Masken, Filtertechnik, Desinfektionsgeräte im Kampf gegen das Coronavirus – Firmen im Südwesten stellen ihre Produktion um. Ein Überblick.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart - Der Aufruf des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) ist auf große Resonanz gestoßen. Kretschmann hatte die Industrie am Montag in einem Brief um Hilfe bei der Beschaffung von medizinischen Produkten gebeten. Dabei geht es etwa um Atemschutzmasken oder Komponenten für Beatmungsgeräte.

 

„Es ist großartig, wie viele Unternehmen sich schon jetzt auf mein Schreiben von Montag gemeldet haben“, sagte Kretschmann am Dienstag unserer Zeitung. „24 Stunden nach Versand gab es schon mehr als 15 Firmen, die rückgemeldet haben, sie könnten Komponenten für neue Beatmungsgeräte liefern: Automobilfirmen, Zulieferer, Unternehmen aus dem Maschinenbau.“

Das Engagement und die Bereitschaft zu helfen sei überall riesengroß. „Dieser Zusammenhalt freut mich riesig, macht mich auch stolz auf meine Landsleute und stimmt mich zuversichtlich: Wir werden diese Krise überstehen und vielleicht sogar stärker, solidarischer, besser aus ihr herauskommen“, sagte Kretschmann.

Mahle und Bosch wollen einen Beitrag leisten

„Auch wir wollen einen Beitrag leisten“, sagte ein Sprecher des Stuttgarter Autozulieferers Mahle. Derzeit prüfe das Unternehmen etwa, inwiefern Filtrationstechnologien im medizinischen Bereich verwendet werden können. „Außerdem verfügen wir über möglicherweise hilfreiche Fertigungskapazitäten wie beispielsweise 3-D-Drucker“, so der Sprecher. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran zu erörtern, wie wir dem Land bei der Beschaffung von dringend benötigten Komponenten helfen können.“

Auch der Technologiekonzern Bosch prüft, wie das Unternehmen mit eigenen Produkten sowie gegebenenfalls mit Fertigungs-Know-how und -kapazitäten zu Lösungen beitragen kann, die bei der Eindämmung des Coronavirus helfen, sagte eine Sprecherin. „Erste Ideen und auch Initiativen von Mitarbeitern werden auf Machbarkeit und vor allem rasche Umsetzbarkeit hin bewertet.“

Der Wäschehersteller Mey mit Sitz in Albstadt steigt kurzfristig in die Produktion von Atemschutzmasken ein. „Der Vorteil unserer Produkte ist, dass es sich hierbei um Produkte aus Baumwollstoffen handelt, welche bei 90 Grad waschbar sind und somit mehrmals wiederverwendet werden können – im Gegensatz zu Einwegprodukten“, erläuterte Matthias Mey, der geschäftsführende Gesellschafter der Mey-Gruppe. Die letzten Tests und Prototypen seien fertiggestellt und das Unternehmen beginne in dieser Woche mit der Konfektion. Die Produkte stehen derzeit allerdings ausschließlich zum Direktvertrieb an Kliniken und medizinische Betriebe zur Verfügung.

Südwesttextil errichtet eigene Plattform

Der Wirtschafts- und Arbeitgeberverband Südwesttextil hat eine Internetplattform eingerichtet, auf der Textilproduzenten ihren Beitrag zur Produktion von Schutzausrüstung anbieten und mit Abnehmern in Verbindung treten können. Bereits 35 Betriebe haben sich dort eingetragen. „Textil ist eine überwiegend mittelständische Industrie. Die wenigsten sind groß genug, alles selbst herzustellen“, so Peter Haas, Hauptgeschäftsführer Südwesttextil. „Produktionsketten und Netzwerke gehören zu unserer DNA.“ Das zeige sich jetzt auch in der Krise. „Unsere Firmen wollen nicht passiv und einsam untergehen, sondern machen. Das ist auch eine Chance für Textil“, sagte Haas.

Der Stuttgarter Prüfkonzern Dekra will einen Beitrag dazu leisten, dass mehr Masken zertifiziert werden können. Das Unternehmen hat seine Kapazitäten erweitert, um in einem neuen Prüfverfahren zügig Masken speziell für den Einsatz gegen das Coronavirus testen zu können.

Die Wagner-Gruppe, ein Beschichtungsspezialist aus Markdorf, prüft derzeit, ob Sprühgeräte für Lacke und Lasuren auch mit Desinfektionsmittel befüllt und für die Reinigung von Räumen verwendet werden können.

Produktion von Desinfektionsmittel wird erweitert

Der Medizinartikelhersteller Paul Hartmann will die Produktion des Desinfektionsmittels Sterillium ausweiten, das vor allem in Krankenhäusern und Arztpraxen zum Einsatz kommt. Schon Ende Februar waren beim Tochterunternehmen Bode Chemie am Standort Hamburg wegen der Verbreitung des Coronavirus Sonderschichten gefahren worden. Nun soll auch das Tochterunternehmen Kneipp mit Sitz in Würzburg Sterillium produzieren.

Dietrich Birk, der Chef des baden-württembergischen Maschinenbauverbands VDMA, hat in einem Brief an Kretschmann angekündigt, einen Appell an die 800 Mitgliedsunternehmen zu richten und sie um Hilfe bei der Produktion und Beschaffung von Medizinprodukten zu bitten. Birk wendet sich aber auch mit einer Bitte an den Ministerpräsidenten.

Er appelliere an Kretschmann, „sich unbedingt gegen eine mögliche allgemein angeordnete Schließung der Industrieproduktion einzusetzen“. Auch ohne den Corona-Effekt sei der VDMA von einem Produktionsminus von fünf Prozent ausgegangen. Angesichts der Krise durch das Virus sei der weitere Geschäftsverlauf der Branche nicht mehr abzusehen.