Dachdecker, Glaser, Zimmerleute – in den vom Hagelsturm am vergangenen Sonntag betroffenen Landkreisen suchen die Geschädigten händeringend nach Fachleuten. Die Handwerker sind aber hoffnungslos ausgelastet.

Stuttgart - Dem Gefühlshaushalt der Hagelgeschädigten wird einiges abverlangt: Nach dem Adrenalinschock angesichts des Unwetters am Sonntag ist nun Langmut und Geduld gefragt – dann nämlich, wenn man einen helfenden Handwerker erwischen will. Die sind jetzt, zumindest in den am meisten betroffenen Gebieten, etwa in den Landkreisen Reutlingen und Tübingen, am Stress-Anschlag.

 

Viele hatten die Empfehlung der Handwerkerorganisationen aufgegriffen und von Montag an drei Wochen Bauferien geplant, waren also gar nicht oder nur in Minimalbesetzung im Betrieb. Inzwischen haben Dachdecker, Glaser, Zimmerleute oder Elektriker Leute aus dem Urlaub zurückgeholt. Die Auszeit wird verschoben, die Frage ist nur: auf wann. „Die Handwerksbetriebe wären auch ohne die Folgen des Hagelsturms gut ausgelastet gewesen“, sagt der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Tübingen, Rüdiger Strobel. Die Auftragslage ist bestens – und jetzt kommt noch die Not-Nachfrage. „Das ist keine einfache Situation,“ sagt Strobel.

Erstmal nur das Nötigste

Die Handwerkerschaften in Reutlingen und Tübingen haben Hilferufe an die benachbarten Organisationen losgelassen und können nun Kontaktdaten von Betrieben aus den Landkreisen Böblingen, Freudenstadt und Sigmaringen an Hilfe Suchende weitergeben. In diesem Raum gebe es etwa 40 Dachdeckerbetriebe, die freilich inzwischen auch „hoffnungslos überlastet“ sind, so Strobel. Im ersten Schritt wird deshalb „jetzt erstmal abgedichtet, wo es am nötigsten ist, damit es den nächsten Regen übersteht“. Die eigentlichen Reparaturen abzuarbeiten, werde sich „über Monate hinziehen“. Es gebe aber mehr Sorgen, ob die Zulieferer das benötigte Material beibringen als dass die Handwerker ihre Baustellen nicht abarbeiten können. Christoph Knecht vom Obi-Baumarkt in Pfullingen zerstreut diese Bedenken. Man habe am Montag zwar erst um 13 Uhr aufmachen können – „wir haben selbst einen Komplettschaden“, berichtet Knecht –, und viele Kunden hätten dann tatsächlich Abdeckplanen gekauft und nach Dachfenstern gefragt. Aber das habe sich normalisiert.

Bei manchen Geschädigten helfen Provisorien nicht mehr. Mehr als 80 Gärtnereien aus den vom Unwetter betroffenen Gebieten hätten Schäden gemeldet, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium.

Das Land sucht nach Wegen um zu helfen

Ihre Gewächshäuser sind teilweise zertrümmert worden, die darin heranwachsenden Kulturen wurden zerstört. „Solche Hagelschäden hier vor Ort zu sehen, ist bestürzend“, sagte der Minister Alexander Bonde (Grüne), der am Dienstag die Gärtnerei Hespeler in Wannweil (Landkreis Reutlingen) besuchte.

Zwar liege die Risikovorsorge bei den Unternehmen selbst – zumal bei versicherbaren Schäden. Doch helfe das Land soweit es die strengen beihilferechtlichen Vorgaben der EU und des Bundes erlaubten, sagte Bonde. Sein Haus prüfe mit dem Finanzministerium, ob Steuern gestundet und Vorauszahlungen gekürzt werden könnten. Die zunehmende Häufigkeit solcher Witterungsextreme zeige, dass eine steuerliche Risikoausgleichsrücklage für gartenbauliche und landwirtschaftliche Betriebe überfällig sei, sagte Bonde an die Adresse des Bundes. Andere Betroffene melden sich womöglich noch. Auch die Landwirtschaft ist betroffen.Einzelne Betriebe hätten ihre komplette Ernte verloren, sagte eine Sprecherin des Bauernverbandes der Nachrichtenagentur dpa. Im Kreis Reutlingen habe der Hagelsturm auf 25 Kilometer Länge und sieben Kilometer Breite eine Schneise geschlagen. Getreide, Raps und Maisfelder seien niedergemäht worden.