Ist die „Traum-Ehe“ von Brad Pitt und Angelina Jolie unter dem Druck der perfekt unperfekten Selbst-Inszenierung eines Hollywood-Märchens zusammen gebrochen?

Los Angeles - Seit Angelina Jolie (41) die Trennung von Brad Pitt (52) verkündet hat, scheint die Welt in Aufruhr. Flüchtlingskrise, US-Wahlkampf und andere brisante Themen verblassen hinter der Nachricht, die sogar Adele dazu veranlasst hat, „Brangelina“ ein Konzert zu widmen. Während ihrer Show am Dienstagabend in New York sagte die Sängerin, sie sei „wirklich, wirklich traurig“ über das Ehe-Aus, wie das Promiportal „TMZ“ berichtet. „Ich mag keinen Klatsch und Privates sollte privat bleiben, aber das ist das Ende einer Ära, deshalb widme ich ihnen diese Show“, erklärte Adele vor applaudierendem Publikum. Ziemlich verrückt. Man würde denken, ein Konzert widmet man einem verstorbenen Freund oder Familienmitglied, vielleicht auch Opfern von Bürgerkriegen oder Umweltkatastrophen. Aber doch keinem berühmten Hollywood-Paar, das seine Trennung verkündet hat.

 

Diese Anekdote zeigt nur allzu schön die Widersprüchlichkeit der „Ära Brangelina“. Wenn Privates privat bleiben soll, dann sollte es logischerweise keine Öffentlichkeit bekommen. Punkt. Auch kein Konzert als Widmung. Aber die Beziehung des Schauspielerpaars war eben stets eine öffentliche Angelegenheit, ein Hollywood-Märchen, an dem wir alle teilhaben wollten. Und sollten. Schließlich war dieses irgendwie so perfekt unperfekte, lässige und scheinbar authentisch gelebte Leben Teil des Jolie-Pitt-Drehbuchs, einer Inszenierung, die das Schauspielerpaar perfekt beherrschte – das Vorspielen von Scheinwelten ist schließlich ihr Beruf.

Ein Traum von scheinbar mühelosem Jet-Set-Leben

Mit wohlwollendem Neid beobachteten Fans einen der schönsten Männer Hollywoods und einen Traum von Frau bei ihrem scheinbar so mühelosen Jet-Set-Leben. Mal in edlen Roben auf den roten Teppichen dieser Welt und dann in Jeans, Bomberjacke und Baseballcap auf dem Weg ins Flüchtlingscamp: „Nur noch kurz die Welt retten“. Angelina Jolie ist eine Meisterin darin, ihr soziales und politisches Engagement als UN-Botschafterin medienwirksam in Szene zu setzen und gleichzeitig gerade so viel Glamour zu versprühen, dass ihre ernsten Absichten nichts an Glaubwürdigkeit einbüßen. Brad Pitt, mal mit Zottelbart, langen Haaren und Mütze, mal schnieke im Zweiteiler und gegelten Haaren, schritt stets unterstützend an ihrer Seite oder zwei Schritte hinter ihr. Das darf man durchaus auch im übertragenen Sinn verstehen.

Die Jolie-Pitts waren keine typische Bilderbuch-Familie. Mit ihren sechs wild durcheinander gewürfelten Kindern unterschiedlicher Herkunft (drei adoptierte und drei leibliche, davon ein Zwillingspaar) wirkten sie eher wie der bunte Bullerbü-Stall, bei dem man sich insgeheim fragte, ob die Konstellation nicht zu kompliziert sein könnte. Doch das öffentliche Bildnis, das wir uns von der Familie machen sollten, war natürlich ein unkompliziertes, tadelloses. Da sah man die Bilder einer im Pulk reisenden Familie, kleine Kinder an den Händen ihrer Eltern in New York, Rio, Tokio. Stets betonte Jolie, wie wichtig es ihr sei, dass die Kinder ihren exotischen Heimatländern verbunden bleiben. Dazu jettete die Familie regelmäßig um den Globus. Und ob bei Dreharbeiten oder auf UN-Mission: Ihre Kinder wollte die 41-Jährige am liebsten immer um sich haben.

Auf ihrem Weingut im Château Miraval gaben sie sich das Ja-Wort

Die lässige Perfektion gipfelte schließlich 2014 nach neun Jahren Beziehung in einer so unprätentiös wie romantisch wirkenden Hochzeitszeremonie, die von New York über Rio bis Tokio kollektives Seufzen und verklärte Blicke auslöste. Auf ihrem Weingut im französischen Château Miraval gaben sie sich im kleinen Kreis das Ja-Wort. Keine pompöse Promi-Hochzeit mit hunderten von Gästen, nein, es sollte natürlich ein Familienfest sein! Nicht der künftige Gatte, sondern die Kinder Maddox und Pax führten die Braut zum Altar. Zahara und Vivienne streuten Blumen und Shiloh und Knox hielten die Ringe bereit.

Angelina Jolie trug ein Versace-Kleid, das mit Zeichnungen ihrer Kinder übersät war. Auch dieses Kleid war Teil der Heile-Welt-Inszenierung, die Familie über alles, die Kinder als Heils- und Glücksbringer. Die exklusiven Fotos der „privaten“ Zeremonie wurden umgehend an Boulevardmagazine verkauft, schließlich ist der Wunsch nach abgeschotteter Beschaulichkeit nur ein Teil der Wahrheit.

Nichts ist wie es scheint

Selbst als der bittere Ernst des Lebens bei den Jolie-Pitts anklopfte, meisterten sie das nach außen mit Souveränität und Gelassenheit. Jolie ließ sich 2013 wegen ihres familiär bedingten hohen Krebsrisikos vorsorglich erst die Brüste amputieren, später dann die Eierstöcke entfernen. Auch das tat sie – wie alles, was sie angeht – öffentlich und mit einem Anliegen verbunden, nämlich die Menschheit auf die Gefahren von Brust- und Eierstockkrebs aufmerksam zu machen. Was im Rückblick etwas von sich selbst eingenommen wirkt, brachte Jolie damals öffentlichen Respekt und Anerkennung ein. Wieder einmal hatte das Powerpaar demonstriert, dass man alles im Leben meistern kann, einen nichts aus der Bahn werfen muss, wenn man es nur richtig anpackt. Mit Würde, vorbildhaft, voller Liebe und Familienzusammenhalt. Ganz schön viel hehrer Anspruch für die banale Wirklichkeit.

Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass im Leben nichts ist wie es scheint und dass das erstrebenswert lässig unperfekt-perfekte Leben von „Brangelina“ wohl ziemlich ambivalent und widersprüchlich war. Ein Leben voller Paparazzi-Bilder, öffentlicher Auftritte und Selbstinszenierung. Wegen „unüberbrückbarer Differenzen“ lassen sie sich nach nur zwei Jahren Ehe, aber immerhin mehr als zehnjähriger Beziehung scheiden. Jolie habe die Scheidung „zum Wohl der Familie“ eingereicht, wird ihr Anwalt zitiert. Angeblich erziehe er die Kinder nicht so, wie Angelina und Brad es vereinbart hatten und Angelina beschuldigt ihn, zu viel Gras zu rauchen und übermäßig viel Alkohol zu trinken. Und zwar so viel, dass Brad laut des Promi-Portals „tmz“ bereits aggressiv wurde und Angelina eine Gefahr für ihre Kinder sah.

Das Bildnis der heilen Familienwelt ist zerbrochen. Man hatte es schon länger ahnen können, spätestens als Angelina Jolie 2015 während ihrer Regie-Arbeit zu „By the sea“, in dem Pitt und sie ein zerrüttetes Ehepaar spielen, den erstaunlich ehrlichen Satz sagte: „Wenn die Leute denken, dass wir fürchterliche Streits haben, unperfekt sind, Unsicherheiten haben und depressiv und emotional sind, ist das selbstverständlich die Wahrheit. Nach so vielen Jahren wird es in der Beziehung auch schon mal schmutzig.“