Angelina Jolie hat für ihre Brust-OP als radikale Krebsvorsorge viel Zuspruch bekommen. Einige Krebsärzte fürchten nun, dass ihr Beispiel eine "Epidemie" von Brustamputationen nach sich ziehen könnte.

New York/Los Angeles - Angelina Jolie (37) hat für ihre Brustamputation aus Angst vor Krebs in den USA viel Applaus erhalten. Gleichzeitig warnten Onkologen, das Beispiel der amerikanischen Schauspielerin voreilig nachzuahmen. „Sie ist ein Sonderfall, und es ist absolut verständlich, warum sie es getan“, wurde die Brustchirurgin und Bestsellerautorin Susan Love am Mittwoch von der „New York Times“ zitiert. Im gleichen Blatt hatte Jolie am Vortag offen über ihren radikalen Schritt zur Krebsvorsorge berichtet.

 

Sie hatte sich wegen eines ererbten hohen Krebsrisikos beide Brüste amputieren lassen. Ihre Mutter war 56-jährig an Krebs gestorben. Sie trage ein „defektes“ BRCA1-Gen in sich und habe von ihren Ärzten ein Brustkrebsrisiko von 87 Prozent genannt bekommen, begründete die sechsfache Mutter und Lebensgefährtin von Hollywood-Star Brad Pitt (49) die schwere Entscheidung. Inzwischen seien ihre Brüste mit Implantaten rekonstruiert worden.

BRCA-Mutationen sehr selten

Mehrere Spezialisten der Memorial Sloan Kettering Krebsklinik in New York fürchten, dass Jolies Offenheit andere Frauen ohne Defekt der Brustkrebsgene BRCA1 oder BRCA2 zur Brustamputation verleiten könnte. „Es ist wichtig zu sehen, dass BRCA-Mutationen eine Ausnahme mit hohem Risiko sind“, sagte die Chefin der Brustkrebsabteilung an dem Krankenhaus, Dr. Monica Morrow. Ihren Angaben nach haben nur wenige Frauen diese Erbanlage. Laut Morrows Kollegen Dr. Kenneth Offit, dem Leiter der Klinischen Genetik bei Memorial Sloan Kettering, entscheiden sich auch nur 30 Prozent der Betroffenen für die prophylaktische Brustamputation.

In den USA hat die Entscheidung einer präventiven Mastektomie der gesunden Brust von Patientinnen, die ihre andere Brust durch einen Tumor verloren hatten, in den vergangenen Jahren „epidemisches Ausmaß“ angenommen, schreibt die Zeitung. In vielen Fällen sei diese Maßnahme medizinisch nicht erforderlich gewesen. Einige Patientinnen schätzten ihr Risiko für einen zweiten Tumor zu hoch ein, andere wählten die präventive Amputation aus kosmetischen Gründen, sagt Morrow. Diese Frauen glaubten, dass die Doppelmastektomie und -implantation besser aussehe.

In Deutschland weniger als zwei Prozent vorsorgliche Amputationen

In Deutschland werden weniger als zwei Prozent der Brustentfernungen vorsorglich gemacht. Das berichtete der AOK Bundesverband am Mittwoch in Berlin mit Verweis auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Danach gab es 2011 bundesweit rund 119.000 Brustentfernungen oder brusterhaltende Operationen. Vorsorgliche Eingriffe wie bei Jolie machten davon „weniger als zwei Prozent“ aus - eine genauere Angabe gab es nicht. Die meisten OPs erfolgten, weil die Frauen bereits Brustkrebs hatten. Sie konnten im Gros der Fälle (93.000) brusterhaltend geschehen.

Derweil lobte Brad Pitt den Mut seiner Lebensgefährtin als „absolut heroisch“ gewesen gegenüber „People.com“. „Wir sind so stolz auf Angie“, sagte Jolies Schwiegermutter Jane Pitt. Dies würde der gesamten Familie, vor allem ihren Enkeln, sehr viel bedeuten.

Auch Jolies Vater wußte nichts von der OP

Jolie hatte ihre Brust-Amputation auch vor ihrem Vater verheimlicht. Schauspieler Jon Voight (74) sagte der US-Zeitung „New York Daily News“, er habe wie alle anderen davon aus der Zeitung erfahren. „Meine Liebe und Bewunderung für meine Tochter lässt sich nicht in Worte fassen“, lässt sich der 74-Jährige zitieren. Er sei „tief bewegt über die Art und Weise, wie sie damit umgegangen ist“. Noch zwei Tage bevor Jolie ihren Schritt bekanntgab, habe er sie getroffen, sagte Voight. Ihm sei nichts aufgefallen.

Auch Jolies Bruder, James Haven, rühmte seine Schwester. Genau wie ihre gemeinsame Mutter würde sie zuerst an ihre Kinder denken, zitierte „People.com“ aus Havens Mitteilung. Die Mutter von Jolie und Haven, Schauspielerin Marcheline Bertrand, starb 2007 mit 56 Jahren an Krebs.

Jolie und Pitt haben drei gemeinsame und drei adoptierte Kinder im Alter von vier bis elf Jahren. „Ich kann meinen Kindern jetzt sagen, dass sie keine Angst haben müssen, mich an den Brustkrebs zu verlieren“, erklärte Jolie in ihrem Artikel „My Medical Choice“ („Meine medizinische Entscheidung“). Darin beschreibt sie auch die Prozeduren in einem Zeitraum von drei Monaten, bei denen Brustgewebe entfernt und Implantate eingesetzt wurden. Die Behandlung fand zwischen Februar und April in der Klinik Pink Lotus Breast Center in Beverly Hills statt.

Nach Bekanntwerden von Jolies Artikel meldeten sich auch Promis wie Sheryl Crow oder Bianca Jagger bei Twitter zu Wort. Sie bewundere Jolie sehr für ihren „mutigen und inspirierenden“ Beitrag, schrieb Jagger. Die Sängerin Sheryl Crow lobte Jolie in einem Tweet „für ihren Mut und Tiefgang“, ihre Geschichte mitzuteilen: „So tapfer.“ Crow war selbst nach einer Krebsdiagnose erfolgreich operiert worden.