In Stuttgart besucht fast jeder fünfte Schüler eine Privatschule. Doch viele dieser freien Schulen müssen aus Platzgründen Bewerber abweisen. Mehrere Schulen vergeben einen Teil ihrer Plätze über das Losverfahren.

Stuttgart - Die Nachfrage nach privaten weiterführenden Schulen in Stuttgart steigt weiter. 7073 Schüler sind es zurzeit – so viele wie seit fünf Jahren nicht mehr. An vielen Schulen ist der Andrang so groß, dass Bewerber abgewiesen werden. Mehrere Schulen verlosen daher einen Teil ihrer Plätze. Im Unterschied zu städtischen Schulen kommen bei Schulen in freier Trägerschaft auch Kinder von außerhalb der Stadt zum Zug. Besonders beliebt sind konfessionelle Bildungseinrichtungen, in denen man auch auf das Vermitteln christlicher Werte setzt, und solche mit mehreren Schularten unter einem Dach.

 

„Wir sind übervoll“, sagt Marietta Steidle-Rieger, die Leiterin des katholischen St.- Agnes-Gymnasiums für Mädchen. 160 haben sich beworben. Mehr als vier Eingangsklassen konnten aber nicht gebildet werden. „Wir lassen uns die Gymnasialempfehlung zeigen und schauen uns die Zeugnisse an“, sagt Steidle-Rieger. Vor allem müssten die Eltern und deren Kinder das Schulprofil mittragen: An erster Stelle stünden soziale Verantwortlichkeit und christliche Werte, auch Gottesdienst und Morgengebete gehören dazu – auch für muslimische Schülerinnen. Es gehe vor allem um Mädchen- und Persönlichkeitsbildung, um ein gutes Miteinander. „Und nicht um einen super Abi-schnitt“, so Steidle-Rieger. Das ermögliche auch Lernen in größeren Klassen. Viele kommen von außerhalb. Mit 47,90 Euro monatlicher Schulgebühr ist das St. Agnes die günstigste Privatschule in Stuttgart.

Mehr Zulauf als Plätze hat auch das katholische Albertus-Magnus-Gymnasium in Bad Cannstatt. 200 Kinder wollten in eine der drei Eingangsklassen – 88 habe man aufgenommen, sagt Schulleiterin Gabriela Künne. Man habe gelost. Geschwisterkinder hätten indes Vorrang. Künne betont aber: „Es gibt keine harten Aufnahmekriterien. Wir versuchen, Klassengemeinschaften zu bilden, in denen sich alle Kinder wohlfühlen.“ Künne führt das große Interesse auf das Schulprofil mit dem Marchtaler Plan und der Montessori-Pädagogik zurück. Mit dem vernetzten Unterricht, also etwa der Verbindung von Deutsch mit Sachfächern, vermittle man einen umfassenderen Blick auf die Welt. „Auch der katholische Background ist vielen wichtig“, sagt Künne. Dabei sei ein gutes Drittel der Schüler nicht katholisch. Zwei Drittel kämen nicht aus Stuttgart. Die Schulgebühr beträgt 80 Euro im Monat – pro Familie. Wenige freie Plätze gebe es noch in der Realschul-Quereinsteigerklasse, die das allgemeinbildende Abi anstreben.

Eine lange Warteliste haben auch das evangelische Mörike-Gymnasium und die Mörike-Realschule. „Zwei Schularten unter einem Dach, das verstärkt die Nachfrage noch mal“, sagt Gesamtleiterin Sonja Spohn. Weil nur für zwei Züge pro Schulart Platz sei, habe man beim Gymnasium 41 und bei der Realschule 25 Bewerber abweisen müssen – nach 260 Gesprächen. Gelost wurde aber nicht. Im nächsten Schuljahr steigt die Gebühr auf 146 Euro.

Auch das evangelische Heidehof-Gymnasium verlost Plätze – unabhängig vom Wohnort

Ebenso viel kostet der Schulbesuch im evangelischen Heidehof-Gymnasium. Bei 184 Bewerbern auf 84 Plätze habe man beschlossen, zu losen, berichtet Schulleiter Berthold Lannert. „Nur Geschwisterkinder haben den Platz sicher.“ Keine Rolle spiele die Grundschulempfehlung. Als Grund für den Zulauf nennt er die „gute Schulatmos-phäre“. Dazu trage auch bei, dass man die Lehrer selbst aussuche.

Wegen Überfüllung abweisen musste auch die Freie Evangelische Schule in Möhringen: „Am Schluss haben wir gelost“, sagt Schulleiterin Carmen Behling. Bei 150 Anmeldungen, davon 110 für die Realschule, mussten sich 35 nach einer anderen Realschule und 12 nach einer anderen Werkrealschule umsehen. Vorrang hatten die eigenen Grundschüler. Behling führt das große Interesse auf die Werteorientierung zurück und darauf, dass die Persönlichkeit der Kinder im Vordergrund stehe. Das evangelische sei „prägend im Schulalltag“, der Religionsunterricht Pflicht. Die Schulgebühr beträgt 145 Euro. Gut an komme die Option, nach Klasse sieben oder zehn aufs berufliche Gymnasium zu wechseln.

In der evangelischen Torwiesenschule profitieren Realschüler auch vom Schulsozialarbeiter

Noch wenige Plätze frei hat die evangelische Torwiesenschule in ihrer einzügigen Realschule, die mit Grund- und Sonderschule unter einem Dach arbeitet und vom unterschiedlichen Knowhow der Lehrer und einem Schulsozialarbeiter profitiert. Die Realschule kooperiert bei den Wahlpflichtfächern mit der Mörike-Realschule, wo Französisch stattfindet, während der Fächerverbund Mensch und Umwelt in der Lehrküche der Torwiesenschule erfolgt. Die Schulgebühr beträgt 155 Euro (mit Geschwisterstaffelung).

Die Waldschule in Degerloch lässt sich Grundschulempfehlung und das Zeugnis der dritten Klasse zeigen und führt ein kurzes Aufnahmegespräch. Wie in den Vorjahren musste sie je 20 Bewerber für Gymnasium und Realschule – beide zweizügig – abweisen. Noch wenige freie Plätze bietet die Merzschule. Sie ist mit 415 beziehungsweise 550 Euro Monatsgebühr (Ganztagszug) die teuerste deutschsprachige Privatschule in Stuttgart. Dort haben die meisten der 46 künftigen Gymnasiasten zuvor die Merz-Grundschule besucht.

Die vier Waldorfschulen hätten zwar eine relativ hohe Nachfrage auch in Klassenstufe fünf, jedoch wegen des durchgängigen Bildungsganges von der ersten Klasse bis zum Abitur kaum Zugangsmöglichkeiten für Späteinsteiger, wie Thorsten Feles von der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen einräumt.