Der nach einer Covid-19-Infektion verstorbene AfD-Landtagsabgeordnete Bernd Grimmer wird „als Held der Freiheit“ bezeichnet, weil er sich nicht impfen ließ.

Stuttgart - Der an den Folgen einer Corona-Infektion verstorbene Pforzheimer AfD-Landtagsabgeordnete Bernd Grimmer wird auf Facebook vom AfD-Kreisverband Stuttgart „als Held der Freiheit“ bezeichnet. Der ungeimpfte 71-Jährige habe nicht „zum Versuchskaninchen von Pharmalobby und Altparteien degradiert werden“ wollen, heißt es in dem Nachruf. Er habe sich gegen eine Impfung entschieden, „weil für ihn Freiheit wichtiger war“. Man müsse damit rechnen, „dass es noch zu weiteren Todesfällen kommen kann“. „Auch das wird man nicht ändern können.“ Grimmer starb nach einer dreiwöchigen Erkrankung in der Nacht auf Sonntag in einer Klinik.

 

AfD-Sprecher Hartung hält nichts vom Impfschutz

Ähnlich fatalistisch äußert sich auch Thomas Hartung, Pressesprecher der AfD-Fraktion im Landtag, zum Tod des Pforzheimer Stadtrates und Stuttgarter Abgeordneten. „Man kann mit einer Impfung sterben, man kann ohne eine Impfung sterben“, sagt Hartung. Natürlich sei „jeder Tod einer zu viel“, aber er setze auf das Prinzip der „Durchseuchungstheorie“ und würde sowohl Ansteckungen als auch Sterbefälle billigend in Kauf nehmen. Sein Credo: „Es ist nicht Aufgabe der Regierung, das Volk vor dem Tod zu schützen.“

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Als Impfskeptiker hatte Grimmer eine klare Position bezogen und immer wieder die Corona-Maßnahmen der Regierung kritisiert. „Das Corona-Regime hierzulande kann nur noch als krank bezeichnet werden“, schrieb er auf Facebook und sprach vom „Alarmismus“ der Politiker.

Mit einem Direktmandat 2016 in den Landtag

Grimmer war 2016 einer von zwei AfD-Abgeordneten, die bei der Landtagswahl ein Direktmandat gewonnen haben. Es setzte sich in der Russlanddeutschen-Hochburg Pforzheim durch. Der Volkswirt und wissenschaftspolitische Sprecher seiner Fraktion galt innerhalb der Partei nicht als Scharfmacher. Seine politische Vergangenheit ist eine der Gegensätzlichkeiten: In den 80er Jahren schloss er sich den Grünen an und wurde 1984 erstmals für die Grüne Liste in den Pforzheimer Gemeinderat gewählt.

Später saß er dort als Mitglied der Unabhängigen Bürger und wechselte dann zu den Rechtspopulisten. In die AfD kam er während der Gründungsphase als euroskeptische Partei noch unter Bernd Lucke, er hatte die Hoffnung, aus ihr eine konservativ-bürgerliche Partei zu machen. Damals sagte er zur Gefahr einer Radikalisierung: „Genau dafür will ich sorgen, dass wir nicht das Schicksal anderer neuer Parteien erfahren.“ Angesichts des Vordringen des „Flügels“ auch im Land geriet er mit dieser Position zunehmend in die Minderheit.

Im Jahr 2014 wurde Grimmer AfD-Stadtrat und hatte seither zudem die Funktion des Vorsitzenden der AfD-Fraktion inne. Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) würdigt den Verstorbenen als „einen engagierten und versierten Kommunalpolitiker“, der die Stadt seit den 80er-Jahren mitgeprägt habe. Es sei schockierend und bedrückend, „dass ein geschätzter Kollege und Mensch so plötzlich und unerwartet aus unserer Mitte gerissen wurde“.

Im AfD-Kreisverband Pforzheim Enzkreis ist die Bestürzung groß. Co-Vorstandsmitglied Alfred Bamberger spricht von einem großen Verlust und dass Bernd Grimmer, „eine Lücke hinterlasse“, die kaum zu füllen sei. Der 64-jährige Bamberger soll für den Verstorbenen in den Landtag nachrücken. Er wolle dieses gerne machen, sagt der selbstständige Informatiker, auch wenn er darum wisse, dass die „Fußstapfen“ seines Vorgängers groß seien.

Gegen die Personalie regt sich bereit Widerstand. Die Vorsitzenden der Fraktionen von Grünen, CDU, SPD und FDP forderten am Dienstag die AfD-Fraktion in einer gemeinsamen Mitteilung auf, Bamberger nicht in die Fraktion aufzunehmen. Der Grund: Bamberger habe auf der Facebook-Seite seines Kreisverbands das Anzünden von Flüchtlingsunterkünften mit zivilem Ungehorsam verglichen. „Wer zynische Witze auf brennende Flüchtlingsheime macht, hat im Landtag nichts verloren“, sagte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz.