Der Impact Hub in Stuttgart fördert nachhaltige Gründungen – indem auch ganz gewöhnliche Start-ups mit den entsprechenden Zielen konfrontiert werden und sich gegenseitig inspirieren.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Man kann das zerfledderte Sperrmüllsofa auf der Bühne neben dem kleinen Café des Impact Hub auf dem Stuttgarter Wizemann-Gelände durchaus ein Statement nennen. Auch das alte, sozusagen für neue Bewohner recycelte Industriegebäude mit seinen rauen, unverputzten Wänden signalisiert auf seine Weise, dass man hier den Begriff Nachhaltigkeit ernst nimmt. Alles ist hier natürlich bio, öko und fair: vom Kaffee über die Brötchen bis zum Strom und Wasser, das nochmal extra aufbereitet wird. Etwa zwei Dutzend Start-ups oder Einzelunternehmer nutzen den Hub als Basis. Das ist zunächst ein flexibel zu buchender Büroarbeitsplatz. Doch seit etwa zwei Jahren legt man hier auch den Schwerpunkt auf die Start-up-Entwicklung. Events, Beratungsmöglichkeiten und vor allem die gegenseitige Inspiration sind das Rezept. Markus Besch, Mitgründer des Impact Hub, legt Wert darauf, dass das hier kein Start-up-Förderprojekt ist: „Unser Slogan ist: Profite machen, um Gutes zu tun.“

 

Entwicklungsziele der UN als Orientierungsrahmen

Gratis gibt es hier nichts, weder die sogenannten geteilten Coworking-Arbeitsplätze, die auch zu Corona-Zeiten gut besetzt sind, noch sonst etwas. Die Gebühren sind moderat; aber eine Firma, die hier einzieht, sollte schon etwas Geld für solche Dinge übrig haben. Doch nicht jeder darf hier rein. Das Team des Impact Hub beschließt, ob ein Mieter in das Gesamtkonzept passt oder nicht. „Wir orientieren uns an den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung“, sagt Besch. Dieser Katalog ist sehr umfangreich und umfasst ökologische, soziale und gesellschaftliche Ziele. Im Impact Hub landen so nicht nur Unternehmen, die sich von vorneherein mit der Überschrift nachhaltig schmücken. Es ist durchaus beabsichtigt, dass Gründer den Weg zu diesem Konzept noch finden. Das Impact Hub will sie bei diesem Lern- und Entwicklungsprozess begleiten. Ganz bewusst legt man hier aber den Fokus auf das nachhaltige Gründen. Junge Unternehmen entwickeln ihre Kultur erst noch. Aus Sicht der Betreiber des Impact Hub ist dies der beste Zeitpunkt, um nachhaltiges Denken und Handeln von vorneherein zum Teil derer DNA zu machen. Nachhaltigkeit ist für die Betreiber kein Sonderbereich, sondern soll das ganze unternehmerische Handeln durchdringen. Wenn eine Gründung erfolgreich ist, dann sollen die Weichen in diese Richtung für viele Jahre gestellt sein.

Von der Bienenhilfe bis zur Zahnradoptimierung

Sich gegenseitig zu inspirieren – das ist zentraler Teil der Philosophie. Und so befindet sich etwa das gemeinnützig und mit vielen Ehrenamtlichen arbeitende Start-up Blühende Landschaft, das Unternehmen von Landwirten bis hin zu Supermarktketten beim Thema Bienenfreundlichkeit berät, neben Start-ups wie Mine & Make, das Zahnräder effizienter macht. Im Impact Hub glaubt man, dass genau eine solche Mischung unkonventionelles, nachhaltiges Denken fördert. Gauthier Boisdequin, Gründer von Mine & Make, der ursprünglich aus dem technologisch ausgerichteten Förderprogramm M-Tech auf dem Wizemann-Gelände stammt und erst danach im Impact Hub gelandet ist, beschreibt diese Veränderung seines Denkens so: „Ich spreche jetzt von mir aus bei jedem Kundengespräch das Thema Nachhaltigkeit an.“

Begonnen hat man 2015 auf dem einstigen Gelände des inzwischen an einen anderen Standort umgezogenen Autozulieferers Wizemann. Seit 2019 läuft in den urigen Räumlichkeiten das Start-up-Konzept. Gründer und Start-ups, sagt Besch, seien für die nachhaltige Umgestaltung der Wirtschaft extrem wichtig. Sie hätten eine Vorbildwirkung für etablierte Unternehmen. Mit ihnen arbeitet der Impact Hub eng zusammen, durchaus typisch für die Stuttgarter Start-up-Kultur, die stark auf Unternehmenskunden ausgerichtet ist.

In Stuttgart gibt es gleich zwei Gründerzentren rund um die Nachhaltigkeit

Fast zeitgleich ist in Stuttgart mit dem Social Impact Lab eine weitere Institution entstanden, die Gründer unterstützen will. Der Fokus ist etwas anders. Während man im Impact Hub, wie der Name Hub, also Plattform, schon sagt, Firmen aus allen möglichen Bereichen mit sozialen und ökologischen Zielen teilweise erst in Verbindung bringen will, ist das Social Impact Lab ein Labor, das Gründer in der Startphase unterstützen will, die sich ökologischen und sozialen Geschäftsideen im eigentlichen Sinn verschrieben haben. Hier finden sich etwa Start-ups für Naturkosmetik, für ökologische Lebensmittel oder Projekte für Jugendliche mit Migrationshintergrund. Das Social Impact Lab ist als nicht gewinnorientierte Stiftung organisiert, während der Impact Hub eine GmbH ist, die sich selber tragen will. Unter demselben Dach befindet sich allerdings auch der M-Tech Accelerator, ein vom Land Baden-Württemberg gefördertes Start-up-Projekt zur Mobilität.

Zu den Gründungen im Impact Hub gehörten durchaus auch überraschende Firmen wie Laserhub, eine Online-Plattform für hochspezialisierte Blechteile. Das sehr erfolgreiche, auf Industriekunden ausgerichtete Start-up ist inzwischen in größere Büros in der Stuttgarter Innenstadt gezogen. Hier sieht man sich als nachhaltig, weil man die Transportwege für diese schweren Teile massiv verkürzt und ein Netz von teilweise sehr kleinen regionalen Unternehmen konkurrenzfähig hält.

Teil eines globalen Netzwerks

Der Impact Hub ist Teil einer in London entstandenen globalen Kette, die heute ihr Hauptquartier in Wien hat. Inzwischen gibt es 100 Standorte in 40 Ländern. In Deutschland sind weitere Hubs in Berlin, Hamburg, München, Leipzig, Dresden und im Ruhrgebiet zu finden. Die locker als Verein organisierte Vereinigung zeichnet eine hohe Flexibilität aus, um die Konzepte an die örtlichen Gegebenheiten anzupassen. So lässt sich die Rechtsform jedes Standortes frei wählen. Die Hubs sind Teil einer in Deutschland immer mehr wachsenden Infrastruktur rund um das nachhaltige Gründen, die über Förderprogramme weit hinausgewachsen ist. In Karlsruhe etwa gibt es inzwischen sogar die Start-up-Investoren von 4LVision, die speziell nachhaltige Gründungen finanzieren. Noch, so sagt Markus Besch von Impact Hub, seien das in Deutschland Pioniere. Aber er ist sicher, dass nachhaltiges Gründen eines der Trendthemen der kommenden Jahre ist.