Seit dem Hangrutsch in Nürtingen-Zizishausen sind fast 18 Monate vergangen. Jetzt liegt ein Konzept zur langfristigen Sicherung des Hangs vor. Wer für die Schäden aufkommt, ist unklar, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen noch.

Nürtingen - Ayhan Kurt versteht die Welt nicht mehr: Sein Nachbar oben auf dem Hügel in der Panoramastraße im Nürtinger Teilort Zizishausen könnte vielleicht schon bald in sein neues Haus einziehen – während er selbst nach dem Hangrutsch am 8. Juni vergangenen Jahres weiter um sein Heim zittert. Kurt und weitere betroffene Anwohner fürchten, dass der Hang erneut rutschen könnte. 18 Monate nach dem Desaster warten sie noch immer darauf, dass die Stadt das Areal langfristig stabilisiert. Ayhan Kurt formuliert es so: „Der Nachbar oben hat den Hangrutsch ja verursacht, er darf in aller Ruhe weiterbauen, und uns lässt man hängen. Wir sind in Sorge und frustriert.“ Die abgesackte Terrasse am Rohbau des neuen Nachbarn hatte den Hangrutsch damals ausgelöst.

 

Bei dem Hangrutsch mussten 14 Häuser evakuiert werden

Es gebe jetzt ein Konzept zur dauerhaften Sicherung des Hangs, das Anfang der Woche mit dem Landratsamt Esslingen abgestimmt worden sei, versucht Andreas Neureuther, der Technische Beigeordnete der Stadt Nürtingen, die Betroffenen zu beruhigen. In der nächsten Woche werde dieses Konzept zunächst mit dem Eigentümer des Neubaus besprochen und danach auch mit den anderen Anwohnern. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran“, versichert Andreas Neureuther.

Das Unglück hatte vor knapp anderthalb Jahren große Aufregung verursacht. Kurz vor 1.30 Uhr hatten die Kurts bemerkt, dass sich auf dem Nachbargrundstück Steine vom Hang lösten. Als die Polizei eintraf, hatten sich unterhalb des Rohbaus bereits mehrere größere Steine mit einem Durchmesser von bis zu zwei Metern sowie Erdreich gelockert. Bäume und Steine rutschten bis auf die Panoramastraße hinunter. 14 Häuser mussten evakuiert werden. 35 Menschen kamen bei Verwandten oder Bekannten unter oder wurden in einer Notunterkunft einquartiert.

Alle sechs Wochen wird die Lage am Hang kontrolliert

Nach den Angaben der Stadt wird die Situation am Hang alle sechs Wochen kontrolliert. Dazu gebe es an zwei Gebäuden und am Hang selbst Messpunkte. An den Gebäuden und der an der Panoramastraße angrenzenden Felsformation seien bislang keine Verschiebungen registriert worden. Aber an einer Stelle im unteren Hangbereich habe sich das Gelände im Mai um rund anderthalb Meter verschoben und um circa 70 Zentimeter gesenkt. Dieser Bereich sei stabilisiert worden. Und bei einigen Messpunkten im Bereich der Rutschfläche gebe es im Beobachtungszeitraum von zehn Monaten Lageveränderungen von wenigen Zentimetern. „Ob die Ursache für diese Veränderungen in der Hanglage oder in der durch den Hangrutsch ausgelösten Störung der Verhältnisse im Hang begründet ist, kann nicht mit letzter Sicherheit bestimmt werden“, sagt der Nürtinger Pressesprecher Clint Metzger.

Die in dem Konzept nun vorgesehenen Arbeiten würden den Hang aber endgültig sichern, heißt es weiter aus dem Rathaus. Am wichtigsten seien dabei die Entwässerung der Schichten, eine Stützmauer unterhalb des Neubaus und eine geschlossene Begrünung des Hangs. Anwohner wie die Kurts befürchten indes, dass diese Maßnahmen zu spät kommen könnten.

Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem gegen Bauherren

Schon jetzt sind ihre Sorgen groß. „Unser Haus ist kaputt“, sagt Ayhan Kurt. Fenster, Fliesen, Drainage, Stromversorgung, die komplette Gartenanlage – vieles sei durch den Erdrutsch stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Der Schaden summiere sich auf knapp 180 000 Euro. Wer die Verantwortung für den Hangrutsch trägt und wer für die Schäden aufkommt, ist strittig. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Bauherren des Neubaus, eine Architektin, den Verantwortlichen einer Gartenbaufirma und einen Statiker laufen noch. Anwohner werfen der Stadt vor, dass sie den Neubau in dem früheren Steinbruch niemals hätte genehmigen dürfen. Das Rathaus hat sich jedoch früh als nicht verantwortlich erklärt und auf den Bauleiter sowie einen vom Bauherrn beauftragten Geologen verwiesen.