Im Fall Oliver Kube hat die Stadt nun Anzeige gegen den Stadtrat erstattet. Die Polizei prüft derweil die Anschuldigungen, die Kube gegen sie erhoben hat.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Es ist ein wohl einmaliger Vorgang in Ludwigsburg: Die Stadtverwaltung hat wegen der Vorkommnisse auf dem Akademiehof, bei denen vor zehn Tagen mehrere Personen mit dem Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) und der Polizei aneinander geraten waren, Anzeige gegen einen Stadtrat erstattet. Die Anschuldigungen richten sich gegen Oliver Kube, der für die Wählergemeinschaft Ökolinx im Gemeinderat sitzt. Kube soll unter anderem Polizisten beleidigt und versucht haben, einen Sicherheitsmann zu schlagen. „Die weiteren Ermittlungen werden durch die Staatsanwaltschaft durchgeführt“, erklärt das Rathaus.

 

Anlass für die Auseinandersetzung war, dass eine Gruppe um Kube am Samstagabend vor einer Woche Musik auf dem bei Jugendlichen beliebten Akademiehof gehört hatte. Eskaliert ist die Situation, weil der Stadtrat offenbar nicht bereit war, den Beamten seinen Personalausweis zu zeigen. Später soll er den Einsatz gefilmt und gedroht haben, das Video im Internet zu veröffentlichen, woraufhin sein Handy konfisziert wurde. Kube selbst hat inzwischen erklärt, die Aggression sei nicht von ihm oder seinen Begleitern, sondern vom KOD und der Polizei ausgegangen. Die Ordnungshüter seien „immer bedrohlicher“ aufgetreten und hätten ihn brutal zu Boden gebracht, wobei er sich Verletzungen im Gesicht und am Knie zugezogen habe.

Stadt: Ausweispflicht gilt auch für einen Stadtrat

Diese Darstellung wiederum weist nun die Stadt zurück. „Der Vorwurf von Herrn Kube ist ungerechtfertigt“, erklärt die Sprecherin Susanne Jenne. Für den KOD habe bürgernahes und deeskalierendes Auftreten höchste Priorität. „Die Anwendung unmittelbaren Zwangs kommt nur als letztes Mittel und in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, wenn bei besonders aggressiven oder stark betrunkenen Personen keine andere Möglichkeit mehr besteht.“ Auch für Oliver Kube gelte, dass er sich gegenüber Ordnungskräften ausweisen muss, sagt Jenne. „Der Status als Gemeinderat gibt ihm diesbezüglich kein Sonderrecht.“

Letztlich steht Aussage gegen Aussage, was auch der Grund dafür ist, dass sich die Ludwigsburger Kommunalpolitik mit Bewertungen noch zurückhält. „Wir kennen jetzt die Sichtweise beider Seiten, und sie gehen total auseinander“, sagt der Grünen-Fraktionschef Michael Vierling. Die Vorgänge müssten strafrechtlich bewertet werden, erst dann könne man sich ein Bild machen. „Alles, was wir jetzt sagen würden, wäre falsch – wir schlagen uns auf keine Seite.“ Auch der politische Gegner, die CDU, hält sich bedeckt. „Herr Kube ist ein Fall für die Gerichte, mit mehr beschäftigen wir uns nicht“, sagt der Fraktionsvorsitzende Klaus Herrmann.

Kube hat dem Ordnungsdienst indirekt Rassismus vorgeworfen

In sozialen Medien wie Facebook schlägt der Fall hohe Wellen, was auch daran liegt, dass Kube polarisiert. Der 28-Jährige war lange Zeit Mitorganisator des Rock-gegen-Rechts-Festivals in Ludwigsburg und engagiert sich gegen Rassismus, wofür er oft gelobt wurde. Er hat sich mit provokanten Aussagen aber auch diverse politische Feinde geschaffen. Kube bezeichnet sich selbst als Kommunisten und war im Streit aus der Linkspartei ausgeschieden, in der er rassistische Tendenzen erkannt haben will. Auch den Mitarbeitern des Kommunalen Ordnungsdiensts hat er bereits indirekt Rassismus vorgeworfen, als er 2017 behauptete, diese würden bevorzugt Menschen dunkler Hautfarbe kontrollieren. Für manche Kommentatoren im Internet ist Kube deswegen ein rotes Tuch, größenwahnsinnig, ein Gesetzesbrecher und ein Provokateur, der auf dem Akademiehof das „bekommen hat, was er verdient“. Andere verteidigen den Stadtrat und kritisieren den KOD, der wegen ein bisschen Musik völlig überreagiert habe.

Ähnlich unterschiedlich sind die Einschätzungen im Gemeinderat in Bezug auf Kubes politische Ansichten. Für Vierling ist Kube ein „Idealist und eine kontroverse Figur, die den Gemeinderat bereichert und belebt“. Für Herrmann gehört der junge Stadtrat zur „extremen Linken, die genauso wie die extreme Rechte bekämpft werden muss“.

Haben die Ereignisse ein Nachspiel innerhalb der Polizei?

Dass Kube aus dem Gemeinderat ausgeschlossen wird, ist indes unwahrscheinlich. Die diesbezüglichen Regelungen in der Gemeindeordnung sind vage. In der Praxis durchgesetzt hat sich, dass Bürger ihre Wählbarkeit – und damit das Recht, Mitglied eines Gemeinderats zu sein – verlieren, wenn sie wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werden.

Völlig unklar ist hingegen noch, ob die Ereignisse ein Nachspiel innerhalb der Polizei haben. Oliver Kube sagt, eine Bekannte von ihm sei während der Rangelei auf entwürdigende Art schikaniert worden. Die Polizisten hätten die Frau ebenfalls zu Boden gerissen, wobei der Träger ihres Kleids und ihr BH beschädigt worden seien. Danach sei sie gefesselt worden und die Beamten hätten ihr verboten, die Kleidung wieder zu richten, weshalb sie mehrere Minuten mit entblößten Brüsten auf dem Platz habe stehen müssen.

Später wurden Kube und die Frau in Gewahrsam genommen, und in der Zelle soll es zu einem weiteren Vorfall gekommen sein. Laut Kube zwangen Polizisten die Frau, mit bloßen Händen in eine mit Exkrementen gefüllte Toilette zu greifen. „Auch wenn die Anschuldigungen abstrus klingen – wir gehen dem gerade nach“, versichert das Polizeipräsidium.