- wie auch in Kleidungsfragen brachte ihr Vergleiche mit der „eisernen Lady“ Margaret Thatcher ein, der bislang einzigen britischen Premierministerin. Vor May hatte zunächst nur der wenig bekannte Rentenminister Stephen Crabb seine Kandidatur offiziell erklärt.

Auch Verteidigungsminister Liam Fox wollte nach Angaben aus seinem Umfeld kandidieren. Wenn es mehr als zwei Kandidaten gibt, wird das Bewerberfeld per Abstimmung der Tory-Abgeordneten verkleinert. Dabei gelten Johnson und May als Favoriten. Über die verbleibenden zwei Kandidaten sollen dann die rund 150.000 Parteimitglieder per Briefwahl abstimmen. Das Ergebnis wird für den 9. September erwartet. Cameron hatte nach dem Brexit-Votum seinen Rücktritt angekündigt. Er will es seinem Nachfolger überlassen, in Brüssel offiziell den Antrag Großbritanniens auf Austritt aus der EU zu stellen und die Verhandlungen darüber zu führen.