Fair, ökologisch, klimafreundlich: Immer mehr Modehersteller werben mit solchen Attributen. Doch das nachhaltigste Mittel überhaupt – nämlich das Reparieren von kaputten Kleidern – bietet kaum eine Firma an. Wenn doch, gibt es Haken.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Beim Kauf neuer Kleidung oder Schuhe auch noch ein gutes Gewissen dazu bekommen? Immer mehr Hersteller bezeichnen sich als nachhaltig, klimafreundlich, ethisch oder fair. Sie investieren Geld in Trinkwasser- oder Plastiksammelprojekte oder unterstützen Umweltgruppen. Wenn jedoch ein bei diesen scheinbar vorbildlichen Firmen gekauftes Produkt kaputt geht, ist es mit der Nachhaltigkeit nicht mehr weit her. Kaum ein Modehersteller repariert Ware, erst recht nicht ohne hohen Aufwand für den Käufer.

 

So bieten Marken wie das Rucksack-Start-up Journext aus Dresden oder der Schuhhersteller N’Go Shoes mit Sitz in Hamburg ihren Kunden lieber an, ihnen neue Ware zuzusenden, als defekte zu reparieren. Die kalifornische Outdoormodefirma Patagonia repariert zwar theoretisch kaputte Kleidung, betont aber, dass nicht alle Ware repariert werden könne, manches nur noch recycelt. Die Teile, die repariert werden, müssen vorher gereinigt und gewaschen werden. Und dann dauere es vier bis sechs Wochen, bis der Käufer seine Ware wieder erhalte, heißt es.

Es fehlt an Menschen, die noch nähen können

„Nur sehr wenige Modehersteller bieten eine Reparatur an, und oft ist es auch dann eher ein Lippenbekenntnis“, sagt Kai Nebel, der Leiter des Forschungsschwerpunkts Nachhaltigkeit und Recycling des Texoversums, Fakultät Textil an der Hochschule Reutlingen. „Ganz ernsthaft hat kein Modehersteller Interesse daran zu reparieren.“ Stattdessen seien alle daran interessiert, neue Kleider oder Schuhe zu verkaufen.

Und wie kann es sein, dass einige Firmen ihren Kunden lieber kostenfrei ein neues Produkt schicken, anstatt kleine Defekte zu reparieren? Ist das wirklich billiger? „Um reparieren zu können, müssen die Hersteller alle passenden Farben und Größen von Nähfäden, Reißverschlüssen, Knöpfen sowie die Logistik vorhalten“, erläutert Nebel. „Das ist zu teuer und aufwendig.“ Oftmals fehle es auch an den Personen, die noch professionell nähen könnten. Zudem sei für Hersteller die Frage schwierig, wer für Reparaturen bezahle: Der Kunde? Oder die Hersteller aus Kulanz? Manches könne man auch kaum reparieren – etwa ein Riss im Anorak.

Auch bei Nudie Jeans gibt es einen Haken

Eine Ausnahme bildet Nudie Jeans, eine Jeansmarke aus dem schwedischen Göteborg. Dort werden Jeans kostenfrei theoretisch ein Leben lang repariert, ruhig auch mehrfach, wie Michael Lundin betont, der Projektkoordinator im Bereich Reparieren und Wiederverwenden bei Nudie Jeans. Die Firma wurde 2001 gegründet, rund zehn Jahre später wurde der Reparierservice ins Leben gerufen. Im vergangenen Jahr hat Nudie Jeans 56 386 Hosen repariert. Das ist viel für eine Marke, die mit 23 Läden weltweit immer noch recht klein ist. „Wir versuchen, nie Nein zu sagen, wenn jemand seine Jeans reparieren lassen will“, sagt Michael Lundin. Nur wenn eine Jeans bereits zigfach repariert worden wäre, gebe man den Hinweis, dass eine weitere Reparatur schwierig werden könne und ob der Kunde darüber nachdenken wolle, die alte zu recyceln und dafür 20 Prozent Rabatt auf eine neue Jeans zu erhalten, erklärt er.

Wie viel sie der Reparaturservice kostet, kann oder will Lundin nicht sagen: Die meisten Hosen würden direkt in den Shops repariert von den Mitarbeitenden vor Ort. Es sei ein Teil derer Jobs. Eine Einschränkung gibt es auch bei Nudie Jeans: Bisher werden nur Hosen repariert, die in einem der Läden gekauft wurden. „Wir arbeiten daran, dass auch Onlinekunden diesen Service erhalten.“

Kaum jemand will für Reparaturen viel bezahlen

Dass sich Reparaturen selten für die Hersteller rechnen, zeige sich unter anderem an der Schließung etlicher Galeria-Filialen in Deutschland, meint der Experte Kai Nebel. Dort gibt oder gab es noch Änderungsservice, aber Geld lasse sich damit schwer verdienen. Dasselbe gelte für Schneidereien, meint Nebel. Er habe etwa kürzlich eine Jeans zum Nähen gebracht, bei der eine Hosentasche Löcher hatte, sodass das Kleingeld immer hinausfiel. Stopfen war nicht mehr möglich, das Einnähen einer neue Tasche hätte 50 Euro gekostet – ziemlich viel Geld.

„Viele Kunden wünschen sich zwar, dass ihre Kleidung repariert wird, aber beim Geldbeutel hört es dann auf“, sagt Nebel. Nur bei besonders hochwertiger Kleidung, die womöglich auch noch einen ideellen Wert habe – etwa die Lederjacke von Opa –, seien die Menschen bereit, mehr Mühe und Geld aufzubringen, bei Massenware sehe er wenig Motivation, „denn alles ist billig verfügbar“.

Ruf von Herstellern könnte auf dem Spiel stehen

Allerdings: Wer bei Herstellern etwas kauft, die sich bewusst von Fast Fashion abgrenzen, rechnet damit, dass diese nachhaltig arbeiten. Der Ruf von solchen Modeherstellern könnte auf dem Spiel stehen, wenn diese nicht tatsächlich fair und umweltfreundlich handelten, meint Kai Nebel.

Deshalb behelfen sie sich teilweise anders: Patagonia etwa tue wirklich schon recht viel für die Umwelt, meint Nebel, trotzdem hege er den Verdacht, dass dahinter vor allem Marketing stecke. So warb der kalifornische Outdoorhersteller etwa schon mit Sprüchen wie: „Überlege dir gut, ob du diesen Anorak wirklich brauchst. Falls nicht, kaufe ihn nicht.“ Das Ergebnis sei, dass die Leute den Anorak erst recht kauften, weil sie ein gutes Gefühl dabei hätten, meint Nebel. Gut möglich also, dass auch Kalkül dahintersteckt, wenn es für Kunden sehr aufwendig ist, etwas reparieren zu lassen.

Was geschieht mit Zalando-Retouren?

Versprechen
Der größte Modehändler in Europa ist Zalando. Er verspricht einen nachhaltigen Umgang mit Retouren, also mit zurückgeschickten Waren. 97 Prozent der Retouren würden wieder verkauft, heißt es, vernichtet weniger als 0,05 Prozent. Bereits 2019 verkündete Zalando, „eine nachhaltige Mode-Plattform mit einer netto-positiven Auswirkung auf Mensch und Erde“ zu werden.

Realität
Eine Recherche mehrerer Medien hat ergeben, dass dies so nicht stimmt. Zu diesen 97 Prozent gehören nicht jene Artikel, die von Partnern über Zalando verkauft und von diesen auch als Retoure direkt abgewickelt werden. Zalando hat rund 40 Tochtergesellschaften und mehr als 1600 Partner. (jub)