So zornig wird Barack Obama selten: Die Tiraden von Donald Trump im Nachgang des Massakers von Orlando bezeichnet der Präsident am Dienstag als leeres Geschwätz.

Orlando - Das möglicherweise islamistisch motivierte Massaker von Orlando hat in den USA eine in seltener Schärfe geführte Debatte über den Umgang mit Muslimen ausgelöst. „Der Killer von Orlando war ein US-Bürger. Wollen wir jetzt deswegen alle Muslime wegen ihres Glaubens diskriminieren?“, fragte Präsident Barack Obama am Dienstag bei einer Rede in Washington. Tags zuvor hatte der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump Obamas Kurs scharf kritisiert und seine Forderung nach einem Einreisebann unter anderem für Flüchtlinge aus Syrien erneuert.

 

Obama sprach in Bezug auf Trumps Worte von „Gerede“ und „leerem Geschwätz“. „Wenn wir alle Muslime über einen Kamm scheren, gehen wir denen auf den Leim, die einen Krieg zwischen dem Islam und dem Westen oder den USA wollen, dann erledigen wir die Arbeit der Terroristen“, sagte Obama. In den USA ist nur etwa ein Prozent der Bevölkerung muslimischen Glaubens.

Der Todesschütze von Orlando hatte sich auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) berufen. Er schoss in der Nacht zum Sonntag in einem Nachtclub um sich. Bei seinem Angriff starben 49 Menschen, mehr als 50 wurden verletzt. Er selbst wurde von der Polizei getötet.

Republikaner sind gegen Verschärfungen des Waffenrechts

Im US-Kongress kam eine Debatte über eine Verschärfung der Waffengesetze auf. Demokratische Abgeordnete forderten vehement strengere Richtlinien für den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen. „Wir haben genug von Schweigeminuten“, sagte die demokratische Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus, Nancy Pelosi. Die Republikaner im Kongress sind jedoch mit ihrer parlamentarischen Mehrheit gegen Verschärfungen.

Auch die Vereinten Nationen schalteten sich in die Debatte ein und drängten die USA zum Handeln. „Es ist schwer, eine rationale Begründung zu finden, die erklärt, wieso Menschen dort so einfach Schusswaffen kaufen können“, sagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad Al-Hussein, in Genf.

Unterdessen schilderte ein Überlebender der Terrornacht von Orlando in dramatischen Worten das Geschehen in dem Nachtclub „Pulse“. Der Attentäter habe systematisch einen Besucher nach dem anderen erschossen. Später habe er nochmals auf Liegende geschossen, offenbar um sicher zu gehen, dass sie tot sind. „Ich dachte ich bin der nächste, ich dachte ich bin tot“, sagte Angel Colon, der mehrere Schusswunden davontrug.

Im Krankenhaus werden derzeit nach Ärzte-Angaben noch 27 Menschen behandelt, meist an Schusswunden. Sechs Menschen seien in kritischem Zustand und damit in Lebensgefahr. Die Ärzte schlossen nicht aus, dass sich die Zahl der Todesopfer noch erhöhen könnte.

Das FBI konzentriert sich auf die Motivlage des Attentäters Omar Mateen. Am Montagabend hatten US-Medien berichtet, der 29-Jährige solle vor der Tat häufiger in dem Club zu Gast gewesen sein, in dem vor allem Schwule und Lesben verkehren. Er soll demnach auch eine Dating-App für Schwule genutzt haben.

Suche nach dem Motiv des Todesschützen

Seine zweite Ehefrau Noor Mateem hat einem Bericht des US-Senders NBC zufolge von den Anschlagsplänen Kenntnis gehabt und versucht, ihn davon abzubringen. Das habe sie dem FBI gesagt, berichtete NBC ohne genauere Quellenangabe. Sie habe ihren Mann mindestens einmal ins „Pulse“ gefahren, das er habe auskundschaften wollen. Noor Mateen, die einen drei Jahre alten Sohn mit dem Attentäter hat, müsse nun mit einer Anklage rechnen, berichte NBC unter Berufung auf Justizkreise.

Die Suche nach dem Motiv des Todesschützen wird dagegen immer komplizierter. Die „Washington Post“ berichtete unter Berufung auf frühere Mitschüler Mateens, dieser habe bereits im Jahr 2001 die Anschläge vom 11. September bejubelt und Reaktionen auf die Taten veralbert. Auch soll er Berichten zufolge das berühmte Disneyland in Orlando ausspioniert haben.

Die US-Bundespolizei FBI hat nach den Worten ihres Direktors James Comey ein Dickicht von Äußerungen des Attentäters zu entwirren, die dem ersten Anschein nach nicht zusammenpassen. Das FBI schließt weiterhin nicht aus, dass es Mittäter oder Helfershelfer gibt - auch wenn Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton bereits von einem „einsamen Wolf“ sprach. Hinsichtlich des Vaters des Attentäters, Siddique Mateen, werden vom Bundeskriminalamt mögliche Verbindungen nach Deutschland geprüft.

Comey hatte am Montag nach ersten Erkenntnissen ausgeschlossen, dass der Attentäter von einem internationalen Terrornetzwerk Instruktionen erhielt. Comey und Obama erklärten, Mateen sei von verschiedenen Quellen über das Internet extremistisch inspiriert worden.