Der Beschluss der Regionalversammlung, den Bau eines neuen Gäubahntunnels zu unterstützen, hat nicht nur Freude ausgelöst. Vor allem in Anrainerkommunen der Gäubahnstrecke im Süden des Landes sieht man das Votum kritisch.

Stuttgart - Das positive Votum der Regionalversammlung für den Gäubahntunnel und ihre Weigerung, Alternativen wie die Anbindung an den S-21-Tiefbahnhof mit einem kurzen Umkehrtunnel an der Heilbronner Straße zu prüfen, stößt auf massive Kritik. Der BUND bemängelt die Entscheidung heftig, und auch Oberbürgermeister und Bürgermeister von Städten im Einzugsgebiet der Gäubahn südlich der Region sind enttäuscht. Ihre Befürchtung: Bis der Tunnel fertig ist, kann die Gäubahn nicht in den Stuttgarter Hauptbahnhof fahren und endet in Stuttgart-Vaihingen oder, wenn die Panoramastrecke benutzt wird, im Bereich des Nordbahnhofs. „Unsere Region ist auf eine leistungsfähige Gäubahn angewiesen“, sagt der Tuttlinger OB Michael Beck. Seine Amtskollegen aus Böblingen, Rottweil und Villingen-Schwenningen pflichten ihm bei.

 

Unterbrechung von fünf bis zehn Jahren

Der Bau eines Gäubahntunnels, der die Schienenstrecke von Böblingen kommend unterirdisch an den Flughafen in einer 12 Kilometer langen Röhre anbindet und von dort über den S-21-Fildertunnel zum neuen Tiefbahnhof führt, war im Juli ins Gespräch gekommen. Die Folge wäre aber, dass nach der Inbetriebnahme von S 21 im Dezember 2025 bis zur Nutzung des Tunnels die Gäubahn nicht mehr direkt ins Stadtzentrum fahren würde. Das könnte fünf, vermutlich aber eher zehn Jahre dauern.

Alternativvorschlag mit Tiefbahnhof

Deshalb hatten der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und der Fahrgastverband Pro Bahn vorgeschlagen, die Gäubahn direkt an den Tiefbahnhof anzubinden – das geht über die Panoramastrecke und einen Umkehrtunnel. Hinter diesen Vorschlag, zumindest seine Prüfung, haben sich mehr als ein Dutzend Oberbürgermeister und Bürgermeister von Kommunen entlang der Gäubahnstrecke gestellt. Eine Mehrheit aus CDU, Freien Wählern, SPD, FDP und AfD befürwortete aber den Gäubahntunnel, vor allem weil die heutigen Gleise zum Flughafen ausschließlich für den S-Bahnverkehr genutzt werden können und die fast zweijährige Betriebsunterbrechung für das dann nicht mehr nötige dritte Gleis vermieden würde. Der Antrag, auch die Alternativen zu prüfen, wurde nur von Grünen und Linken unterstützt.

Fehlinfos an die OB?

Zwar brachten die Grünen in der Debatte das Votum der Kommunalvertreter an der Strecke, darunter auch einige mit CDU-Parteibuch, ins Gespräch. Der CDU-Regionalrat Rainer Ganske, der den VCD-Vorschlag wegen mangelnder Kapazitäten nicht für realisierbar hält, meinte dazu nur, diese Gegnerschaft sei „nur durch Fehlinformationen zu erklären“. Dem entgegnete André Reichel von den Grünen: „Das sind nicht nur Dummerle.“

„Eine Einladung, das Auto zu benutzen“

Kritik kommt auch vom BUND, der erneut interimsweise eine oberirdische Anbindung der Gäubahn mit Erhalt eines Teils des Kopfbahnhofs favorisiert, was aber von Region und Stadt abgelehnt wird. Mit der Entscheidung zum Gäubahntunnel verabschiede sich die Region von einem „zukunftsweisenden, klimaschonenden Mobilitätskonzept“. Der BUND fordert, dass die Gäubahn „dauerhaft und ohne Unterbrechung zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren“ müsse. Eine fünf- bis zehnjährige Unterbrechung sei „ein Desaster für den Schienenverkehr für die Region Stuttgart, die südlichen Landesteile bis zum Bodensee und die angrenzende Schweiz“. Längere Fahrtzeiten und der Zwang zum Umsteigen seien „eine Einladung, vermehrt das Auto zu benutzen.“

Nicht gerade überraschend hat auch der bahnpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Matthias Gastel, die Beschlüsse kritisiert. „Der Verband kümmert sich um Dinge, für die er nicht zuständig ist, und vernachlässigt seine eigenen Aufgaben“, sagt er. Der Gäubahntunnel sei allein Aufgabe des Bundes, warum die Region eine Mitfinanzierung in Aussicht stelle, sei unverständlich.

Region formuliert Bedingungen

Wie es nun weitergeht, ist offen. Noch immer läuft nämlich das Genehmigungsverfahren für die S-21-Pläne am Flughafen, zudem müsste der Finanzierungsvertrag, an dem auch die Region beteiligt ist, neu verhandelt werden. Die Region hat schon mal die Voraussetzungen formuliert, zu der sie zu einer Vertragsänderung bereit wäre: Die S-Bahngleise in dem Bereich müssten wie vorgesehen mit digitaler Steuerungstechnik und neuen Weichen ausgestattet werden.