Nach dem 1:2 gegen Japan droht dem deutschen Team schon am Sonntag nach der Partie gegen Spanien das Aus. Ist es noch abzuwenden? Drei Probleme sind augenscheinlich.

Sport: Marco Seliger (sem)

Am Tag nach einem Turnierspiel gibt es aus Sicht des DFB im Normalfall nichts mehr öffentlich zu sagen. „Medienfrei“ – so heißt seit Jahren der turnusmäßige Hinweis, den die Medienschaffenden bei großen Turnieren vom deutschen Verband bekommen. Am Donnerstag war das anders. Der Bundestrainer hatte nach dem 1:2 zum WM-Auftakt gegen Japan noch etwas zu berichten – und platzierte seine Hauptbotschaft in den ersten Minuten des Pressegesprächs. Es ging um seinen Mittelfeldmann Ilkay Gündogan, der einen der drei deutschen Brennpunkte mit Blick auf das zweite Gruppenspiel gegen Spanien am Sonntag lieferte. Welche es zudem gibt? Zeigt unsere Analyse in drei Punkten.

 

Die Stimmung im Team Flick betonte am Donnerstag, dass jeder Spieler auf dem Platz den Charakter und den Mut haben müsse, sich zu zeigen. Und weiter: „Jeder Einzelne muss im Spiel mehr teilnehmen.“ Ilkay Gündogan dürften diese neuen Aussagen gefallen, denn damit bestätigte sein Trainer das, was er selbst nach der Pleite gegen Japan gesagt hatte. Die Kritik Gündogans an einigen Teamkollegen, die der Bundestrainer nun als „auf den Punkt gebracht“ bezeichnete, ging so: „Wir haben es Japan zu einfach gemacht. Gerade beim zweiten Tor – ich weiß nicht, ob jemals bei einer WM ein einfacheres Tor erzielt wurde.“ Gündogan kritisierte auch, dass man gefühlt habe, „dass nicht jeder von uns den Ball unbedingt haben wollte“.

Was also ist das jetzt, was macht das mit einer Mannschaft, wenn ein Führungsspieler verbal draufhaut? Gündogan war ja nicht der Einzige, der Kritik übte. Da gingen einige Offensivkräfte die Abwehrspieler ob ihrer Patzer an, ehe einige Defensivspieler über die schwache Chancenverwertung der Angreifer meckerten. Die Frage, die sich aufdrängt: Zerfleischt sich die deutsche Elf gerade selbst? Die Antwort: Wohl kaum. Denn nach allem, was so zu hören ist, ist die Stimmung in der Mannschaft weiter intakt. Dass Profis Fehler öffentlich ansprechen, muss nach einer Niederlage kein Fehler sein. Das schärft die Sinne, und Kollegialität schließt harte Kritik in der Sache im Idealfall nicht aus – weshalb Flick die Worte Gündogans mit Überzeugung als „okay“ bezeichnete. Wie krisenfest die Atmosphäre in der deutschen Elf wirklich ist? Wird sich jedoch erst bei der Probe aufs Exempel, der Partie gegen Spanien, zeigen.

Die fehlende Stabilität Hansi Flick mag es offensiv. Vorne pressen und weit in des Gegners Hälfte die Bälle erobern, das ist seine Idee von Fußball. Welche Tücken das birgt, zeigte sich gegen Japan. Denn hinter den offensiven deutschen Linien klafften mitunter Lücken, die ein halbes Spielfeld groß waren. Die Spanier werden diese Räume auch entdecken. Wenn, ja wenn es Flick bis zum Sonntag nicht irgendwie schafft, Stabilität in seine Elf zu bekommen.

Die defensive Denke im Mittelfeldzentrum fehlte in der zweiten Hälfte gegen Japan ebenso wie die Entschlossenheit. Und die Abwehr, nun ja, war das zum Schluss überhaupt noch eine Abwehr? So überboten sich Innenverteidiger Nico Schlotterbeck und Rechtsverteidiger Niklas Süle mit ihren Unzulänglichkeiten. Personelle Wechsel sind gegen Spanien wahrscheinlich – Flick etwa schloss es am Donnerstag nicht mehr aus, dass Joshua Kimmich vom Mittelfeldzentrum nach hinten rechts rückt, und das aus gutem Grund: Es fehlt an defensiv starken Außenverteidigern im Kader. Eine Systemumstellung auf eine Dreierkette mit drei Innenverteidigern schloss Flick aber aus. Was die Frage aufwarf, warum er diese Variante nicht hat trainieren lassen, auch wenn die Zeit rund um die WM extrem knapp gewesen ist.

Gegen Spanien steht die DFB-Elf nun, wenn man so will, vor der Quadratur des Kreises. Gegen einen starken Gegner, der in Topform ist (7:0 gegen Costa Rica), braucht es eine neue Stabilität hinten, aber auch hohes Risiko vorne – weil man ja gewinnen muss. Oder anders: Eine deutsche Elf in der Findungsphase muss gegen einen Weltklassegegner plötzlich die perfekte Mischung finden.

Die Wechsel des Bundestrainers Es wird sich auf dieser Fußballwelt wohl kein Experte finden, der die Auswechslung von Ilkay Gündogan verstehen wird. Der Mittelfeldmann hatte das Zentrum im Griff – als er draußen war, war es dahin mit der deutschen Dominanz. Für ein erfolgreiches Turnier braucht es auch das Näschen des Trainers für die richtigen Entscheidungen. Zum Auftakt lag Flick mit einigen Entscheidungen daneben, bis Sonntag muss er seinen Spürsinn wiederfinden. Ansonsten steht höchstwahrscheinlich ein historisches deutsches WM-Aus bereits nach zwei Gruppenspielen.