Ein 23-jähriger Stuttgarter muss mehr als dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Weil er in Fellbach mit seinem Auto anhalten musste, hatte er auf einen Gleichaltrigen eingeschlagen und -getreten.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Fellbach/Stuttgart - Es hatte als fröhlicher Abend begonnen. Angetrunken, aber gut gelaunt war am 1. Mai ein Quartett junger Leute in Fellbach aus einem Taxi gestiegen – wenig später lag einer von ihnen mit zerschmettertem Kiefer am Boden. Verantwortlich dafür, darauf hat das Landgericht Stuttgart am Freitag entschieden, war ein 23-jähriger Stuttgarter. Obwohl dieser vorher noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war, muss er nun wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung für drei Jahre und sieben Monate ins Gefängnis. Ohne Bewährung – dafür sei die Tat zu brutal ausgeführt worden, sagte der Vorsitzende Richter.

 

Der Anlass für den Ausraster war nichtig: Das Opfer, ein 23-jähriger Fellbacher, war vor dem Mercedes des gleichaltrigen Verurteilten über die Straße gegangen. Dieser musste anhalten. Während ein zweites Auto an der Szene offenbar ohne Probleme vorbeifahren konnte, entbrannte ein Streit zwischen den beiden jungen Männern – der Fellbacher blieb schwer verletzt zurück, der Täter fuhr davon.

Das Landgericht glaubt der Freundin des Angeklagten nicht

Darüber, wie das spätere Opfer sich auf der Straße verhalten hat und ob der Fellbacher den Stuttgarter möglicherweise provozierte, gab es im Prozess widersprüchliche Angaben. Seine Freunde sagten, er habe klar gemacht, keinen Stress zu wollen und sich gerade abgewandt, als er den ersten Schlag kassierte. Erst am Boden liegend habe er sich gewehrt.

Dagegen behauptete die Freundin des Angeklagten, „der Junge“ habe ins Auto geschrien und er habe ihren Freund, den sie damals erst seit wenigen Wochen kannte, mit der Bierflasche angegriffen. „Das werten wir als wahrheitswidrige Schutzbehauptung“, so der Richter in der Urteilsbegründung. Unbeteiligte Zeugen – darunter die Taxifahrerin und zwei Gäste einer nahen Kneipe, die schließlich helfend eingriffen – hatten den Stuttgarter klar in der Rolle des Angreifers gesehen.

Wie eine Dampframme getreten und geschlagen

Warum der 23-Jährige damals derart ausgetickt war, blieb im Prozess unklar: Seine Freundin beschrieb ihn als „liebevoll und hilfsbereit“, sein Ausbildungsbetrieb stellte ihm vor der Verhandlung ein sehr gutes Zeugnis aus. Vorbestraft war der Stuttgarter nicht, laut eigenen Angaben trinkt er nicht und macht keinen Kampfsport, der die Wucht der Schläge erklären könnte. Und selbst wenn der Fellbacher seinen Kontrahenten provoziert haben sollte: „Das entschuldigt die Tat in keiner Weise“, sagte der Richter. „Sie haben wie eine Dampframme auf den Geschädigten eingewirkt.“

Einen Führerschein hatte der junge Mann damals nicht. Gleich doppelt ließ das Gericht das Fahren ohne Fahrerlaubnis ins Gesamturteil einfließen – immerhin habe er seine Fahrt bei dem Angriff unterbrochen und sei dann wieder ins Auto gestiegen. Den 30 000 Euro teuren Mercedes, den er in der Tatnacht gefahren war, hat der Lehrling inzwischen verkauft.

Mit seinem Urteil lag die 9. Große Strafkammer des Landgerichts wenige Monate unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Der Verteidiger hatte auf eine Bewährungsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung plädiert – ihm zufolge ist es wahrscheinlich, dass er und sein Mandant in Revision gehen.