Ökopartei und Liberale entscheiden sich, die Gespräche mit der SPD zu vertiefen. In sorgsam inszenierten Auftritten betonen die beiden kleineren Parteien ihre Eigenständigkeit und ihren Willen zu Reformen.

Berlin - Bei Verhandlungen geht es nicht allein um Inhalte, Techniken und die richtigen Strategien. Oft geht es auch um Show und die richtige Inszenierung. Man konnte das ganz gut am Mittwoch in Berlin beobachten. Da stellten Grüne und FDP in zwei sorgsam choreografierten Auftritten die Weichen in Richtung einer Ampelkoalition unter Führung der Sozialdemokraten.

 

Endgültig entschieden ist noch nichts. Falls alle Stricke reißen, bleibt auch ein Jamaikabündnis mit der Union denkbar. Gleichwohl zeichnet sich eineinhalb Wochen nach der Bundestagswahl ab, wohin die Reise gehen dürfte. Und Grüne und FDP stehen als diejenigen da, die weiter das Heft des Handelns in der Hand halten und sich unterhaken, um das Land voranzubringen.

Ein abgesprochener Vorschlag

Doch eines nach dem anderen: Am Mittwochmorgen laden die Grünen kurzfristig zu einem Statement ihrer Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck in das Reichstagsgebäude ein. Um zehn Uhr erscheinen die beiden, Baerbock kommt sofort zur Sache: Die Grünen hätten in den vergangenen Tagen diverse Gespräche mit den anderen Parteien geführt – „immer respektvoll, sachlich, auch konstruktiv und vertrauensvoll“. Gleichwohl sei man nach Beratungen in den eigenen Gremien zu dem Schluss gekommen, dass es sinnvoll sei, jetzt „vertieft“ mit SPD und FDP zu sprechen. „Und das schlagen wir der FDP vor, in ein solches Dreiergespräch jetzt gemeinsam reinzugehen.“

„Der Keks ist noch lange nicht gegessen.“

Ein Vorschlag also und kein gemeinsamer Beschluss mit den Liberalen, das ist die offizielle Version. Die SPD und ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz werben ohnehin seit dem Wahlabend um die Gunst der beiden kleineren Parteien. Dann ergreift im Reichstagsgebäude Robert Habeck das Wort. Er sagt, es gehe jetzt darum, „die Phase der Vorsondierungen in die Phase der Sondierungen zu überführen“. Die Gespräche der jüngsten Zeit hätten gezeigt, dass in einem Bündnis mit SPD und FDP die größten Schnittmengen denkbar seien. Das gelte insbesondere für die Gesellschaftspolitik.

Dann kommt das große Aber: „Denkbar heißt aber ausdrücklich, dass der Keks noch lange nicht gegessen ist“, sagt Habeck. Es gebe erhebliche Differenzen mit beiden Partnern, viele Dinge seien noch nicht diskutiert. „Insofern ist es keine Komplettabsage an Jamaika.“ Über Zeitpläne für Ampelgespräche sagen die beiden Vorsitzenden nichts. Aber „zügig“ soll es gehen.

Noch während Baerbock und Habeck sprechen, erhält die Hauptstadtpresse eine Einladung der FDP: Deren Vorsitzender Christian Lindner wolle um elf Uhr im Anschluss an die Gremiensitzungen in der Parteizentrale das Wort ergreifen. Natürlich ist das Vorgehen mit den Grünen abgesprochen. Und dass Lindner „Nein“ sagen wird zu dem Vorschlag der Ökopartei, erscheint zu diesem Zeitpunkt schon ausgesprochen unwahrscheinlich. Täte er es, würde das Land von einer Minute auf die andere in eine politische Krise gestürzt. Aber beiden Partnern geht es darum, sich jeweils als eigenständige Kraft zu präsentieren. Und beide Parteiführungen müssen auch genau darauf achten, ihre Vorstände, Fraktionen, Sondierungsteams und ihre jeweilige Basis mitzunehmen.

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Als Lindner vor die Mikrofone tritt, betont er die Eigenständigkeit der Liberalen. Seine Partei habe im Wahlkampf eine inhaltliche Koalitionsaussage gemacht: „Die FDP tritt nur in eine Regierung der Mitte ein, die den Wert der Freiheit stärkt und die einen echten Impuls zur Erneuerung des Landes setzt.“ Die vergangenen Gespräche hätten gezeigt, dass es mit der Union die größten Überschneidungen gebe. „Für uns bleibt eine Jamaikakoalition eine inhaltlich tragfähige Option.“

Doch dann kommt Lindners großes Aber: „Allerdings werden in der Öffentlichkeit Regierungswille und Geschlossenheit der Unionsparteien diskutiert“, sagt der FDP-Chef. Die Grünen hätten vorgeschlagen, gemeinsam ein erstes Sondierungsgespräch mit der SPD zu führen. Diesen Vorschlag nehme die FDP an. Mit Blick auf den SPD-Kanzlerkandidaten sagt Lindner: „Ich habe Herrn Scholz eben in Abstimmung mit den Grünen angeboten, dass wir bereits morgen zu einem solchen Gespräch zu dritt zusammenkommen, und das wird auch passieren.“

Lindner nimmt Indiskretionen „zur Kenntnis“

Die Absprachen mit den Grünen gehen also so weit, dass Lindner öffentlich den gemeinsamen Zeitplan kommunizieren darf. Lindner sagt, die FDP und die Ökopartei verbinde trotz aller Unterschiede die Überzeugung, dass das Land erneuert werden müsse. Wenn sich beide um Verständigung bemühten, könne daraus „eine Art fortschrittliches Zentrum“ gebildet werden. Parallele Verhandlungen mit der Union werde es während der Gespräche mit der SPD nicht geben, betont Lindner. Das hat zuvor auch schon Grünen-Chef Habeck deutlich gemacht.

Ärger über Durchstechereien

Und so kommt es, dass die Republik nicht einmal zwei Wochen nach dem Urnengang Kurs auf Rot-Grün-Gelb nimmt. Vor allem für Christian Lindner und seine Liberalen ist das ein beachtlicher Schritt. Ihre bevorzugte Option ist die Ampel schließlich nicht.

Aber die Union um CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet hat es den beiden kleineren Parteien zuletzt ziemlich leicht gemacht, sich gegen Jamaika zu entscheiden. Seit der Wahl bietet die Union ein Bild des Jammers. Ihr werden auch Durchstechereien an die Medien aus Gesprächen mit FDP und Grünen zugeschrieben, obwohl alle Beteiligten Vertraulichkeit vereinbart hatten.

Lindner sagt am Mittwoch über diese Indiskretionen: „Die haben wir zur Kenntnis genommen.“ Er will offenbar nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen, zumal er Armin Laschet persönlich verbunden ist. Grünen-Chefin Baerbock ist da am Morgen deutlicher. Sie sagt, es brauche Verlässlichkeit und Vertrauen, wenn man zu dritt etwas Neues schaffen wolle. „Das kann man am Anfang einmal krachend zerschlagen. Aber dann funktioniert es über Jahre nicht.“