Seit 1955 löste der Journalist Rick Master Kriminalfälle. Über siebzig auch in Deutschland beliebte Alben haben der Zeichner Tibet und der Autor André-Paul Duchâteau mit ihm vorlegt. Nun ist Duchâteau gestorben: Er hinterlässt ein schönes Erbe.

Stuttgart - So ist das nun mal: Fiktive Helden sind bekannter als die echten Menschen, die sie ersonnen haben. Dass der belgische Comic-Autor und Brüsseler Ehrenbürger André-Paul Duchâteau am 26. August im Alter von 95 Jahren gestorben ist – diese Nachricht wird nur wenigen Spezialisten hierzulande etwas sagen. Ganz anders sieht das aus, fügt man den Helden hinzu: Der Vater von „Rick Master“ ist von uns gegangen.

 

Seit 1961 ein festes Team

„Rick Master“ ist eine famos langlebige Comicserie und auch in Deutschland fest verwurzelt, seit die „MV-Comix“ aus dem Ehapa-Verlag in den späten 60er Jahren und dann das Magazin „Zack“ in den 70er Jahren die Krimiabenteuer des Pariser Journalisten und Amateurdetektivs Master präsentierten. Die Frankobelgier haben eine lange Tradition, ihre Comic-Helden jung zu halten und einfach die Welt um sie her etwas zu modernisieren, so wie das die Amerikaner mit ihren Superhelden tun. Meist wechselt aber nach einiger Zeit dann doch das Team der Zeichner und Autoren. Bei „Ric Hochet“, wie „Rick Master“ im Original heißt, war das anders.

Der große Zeichner Tibet (mit Klarnamen Gilbert Gascard) hatte sich die Figur 1955 ausgedacht, aber in den ersten Jahren nur ein paar Kurzgeschichten mit ihr veröffentlicht. 1961 aber tat Tibet sich mit dem Autor Duchâteau für ein erstes, in Fortsetzungen erscheinendes langes Abenteuer von Master zusammen. Von nun an ließen die beiden, obwohl sie noch andere Comicprojekte stemmten, bei ihren Krimis nicht mehr locker. Jahr um Jahr, Jahrzehnt um Jahrzehnt legten sie neue Alben vor. Ihre Partnerschaft bei „Rick Master“ endete erst nach einem halben Jahrhundert – durch den Tod von Tibet im Jahr 2010.

Noch immer nicht ausgelaugt

Rick Masters Karriere war aber auch damit noch nicht beendet. Die über 70 Alben von Tibet/Duchâteau haben durchweg Klasse. Trotz ganz normaler kleiner Qualitätsschwankungen waren Figuren und Szenerien nicht ausgelaugt. Der Verlag ließ die Serie 2015 mit dem Zeichner Simon Van Liemt und dem Autor Zidrou denn auch wieder aufleben.

Duchâteau sah seine Comic-Arbeit anfangs als Broterwerb, er schrieb Romane und dachte wohl, seine wahre Berufung läge auf diesem Feld. Das hat bei ihm aber nicht dazu geführt, dass er „Rick Master“ nicht ernst genommen hätte, im Gegenteil. Er sah sich nicht als jemand, der dem Zeichner bloß mit einer Standardgeschichte Gelegenheit zu tollen Bildern verschaffen sollte. Duchâteau Krimicomics sollten mit Romanen und Filmen auch auf der Ebene von Ideen, Plotführung und Rätselspiel konkurrieren können. Und das unter der erschwerten Bedingung, dass sie sowohl für junge Leser wie für ältere funktionieren mussten.

Ein echter Querschläger

Der Originaltitel „Ric Hochet“ ist ein Wortspiel mit „Ricochet“, dem Querschläger. Wie eine abgelenkte Kugel schoss diese Serie immer ein wenig überraschend quer über die Altersgrenzen – und auch über jene Linien, mit denen manche glauben, das bloß Unterhaltsame vom geistig Nahrhaften trennen zu können.

Auch bei Comics muss man manchen Klassiker mühselig auf Sammlermärkten suchen. Bei „Rick Master“ ist das nicht so. Die schöne Serie wird in Deutschland vom verdienstvollen Splitter-Verlag in einer noch nicht abgeschlossenen Gesamtausgabe vorgelegt. In Zeiten, in denen man mehr zuhause bleiben muss als früher, kann man hier mehr als nur der Nostalgie nachgeben.